Zwei wie Feuer und Wasser

Zwei wie Feuer und Wasser

von: Kate Hardy

CORA Verlag, 2022

ISBN: 9783751513593 , 130 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 2,49 EUR

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Zwei wie Feuer und Wasser


 

1. KAPITEL

„Sie wissen ja, warum Sie hier sind“, meinte der Rechtsanwalt und sah Emmy und Dylan prüfend an.

Natürlich wusste Emmy es: Ally und Pete hatten sie gebeten, die Vormundschaft für den kleinen Tyler zu übernehmen, wenn das Undenkbare passieren sollte.

Und es war passiert.

Sie konnte nicht glauben, dass sie ihre beste Freundin nie mehr sehen würde.

Emmy hob das Kinn. Heute sollten wohl die gesetzlichen Formalitäten erledigt werden. Dylan war vermutlich hier, weil er als Petes bester Freund zum Testamentsvollstrecker bestimmt war.

„Ja, ich weiß es“, bestätigte sie.

Dylan nickte. „Ich auch.“

„Sie versichern also beide, dass Sie bereit sind, die Vormundschaft für das Kind Tyler zu übernehmen?“, fragte der Notar.

Emmy war wie erstarrt. Beide? Was meinte der Mann? Ally und Pete hätten doch niemals sie und Dylan zu gemeinsamen Vormunden bestimmt! Da musste ein Irrtum vorliegen.

Betroffen sah sie Dylan an, der den Blick fassungslos erwiderte.

Hatten sie sich verhört? Etwas falsch verstanden?

„Wir sollen beide Tylers Vormunde sein?“, hakte sie nach.

„Wussten Sie nicht, dass seine Eltern Sie testamentarisch dazu bestimmt haben, Miss Jacobs?“, erkundigte sich der Anwalt.

„Ja, schon. Ally hat mich gefragt, ob ich einverstanden bin, bevor sie und Pete ihr Testament neu verfasst haben.“ Allerdings hatte sie angenommen, dass Ally damit nur sie allein gemeint hatte.

„Und mich hat Pete gefragt“, informierte Dylan sie.

Haben Ally und Pete das etwa nicht abgesprochen? überlegte Emmy. Unsinn! Beide hatten das Testament unterzeichnet. Also wussten sie, dass Allys beste Freundin und Petes bester Freund sich bereit erklärten hatten, für Tyler zu sorgen. Nur hatten sie diese Information weder Freund noch Freundin zukommen lassen.

„Bedeutet es ein Problem für Sie?“, wollte der Anwalt wissen.

Abgesehen davon, dass wir uns nicht ausstehen können und uns üblicherweise aus dem Weg gehen? hätte Emmy am liebsten erwidert. Und abgesehen von der Tatsache, dass Dylan verheiratet war – und seine Frau sicher nicht begeistert sein würde, wenn er mit einer anderen gemeinsam eine Vormundschaft ausüben sollte.

„Nein, kein Problem“, antwortete sie und sah Dylan bedeutsam an. Nun lag es an ihm zu erklären, dass er die Aufgabe nicht übernehmen konnte.

„Für mich auch nicht“, sagte er jedoch, was ihr einen Schock versetzte.

„Gut“, meinte der Anwalt.

Nein, nichts ist gut, dachte Emmy. Beabsichtigte Dylan vielleicht, die alleinige Vormundschaft anzustreben? Als verheirateter Mann hatte er auf jeden Fall bessere Karten.

„Die Eltern haben finanziell für Tyler gesorgt“, verkündete der Anwalt weiter. „Ich habe sämtliche Details dazu hier vorliegen.“

„Ich kümmere mich darum“, bot Dylan an.

Wahrscheinlich, weil er einer wirrköpfigen Schmuckdesignerin wie mir das nicht zutraut, dachte Emmy gekränkt. Sie wusste, dass er sie so einschätzte. Schließlich hatte sie ihn genau das zu Pete sagen hören. Mehr als einmal! Dabei war sie schon seit zehn Jahren selbstständig und durchaus in der Lage, ihre Angelegenheiten zu regeln.

Und wie war es mit ihm? Er war doch so verklemmt und spießig, dass sie sich gar nicht vorstellen konnte, wie er mit einem Kleinkind klarkommen sollte. Seine Frau Nadine war bestimmt aus demselben Holz geschnitzt wie er! Kaltherzig und arbeitssüchtig. Wahrscheinlich wusste sie gar nicht, was Vergnügen war. Ally hätte bestimmt nicht gewollt, dass Nadine sich um ihr Baby kümmerte.

Der Anwalt kam nun auf die Einzelheiten des Testaments zu sprechen, und Emmy musste ihre Gefühle hintanstellen und zuhören, um nicht den Faden zu verlieren.

Zu guter Letzt war alles überstanden.

Emmy schüttelte dem Anwalt die Hand und verließ das Büro. Unten an der Haustür blieb sie stehen und wandte sich Dylan zu, der ihr auf dem Fuß folgte.

„Ich glaube, wir sollten das alles besprechen“, schlug sie vor. „Sofort.“

„Richtig. Und ich könnte jetzt eine Tasse Kaffee vertragen.“

Unter seinen kornblumenblauen Augen zeigten sich dunkle Ringe, die auf Schlafmangel schließen ließen. Zum ersten Mal, seit sie Dylan kannte, sah er verletzlich aus. Sein Kummer war bestimmt genauso groß wie ihrer. Deshalb verkniff sie sich eine kurz angebundene Bemerkung, wie sie zum üblichen Umgangston zwischen ihnen beiden gehörte.

„Mir geht’s wie dir“, meinte sie. „Ich brauche auch Kaffee.“

„Wo ist Tyler jetzt?“, erkundigte Dylan sich.

