Je süßer der Mord - Ein Wales-Krimi

Je süßer der Mord - Ein Wales-Krimi

von: Rhys Bowen

dp Verlag, 2022

ISBN: 9783986377250

2. Auflage

Format: ePUB

Kopierschutz: frei

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Preis: 5,99 EUR

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Je süßer der Mord - Ein Wales-Krimi


 

Kapitel 3


Die Bar des Red Dragon war voll, als Evan die schwere Eichentür aufstieß und sich unter dem Balken hinwegduckte, um einzutreten. Ein Feuer brannte im großen Kamin an der gegenüberliegenden Wand. Die Luft war schwer vor Zigarettenrauch.

„Sieh mal einer an ... da ist er ja endlich!“ Eine hohe Stimme hob sich über das Gemurmel im Pub. Das Gesicht von Betsy der Barfrau erhellte sich, als sie Evan entdeckte. „Noswaith dda, Evan bach!“

Köpfe wandten sich ihnen zu.

„Wir haben uns schon gefragt, wo Sie stecken, Evan bach“, rief Charlie Hopkins. „Das sieht Ihnen gar nicht ähnlich, die Öffnung der Bar zu verpassen. Betsy war schon drauf und dran einen Suchtrupp loszuschicken ...“

„War ich gar nicht!“, sagte Betsy mit geröteten Wangen. Evan war überrascht, Betsys Haar an diesem Abend in einem dunklen, kräftigen Rotbraun zu sehen. Seit sie sich beinahe von einem berühmten Opernsänger hatte verführen lassen, der dunkelhaarige Frauen bevorzugte, experimentierte sie mit ihrer Haarfarbe. Sie trug ein Trägertop aus Velours mit Leoparden-Druck und einem tiefen Ausschnitt. Das Ergebnis war gelinde gesagt verwirrend.

„Ich weiß sehr wohl, dass Evan Evans allein auf sich aufpassen kann“, fuhr Betsy fort und warf ihm ein herausforderndes Lächeln zu. „Ich meine, er hat die Statur dafür, oder nicht?“

„Es sei denn, er wird eines Tages von dir in die Enge getrieben“, sagte Charlie Hopkins und sein magerer Körper zitterte vor stiller Freude, während er die Vorderzähne entblößte. „Ich würde gerne sehen, wie er sich da herauskämpft!“

Betsy zog ihr Trägertop glatt, wodurch sich der Ausschnitt in beinahe nicht mehr jugendfreie Tiefen hinabzog. „Wenn ich Evan Evans allein erwische, wird er keinen Grund zum Kämpfen haben!“, verkündete sie der versammelten Menge. „Und wir werden auch nicht mit Vogelbeobachtungen beschäftigt sein ... es sei denn, ich entscheide mich für diese Tattoos, über die ich schon länger nachdenke.“

Gelächter hallte von der niedrigen Decke zurück. Evan zeigte ein gutmütiges Grinsen und beschloss, dass er nichts sagen konnte, was Betsy nicht als Zuspruch auffassen würde.

„Was darf’s denn heute Abend sein, Evan bach? Dein übliches Guiness?“

„Ich denke, ich werde mich heute Abend dem Herrn Schäfer-Owens anschließen und ein Robinson’s trinken“, sagte Evan. „Ich habe mir einen mächtigen Durst erarbeitet.“

Betsys Hände zapften geschickt zwei Pints Robinson’s Bitter mit perfekten Schaumkronen. „Hier, trink die aus und dann kannst du uns erzählen, wo du warst.“

„Ich habe dir schon gesagt, dass er heute Klettern war“, sagte Pumpen-Roberts. „Ich habe ihn auf dem Weg zum Glyder Fawr gesehen.“

Es gab nichts, was dem Buschfunk von Llanfair entging.

„Ich hörte, dass Bronwen Price ein Lehrertreffen an der Universität in Bangor hatte“, sagte Milchmann-Evans mit einem wissenden Zwinkern.

