Eigenmächtig, frauenbewegt, ausgebremst - Der Demokratische Frauenbund Deutschlands und seine Gründerinnen (1945-1949)

Eigenmächtig, frauenbewegt, ausgebremst - Der Demokratische Frauenbund Deutschlands und seine Gründerinnen (1945-1949)

von: Grit Bühler

Campus Verlag, 2022

ISBN: 9783593451077 , 525 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 44,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

Eigenmächtig, frauenbewegt, ausgebremst - Der Demokratische Frauenbund Deutschlands und seine Gründerinnen (1945-1949)


 

Einführung und Untersuchungsgegenstand


»Wenn wir Frauen von unseren Interessen und Wünschen ausgehen, müssen wir zu dem Schluss kommen, dass wir in Deutschland eine demokratische Frauenbewegung brauchen.«1

»Wir wollen mit unserer Politik endlich das Kräfteverhältnis in Deutschland zugunsten der Frauen und Mädchen verschieben. Das wird die Politik des Frauenbundes sein.«2

Von der Geschichtsschreibung nahezu nicht gewürdigt, wagten die Gründerinnen des Demokratischen Frauenbundes Deutschland (DFD) in der unmittelbaren Nachkriegszeit einen selbstbestimmten, ganz eigenen Aufbruch, der historisch beachtenswert ist.

Hervorgegangen aus den 1945 entstandenen Frauenausschüssen, wurde der DFD während des »Deutschen Frauenkongresses für den Frieden« gegründet, der vom 7. bis 9. März 1947 in Berlin stattfand.3 Konzipiert als parteiübergreifende gesamtdeutsche Organisation hatte dieser Frauenbund den emanzipatorischen Anspruch, einheitlich, demokratisch und überkonfessionell zu agieren. Die Akteurinnen bekannten sich mit ihrem Gründungsanspruch zur »schwesterlichen Verbundenheit«4 und definierten diese soziale Bewegung für sich als »neue demokratische Frauenbewegung«5. Mit ihrem Bekenntnis demonstrierten die Gründerinnen ihre Entschlossenheit, die tiefen Einschnitte des Nationalsozialismus (NS), der von ihnen auch als Phase radikaler Männerdominanz angesehen wurde, überwinden zu wollen. Sie verstanden sich als wirksames Empowerment von und für Frauen, die frauenpolitische Öffentlichkeit herstellten, Frauenpräsenz in politischen Gremien erlangen sollten und Gestaltungsrecht einforderten. Der Anspruch, Frauenpolitik visionär zu gestalten und politische Partizipation von Frauen zu ermöglichen, erhielt mit Gründung des DFD einen institutionellen Rahmen.6 Damit setzten die Akteurinnen einen gesellschaftspolitischen Impuls und lösten Wandlungsprozesse aus.

Die Gründungsgeschichte des DFD verweist auf vielfältige zeitlich und räumlich ausgreifende Prägefaktoren, etwa mit Blick auf die DFD-Gründerinnen. Sichtbar traten in den Nachkriegsjahren vor allem jene Frauen auf, die zum einen politisch besonders aktiv waren, sich aus der Weimarer Republik, aus dem Widerstand oder aus der Emigration kannten. Sie gingen während des Nationalsozialismus ins Exil und waren teils als Verfechterinnen für die Gleichberechtigung schon vor 1933 in Erscheinung getreten. Aus ihren Erfahrungen entstanden die Ansprüche und politischen Forderungen, diesen Aufbruch zu initiieren.

Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war nicht nur geprägt durch den grundlegenden Wandel der Lebenswirklichkeit, sondern – damit verbunden – auch von einer dynamischen Wende in Bezug auf die Geschlechterordnung. Dies betraf beispielsweise die demographische Zäsur mit ihrem Geschlechterungleichgewicht wie auch den Wandel der generationsübergreifenden Strukturen mit ihren veränderten sozialen Beziehungen.7 Auf diese völlig veränderte Lebensrealität nahm Mina Amann, christliche Gewerkschafterin, in einer Rede bei einer großen Berliner Kundgebung 1946 Bezug und schilderte:

»Die Frau von heute muss Stellung nehmen zu dem Problem, dem wir alle schicksalshaft verbunden sind. 12 Jahre Nationalsozialismus haben Deutschland in einen Trümmerhaufen verwandelt. Blühende Landschaften wurden in Bombenkrater und zerfetzte Wälder verwandelt, Wohn- und Kulturstätten zerstört oder gingen in Rauch und Asche auf. Eine Wirtschaft, die das Volk ernährte, ist zusammengebrochen. Alles Vertrauen, das das deutsche Volk durch seinen Fleiß und seine Qualitätsarbeit in der Welt besaß, ist erschüttert. Aber nicht nur über uns, sondern über viele Völker ist Leid und Elend gekommen. Durch die Maßlosigkeit eines verruchten Systems, das vor 13 Jahren die Gewalt an sich gerissen hat. Durch den verlorenen Krieg und den damit verursachten Zusammenbruch der Wirtschaft ist das gesamte Arbeits- und Berufsleben aus den Fugen geraten. Das ist die Situation, in der wir uns befinden.«8

