Serengeti wird sterben - Ein Afrika-Krimi

Serengeti wird sterben - Ein Afrika-Krimi

von: Klaus Heimann

edition oberkassel, 2022

ISBN: 9783958132597 , 350 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: frei

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Preis: 7,99 EUR

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Serengeti wird sterben - Ein Afrika-Krimi


 

DARMSTADT


An jedem letzten Freitag in geraden Monaten traf er sich: Der Jagdclub Deutsch-Ostafrika. Im Dachgeschoss der Jugendstilvilla eines Mitglieds, gelegen auf der Mathildenhöhe in Darmstadt. Der Hochzeitsturm mit seinem markanten fünffingrigen Giebel lag ganz in der Nähe.

Sie sprachen sich nicht mit ihren Namen an. Manche aus ihrem Kreis hatten den einen oder anderen vielleicht sogar schon vergessen. Die ehrenwerten Mitglieder waren per Du, verwendeten aber bei ihren Treffen untereinander Tiernamen aus der ostafrikanischen Fauna, auf Suaheli, der dortigen Landessprache. Natürlich war diese Marotte aus einer Schnapslaune heraus entstanden. Die Herren trafen sich seit Jahren und hatten manchen männlichen Umtrunk bestritten.

Vorsitzender des Vereins war Tembo, der Elefant. Weniger wegen seines Erscheinungsbildes, eher wegen seines majestätischen Auftretens. Den Hausherrn nannten sie Simba, den Löwen. Das passte gut zu seiner üppigen Mähne, die an Karl Marx erinnerte. Er verdiente sein Geld mit internationalem Kunsthandel. Damit war er sehr erfolgreich.

Chui, der Leopard, besaß ein sommersprossiges Gesicht. Twiga, die Giraffe, überragte die übrige Gesellschaft mit seinen zwei Metern deutlich. Duma, der Gepard, war der Jüngste in der Mannschaft. Als Sportsmann durch und durch bewegte er sich besonders geschmeidig. Seinen körperlichen Gegenpol in der Gruppe bildete Kiboko, das Nilpferd. Mamba, das Krokodil, besaß schlitzförmige Augen. Heute fehlte nur Nyumbu, das Gnu, so gerufen wegen seines Kinnbarts.

Diese acht Männer bildeten den Jagdclub Deutsch-Ostafrika. Gäste waren nicht zugelassen.

Sie legten Wert darauf, ein elitärer Club zu sein. Mitglied durfte nur werden, wer notariell beglaubigt Vorfahren im Gebiet des heutigen Tansania nachweisen konnte. Mit Ausnahme von Sansibar, das zu Schutzmachtzeiten nicht zum deutschen Territorium gehört hatte.

Wenigstens fünf Jahre mussten die Ahnen dort gelebt haben, sonst erfüllte man die Aufnahmebedingungen nicht. Manch ein Kandidat war dabei gescheitert, den Beweis für die Rechtmäßigkeit seiner Zugehörigkeit beizubringen. Das störte die übrigen Herren nicht. Lieber klein, dafür fein.

Die geistig-moralische Einstellung der Clubmitglieder, was die ehemalige deutsche Kolonie anging, durfte als streng konservativ bezeichnet werden. Von den Urvölkern Tansanias hielten sie nichts, am wenigsten von denen, die ihre Traditionen nicht aufgeben wollten. »Wegjagen. Alle«, hieß es zu alkoholisierter Stunde schon mal. Nüchtern vermieden die Männer peinlichst jede Bemerkung, die sie entlarven könnte.

Selbst weite Anreisen wurden nicht gescheut, um an den Treffen teilzunehmen. Twiga lebte zum Beispiel in Berlin. Er übernachtete an Clubabenden regelmäßig in Darmstadt, um am nächsten Tag zurückzureisen. Das war mitunter nicht mit seinem engen Terminkalender vereinbar. Deshalb war er derjenige, der am häufigsten fehlte. Heute war er jedoch gekommen.

Der Kreis durfte durchaus als wohlsituiert bezeichnet werden. Die Jagdreisen waren ebenso elitär wie ihre Vereinigung. Sie führten immer ins ehemalige Deutsch-Ostafrika. Dort ließen sie die Herrlichkeit der Kolonialzeit aufleben, schossen auf alles, was sie sich kaufen konnten, ließen sich mit den erlegten Tieren fotografieren, schafften auf dubiosen Kanälen Trophäen nach Deutschland.

Einige Exemplare hingen an den Giebelseiten des Dachstuhls, der als einziger, riesiger Raum ausgebaut war, getäfelt in dunkler Eiche.

Ein Horrorkabinett für jeden Tierliebhaber.

Tote, gläserne Augen starrten die Jagdgesellschaft an. Manch eine Trophäe stammte noch aus Kaisers Zeiten. Die Mähne des Löwen sah arg mottenzerfressen aus. Auch das Fell der Giraffe hatte zu Lebzeiten bestimmt weniger Kahlstellen aufgewiesen. Bei diesen beiden handelte es sich eindeutig um Erbstücke.

Drei der Männer besaßen auch Jagdpachten in Deutschland. Dort frönten sie ihrem Hobby in der Zeit, in der sie nicht in Afrika sein konnten. »Um nicht...