„Bei meiner Mutter. Ich fand, dass ein Anwaltsbüro kein geeigneter Platz für den Kleinen ist.“ Und wage bloß nicht, diese Entscheidung zu kritisieren, fügte sie im Stillen hinzu.

„Da hast du völlig recht“, stimmte er zu.

Das war ja eine Premiere: Zum ersten Mal war er einer Meinung mit ihr! Vielleicht konnten sie doch gemeinsam eine Lösung ausarbeiten. Vielleicht war er ja vernünftig und sah ein, dass für ein Baby in seinem arbeitsreichen Leben kein Platz war. Für sie würde es natürlich auch nicht leicht werden, aber immerhin hatte sie schon viel Zeit mit Tyler verbracht und hatte wenigstens eine gewisse Ahnung, wie man sich um ein Baby kümmerte.

Sie gingen in ein Café gleich auf der anderen Straßenseite.

„Wenn du uns schon mal einen Tisch aussuchst, bringe ich den Kaffee“, schlug Emmy vor. „Was zu essen dazu?“

„Nein danke, ich habe keinen Appetit.“

„Geht mir genauso“.

Da hatten sie ja schon wieder eine Kleinigkeit gemeinsam! Vielleicht kamen sie auch in anderen Punkten auf einen Nenner. Sie wollte ja auch gar nicht mit Dylan streiten. Sie wollte ihre beste Freundin zurückhaben! Sie wollte, dass alles wieder so war wie vor drei Tagen.

Pete hatte Ally zum Hochzeitstag überraschend nach Venedig entführt. Auf dem Heimweg hatte Ally ihr noch eine SMS geschickt, in der sie schrieb, wie sehr sie sich schon auf das Wiedersehen mit dem kleinen Tyler freute und darauf, Emmy bald alles über die Reise zu erzählen …

Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen und Ally und Pete wären noch am Leben, dachte Emmy schmerzerfüllt.

Sie bezahlte den Kaffee und brachte ihn an den Tisch, den Dylan in einer ruhigen Ecke ausgesucht hatte.

„Du hattest also keine Ahnung, dass Pete mich zu Tylers Vormund bestimmt hat?“, fragte er unumwunden.

Wie typisch für ihn! Er redete nicht um den heißen Brei, sondern kam immer direkt zur Sache. Diesmal war sie damit einverstanden. Je eher sie das Thema anschnitten, desto besser.

„Richtig“, bestätigte sie. „Und du wusstest nichts davon, dass Ally mich gebeten hat, notfalls Mutterstelle bei Tyler einzunehmen?“

„Stimmt.“ Er breitete die Hände aus. „Natürlich habe ich Ja gesagt, als Pete mich fragte. So wie du es bei Ally offensichtlich gemacht hast. Man soll ja nicht schlecht über Tote reden … und Pete war wirklich mein bester Freund, fast schon so was wie mein Bruder … aber ich frage mich, was zum Kuckuck sich die beiden eigentlich dabei gedacht haben.“

„Sie sind beide … waren beide doch Einzelkinder“, erklärte sie. „Petes Vater ist fast achtzig, Allys Mutter geht es gesundheitlich nicht gut. Man kann ihnen doch nicht zumuten, sich um Tyler zu kümmern. Und das ungefähr die nächsten zwanzig Jahre! Natürlich haben Pete und Ally jemand in ihrem Alter als Vormund ausgesucht.“

Dylan seufzte bekümmert. „Das ist selbstverständlich. Ich meinte, warum haben sie ausgerechnet dich und mich genommen?“

„Du meinst, warum nicht dich und deine Frau?“, hakte Emmy gezielt nach.

„Das ist kein Thema“, wehrte er ab.

„Wenn ich verheiratet wäre und mein Mann würde von seinem besten Freund gebeten, Vormund für dessen Sohn zu werden, wäre ich ganz schön sauer, wenn eine andere Frau als ich zum Mitvormund ausersehen würde“, erklärte sie.

„Das ist trotzdem kein Thema“, wiederholte Dylan.

Du herablassender, hochtrabender Idiot, schimpfte Emmy im Stillen. Nur mühsam hielt sie ihre Wut im Zaum.

„Findest du nicht auch, deine Frau sollte an der Diskussion beteiligt sein?“, schlug Emmy bemüht sachlich vor.

„Du hast doch gesagt, wir müssten sofort alles besprechen“, hielt er dagegen.

„Das müssen wir auch.“ Sie schlug den äußerst höflichen Ton an, den sie für schwierige Kunden benutzte. „Könntest du sie nicht jetzt anrufen und fragen, ob sie sich uns anschließen kann?“

„Nein.“

„Entweder vertraut dir deine Frau blind … oder du bist noch selbstherrlicher als ich dachte“, warf sie ihm an den Kopf, da Höflichkeit ohnehin nichts fruchtete.

„Es ist deswegen kein Thema, weil Nadine und ich uns getrennt haben“, erklärte Dylan nun und funkelte sie an.

Warum habe ich das nicht gewusst? fragte sie sich. Wann ist es passiert? Und warum? Aber das durfte sie nicht fragen. Es ging sie ja nichts an.

„Das macht das ganze Problem ein bisschen weniger kompliziert, denke ich.“ Emmy trank einen Schluck, und dachte an den – zuerst völlig absurd scheinenden – Vorschlag, den die Sozialarbeiterin ihr gestern unterbreitet hatte. „Vielleicht dachten Ally und Pete, dass du und ich zusammen Tyler das geben können, was er braucht.“

Dylan sah sie kritisch an. „Wie soll ich das jetzt verstehen?“

„Wir haben verschiedene Stärken....