„Die verdammte Bronwen Price!“, murmelte Betsy und stellte unsanft ein Pint ab. Evan lockerte seinen Kragen. Hier drinnen war es heute Abend wirklich warm.

„Die kleine Betsy hat Ihre Ankunft sehnlichst erwartet, Evan“, sagte Charlie Hopkins, „damit Sie sie in dieses neue französische Restaurant einladen können.“

Betsy schenkte Evan ein herausforderndes Lächeln. „Ich würde einen Abend mit Evan Evans nicht ausschlagen, aber ich stehe nicht auf französische Restaurants, danke. Die servieren Schnecken und Froschschenkel, oder? Und kleine Vögel, an denen noch der Kopf dran ist ...“

Aus der Menge kamen gemischte Reaktionen von Abscheu und Gelächter.

„Wirklich“, beharrte sie. „Ich habe im Fernsehen mal eine Reisesendung gesehen.“

„Einen Moment mal ... von welchem französischen Restaurant sprechen wir?“, unterbrach Evan.

„Das neue, das in der alten Kapelle oberhalb von Nant Peris eröffnet“, sagte Charlie Hopkins. „Hochwürden Parry Davies hat es heute Nachmittag entdeckt, nicht wahr, Hochwürden?“

„Das habe ich in der Tat, Mr. Hopkins. Es brachte mein Blut zum Kochen, sehen zu müssen, dass ein Gotteshaus in einen Sündenpfuhl verwandelt wird.“ Die Stimme kam von einem Tisch in einer abgedunkelten Ecke. Anders als sein Amtskollege der Beulah-Kapelle lag ein gelegentlicher Besuch im Pub nicht unter der Würde von Hochwürden Parry Davies – damit meine Gemeinde weiß, dass ich auch ein Mensch bin, war seine Erklärung dafür. Tatsächlich nahm er häufig die Hintertür der Kapelle und den Pfad hinter den Häusern, um am Sonntagabend mit anderen männlichen Gemeindemitgliedern zum Red Dragon zu gelangen.

„Es ist ein Restaurant, Hochwürden“, stellte Milchmann-Evans klar, „kein Bordell.“

„Woher willst du das wissen, Junge?“, kicherte Eimer-Barry, der junge Planierraupen-Fahrer. „Vielleicht ist das nur Fassade. Ich denke, ich werde das besser persönlich überprüfen. Chez Yvette, der Klang gefällt mir ... ich wette, sie ist ’ne heiße Braut. Trägt bestimmt ein schwarzes Spitzenkorsett ... französische Frauen kleiden sich so, wisst ihr.“

„Und woher willst du das wissen, Eimer-Barry?“ Betsys Stimme klang beleidigt.

„Ich hab Erfahrung.“

„Du warst noch nie weiter südlich als Birmingham“, sagte Betsy triumphierend.

„Ich hätte nichts dagegen, dich in einem schwarzen Korsett zu sehen, Betsy.“ Barry grinste sie an.

„Und ich hätte nichts dagegen, im Lotto zu gewinnen. Die Chancen stehen ungefähr gleich, würde ich sagen.“

Evan lachte zusammen mit den anderen Männern. Er hatte Betsys Schlagfertigkeit schon immer bewundert.

„Also ich gehe nicht mal in die Nähe irgendeines französischen Restaurants“, sagte Fleischer-Evans laut. „Hier gibt es schon genug Fremde. Pflanzen dämliche Tannen und verschandeln die Hügel, kaufen all unsere Cottages ... Wenn ich das Sagen hätte ...“

„Du würdest eine verdammte Mauer um Llanfair ziehen und Besucher einen walisischen Pass vorweisen lassen, ehe sie eingelassen werden“, kicherte Milchmann-Evans und erntete allgemeines Gelächter.