Die Untersuchung legt dar, welche Faktoren für die Aufbruchsstimmung in Berlin und in der gesamten Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) prägend waren. Dabei kommen vor allem die für diese Studie repräsentativ ausgewählten Gründerinnen des DFD, deren Bekenntnis zur »schwesterlichen Verbundenheit« sowie die Entfaltung ihres feministischen Anspruchs, Handelnde einer »neuen demokratischen Frauenbewegung« zu sein, in den Blick.9 Durch die Skizzierung markanter Ereignisse, den Blick auf die Protagonistinnen aus der Binnenperspektive sowie auf der Grundlage von Archiv- und Rundfunkmaterial soll dieser bedeutende historische Augenblick auf die Bühne der deutschen Frauenbewegungsgeschichte, der Zeitgeschichte und der Geschichte der sozialen Bewegungen geholt werden.

Diese (Nachkriegs-)Frauenbewegung wurde bislang nur marginal in den Kontext der Frauenbewegungen des 20. Jahrhunderts eingeordnet. Dies gilt sowohl für die deutsch-deutsche Historiographie als auch für die DFD-Geschichte selbst. Es verlangt nach einem Zurückschreiben von Frauenpersönlichkeiten mit ihren Intentionen und Konflikten, ihrem Scheitern, aber auch mit ihren Erfolgen in die DFD- und DDR-Geschichte sowie in die gesamtdeutsche Erinnerungskultur. Dies soll in dieser Studie mit Bezug auf einige der engagiertesten und wirkmächtigsten Akteurinnen geschehen.

Zu den Anfängen des DFD nach 1945 konnte das bisher nur knapp beleuchtete, ja kaum entdeckte Frauenbewegungs-Motiv im DFD der ersten Jahre aus teilweise neu herangezogenen Quellen rekonstruiert werden. Dazu werden die Gründungsdokumente des DFD ausgewertet. Hervorzuheben ist der private, bisher ungenutzte Nachlass einer der Hauptakteurinnen, der DFD-Mitbegründerin und Generalsekretärin Maria Rentmeister, der hier in den Fokus rückt. 1949 hob sie bereits hervor, dass der DFD zu einem späteren Zeitpunkt (in der Rückschau) als nicht unbedeutsam beurteilt werden würde: »Es kommt vor, dass einiges Material in vielen Jahren erst Bedeutung erhält, wenn einmal historisch darüber geschrieben werden soll.«10

Richtet sich der Blick jedoch auf die gesamte Entwicklungsgeschichte des DFD bis 1989, so wird erkennbar, dass er einer umfassenden Metamorphose unterlag. Die explizit frauenbewegte Motivation, wie auch der Enthusiasmus der Gründungsphase und ihrer Protagonistinnen, wurde verdrängt und geriet schnell in Vergessenheit, als die Arbeit des DFD in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) der Politik der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) strikt untergeordnet wurde. Die SED übernahm die Deutungshoheit über die Aufbruchsbewegung, die engagiertesten Protagonistinnen wurden ausgebremst. Äußere Konflikte (vor allem der Kalte Krieg) korrelierten mit der beginnenden Erosion im DFD, die besonders im Zeitabschnitt bis in die frühen 1950er-Jahre nachzuweisen sind und den Ausbremsungsprozess stark beschleunigten.

Ausgehend von diesem Befund wird zunächst nach den Motiven und Interessen der Akteurinnen und Akteure, ihren frauenpolitischen Interaktionen sowie den Auseinandersetzungen in den unmittelbaren Nachkriegsjahren gefragt sowie Zusammenhänge rekonstruiert. Wie schlossen sich Frauen in Frauenausschüssen und später im DFD zusammen? Welche Position nahmen dabei die sich etablierenden Parteien sowie die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) ein? Gab es eine Parteidominanz? Gab es innere und äußere Widerstände sowie (Generationen-)Konflikte?

Im Fokus der Analyse stehen die Akteurinnen und Akteure: Die führenden politischen Protagonistinnen werden identifiziert und ihre Handlungsfelder hervorgehoben.11 Wie gelang es ihnen, ihr spezifisch frauenpolitisches Spektrum zu entfalten, und wie artikulierten sie ihre Interessen und Ansprüche, auch auf internationalem Terrain? Wie übersetzten sie ihre (frauen-)politischen Forderungen in die Praxis? Unter welchen ...