Liebesbriefe aus Brighton

Liebesbriefe aus Brighton

von: Kathrin Reinke

tolino media, 2021

ISBN: 9783752147209 , 116 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: frei

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Preis: 3,49 EUR

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Liebesbriefe aus Brighton


 

Kapitel 12


 

Hampton Hall, nahe Oxshott in Surrey, September 1829, später am Tag

Christopher lief in seinem Arbeitszimmer auf und ab. Er hatte hin und her überlegt, aber es gab keine Alternative. Er musste sich Rat holen!

Es klopfte und er bat ungeduldig einzutreten. Downing meldete Frederick, der ihm ärgerlich entgegenschaute. Erst, als die Tür ins Schloss fiel, ließ er seinen Emotionen freien Lauf. »Willst du mich jetzt ständig herbeizitieren?«

Christopher winkte ab. Das war doch wirklich nebensächlich. »Deiner Gattin geht es gut?« Er hastete zur Bar und goss Scotch für sie ein.

»Wie bitte?« Frederick nahm zwar das Glas ab, aber hob dabei beide Hände. »Seit wann interessiert dich das Befinden meiner Gattin?«

»Mich interessiert das Wochenbett«, wurde Christopher deutlich. »Wie hat sie das überstanden? Gebete? Deine Gegenwart?« Es musste etwas sein, was Clara nicht gehabt hatte und all die anderen beklagenswerten Ladys Walpole auch nicht – inklusive seiner verstorbenen Schwägerin Mary.

Er schüttete das Getränk herunter und erinnerte sich an Gwendolyns Warnung, es damit nicht zu übertreiben. Leider war es zu spät, denn er dachte bereits seit dem Erwachen darüber nach, sie um eine weitere Zusammenkunft zu bitten. Leider überfiel man Ladys mit dieser Bitte sicherlich nicht am frühen Morgen. Er runzelte die Stirn.

»Ihr habt nur ein Bett.« Das hieß, dass sein Bruder ständig bei seiner Gattin schlief. Ein reizvoller Gedanke, nur konnte er sich keine Begründung vorstellen, mit der er Gwendolyn seine Gesellschaft in der Nacht auf die Dauer schmackhaft machen konnte. Sie würde wissen, dass es ihm nicht bloß darum ging, bei ihr zu sein. Sie durchschaute ihn ständig, zumindest hatte er das Gefühl. Nun, sie hatte den Ring als Trojanisches Pferd erkannt und auch geahnt, dass sein Wunsch zu bleiben ein Vorwand gewesen war, denn er hätte ihre Zusammenkunft gern wiederholt.

»Moment«, unterbrach Frederick seine Überlegungen. »Sie kann unmöglich bereits ein Kind tragen.« Er riss die Augen auf. »Broderick?«

Christopher schüttelte hastig den Kopf. »Nein, nein. Sie ist …« Hitze schoss ihm in die Wangen. »Ganz mein.«

»Das Problem hat sich also gelöst? Ich nehme an, mit der Führung des Haushalts fühlt sie sich mehr als Dame des Hauses und damit dir ebenfalls verbundener.« Er nickte und zuckte dann die Achseln. »Fein, es werden sich Nachkommen einstellen.« Er musterte Christopher eindringlich. »Wie fühlst du dich damit?«

»Jungen«, beschied er unruhig. Leider stand ihm Amelia vor Augen. »Wir dürfen kein Mädchen haben.« Nicht noch eines. »Rose ist bereits verstörend genug.«

Der Bruder prustete. »Rechne mit einem Heer an Mädchen, dann wirst du wenigstens nicht enttäuscht.«

Christopher starrte ihn entsetzt an. Seine Knie wurden weich und er suchte sich schnell einen Platz, um darauf hinabzusinken.