„Das würde ich tatsächlich“, stimmte Fleischer-Evans zu. „Dasselbe noch mal bitte, Betsy-Maus.“

Betsy füllte das Pint-Glas wieder auf. „Erzählen Sie Evan Evans von Ihrem Bus, Reverend“, sagte sie. „Er hat sich einen riesigen Bus gekauft ...“

„Um die Leute aus dem Tal hier hoch zu holen“, sagte der Pastor. „Ich habe mir um diese armen Menschen Sorgen gemacht, die im vergangenen Jahr keine Kapelle hatten und keine Möglichkeit, sonntags hier rauf zu kommen, weil der Bus nicht fährt. Der Kleinbus war die Antwort auf meine Gebete.“

„Sie bitten besser den Landwirt Owens hier, Ihr Fahrer zu sein“, sagte Eimer-Barry. „Er ist gut darin, Schafe zusammenzutreiben. Vielleich leiht er Ihnen seine Hunde.“

„Wo wir gerade von Hunden sprechen, wie geht es Ihrer Hündin, Mr. Owens?“, fragte Pumpen-Roberts. „Ist sie in Ordnung?“

„Zum Glück, ja“, sagte Mr. Owens.

„Warum, was ist ihr passiert?“, fragte Betsy, lehnte sich über die Bar und dehnte ihren Ausschnitt damit weit genug, um ihre Gäste vom Trinken abzuhalten.

„Dieser Engländer hätte sie beinahe überfahren, oder?“, fragte Pumpen-Roberts. „Und das war nicht mal auf der Straße, sondern auf der Zufahrt zum Cottage.“

„Und er besaß auch noch die Frechheit, mir zu sagen, ich solle sie unter Kontrolle halten“, sagte Mr. Owens. „Auf meinem eigenen Land!“

„Ich wusste, dass Ärger auf uns zukommt, als Rhodri sein Cottage an Außenstehende verkaufte“, sagte Fleischer-Evans wütend. „Ich hab’s euch gesagt, oder nicht? Da kommt nichts Gutes bei rum, wenn man Fremde in die Gemeinde lässt. Es ist ja nicht so, als würden sie die hiesigen Läden unterstützen, oder? Sie war, glaube ich, nur ein Mal in meinem Laden und war dann so dreist, mich zu fragen, ob ich Englisch sprechen würde, während sie mit den Armen herumwedelte, als würde sie sich mit einem Idioten unterhalten.“

„Vielleicht dachte sie, du wärst der Bruder von Briefträger-Evans“, kicherte der Milchmann. „Vielleicht dachte sie, dass Beschränktheit in der Familie liegt.“

Fleischer-Evans stellte mit einem Knall sein Glas ab. „Wenn irgendjemand mit diesem Bekloppten verwandt ist, dann du!“

Evan hatte an der Bar gestanden und sein Bier geleert, zu erschöpft und entspannt, um sich dieser Unterhaltung anzuschließen. Jetzt trat er zwischen die beiden Männer, als Fleischer-Evans gerade seine Fäuste erhob.

„Ganz ruhig, Gareth bach. Denken Sie dran, ich bin auch ein Evans“, sagte er gutgelaunt.

Fleischer-Evans ließ die Fäuste sinken. „Ich hätte nur gerne gewusst, dass Rhodris Cottage zum Verkauf steht. Dann hätte ich es selbst gekauft.“

„Um oben in den Bergen zu leben? Red doch keinen Quatsch, Junge.“

„Wenn es die Fremden davon abhält, sich hier einzukaufen!“

„Dafür ist es jetzt ohnehin zu spät“, sagte Owens der Landwirt. „Sie haben viel Geld in das Haus gesteckt und haben es sicher nicht eilig, wieder zu verschwinden.“

„Es sei denn, jemand bringt sie dazu“, murmelte Fleischer-Evans.

„Na ja, sie sind jetzt für eine Weile fort“, fügte Owens der Landwirt hinzu. „Und sie werden nicht so häufig herkommen, wenn das Wetter schlechter wird. Ein paar ordentliche Regengüsse und die Zufahrt wird zu einem rauschenden Bach. Dann will ich sehen, wie er seinen Jaguar da hochbekommt!“

„Ich verstehe nicht, was der ganze Wirbel soll“, sagte Betsy. „Sie stören uns nicht. Sie waren nicht ein Mal...