»Kit.« Frederick drückte seine Schulter. »Es wird nicht leicht, aber vielleicht ist es genau das, was du brauchst. Komm mit in den Salon. Ich bin ganz verzaubert von Rose und du wirst es auch sein, wenn du ihr eine Chance gibst.«

Christopher schüttelte den Kopf. »Sie lacht wie Amelia«, krächzte er. »Das kann ich nicht.«

»Kit, wir vermissen sie beide. Aber Amelia ist fort und wir müssen weitermachen. Wir haben Rose. Wir haben meinen Christopher und in naher Zukunft schenkt dir deine Gattin ein Kind. Es darf keinen Unterschied machen, ob es sich dabei um einen Sohn oder eine Tochter handeln wird.« Er schüttelte ihn sacht. »Verluste treffen uns immer wieder. Es gehört zum Leben dazu, so schwierig und schmerzlich es ist.«

»Aber nicht Gwendolyn«, murmelte er, da ihn gleich ein ungeheurer Widerwille erfasste. »Was war es?«, kam er auf den Ursprung des Gesprächs zurück. »Was half Meredith, die Geburt zu überstehen?«

»Das weiß ich nicht«, gab der Bruder zu. »Glaube mir, ich habe gebangt und hadere, ob ich ihr ein weiteres Kind zumuten soll.«

»Mutter starb erst bei …«

»Albert. Bei ihrem dritten Sohn, aber bei sechs Gattinnen kam unser Vater auf fünfzehn Geburten und nur drei seiner Söhne überlebten, um erwachsen zu werden.«

Christopher schluckte, da die Botschaft bereits deutlich war. Das Leben bescherte einem unheimlich viele Verluste.

»Ich genieße lieber die Zeit, die ich habe, als mir den Kopf zu zerbrechen, wie ich ein Unglück verhindern kann. Meredith kann auch Opfer der nächsten Epidemie werden.« Frederick atmete tief durch. »Pocken, Pest, Schweißfieber und sei es eine Grippe! Ich mag nicht darüber nachgrübeln, was uns schließlich trennen wird, sondern möchte jeden Moment genießen, den ich mit ihr habe.«

Christopher schaute zu ihm auf. »Tee?«, krächzte er. Die Aussicht, auf Rose zu treffen, war nicht berauschend, aber vor wenigen Tagen hatte er ähnlich über Gwendolyn gedacht. Nun überlegte er ständig, dass er sie erst am Abend aufsuchen konnte.

»Eine halbe Stunde. Rose ist ein süßes Mädchen. Sie ist stiller als Amelia. Sie ist anders, du wirst sehen.« Frederick trat zur Seite, damit Christopher aufstehen konnte.

Er seufzte gedehnt und wischte sich die Hände ab. »Ich werde mich an Kinder gewöhnen müssen, wenn ich Gwendolyn in meiner Nähe halten will.« Und daran zweifelte er nicht.

»Fein.« Frederick legte den Arm um seine Schultern. »Behalte Ruhe und sei so freundlich wie möglich. Nicht aufgesetzt, das merken die Damen. Begrüße Sie, mach eine Bemerkung zu ihren Kleidern oder der Frisur und trink ein paar Schlucke, ohne die Nerven zu verlieren. Dann ziehst du dich unter einem Vorwand zurück und alle sind glücklich.«

Christopher nickte, obwohl er den Bruder gern abgeschüttelt und zurechtgewiesen hätte. So weit erinnerte er sich durchaus an die Etikette! Es fiel ihm nur schwer, an etwas zu denken, das er einer Frau sagen konnte.

So betraten sie deutlich zu schnell den Salon. Die Damen standen auf, als sie ihn entdeckten, und knicksten. Rose bekleckerte sich dabei mit Tee und warf Gwendolyn einen erschreckten Blick zu.

Oh nein, sie würden gehen, bevor er ihr sagen konnte … »Das Kleid ist wahrlich scheußlich.« Er klappte über sich selbst erschrocken den Mund zu und riss die Augen auf.

Seine Gattin blinzelte, sah an sich herab und hob dann stolz das Kinn. »Wie angenehm, dass Sie sich zum Tee einfinden, Lord Walpole. Wir haben nicht mit Ihnen gerechnet und bereits begonnen. Ihr Butler wies mich erneut darauf hin, dass Sie nicht gestört werden wollten, und ich habe keine Befugnis, mir Schneider oder … anderes Personal ins Haus zu holen.«

Christopher spürte, wie seine Wangen brannten. »Tatsächlich ist dies mein Versäumnis. Ich war zu beschäftigt mit …« Er brach ab, schließlich konnte er schlecht eingestehen, dass er an die nächste Nacht gedacht hatte, die er in ihrem Bett verbringen würde. Und an Sterbefälle im Wochenbett und wie man jene umging. Er warf seinem Bruder einen Blick zu.

Frederick schüttelte stumm den Kopf.

»Wichtigeren Angelegenheiten«, stellte Gwendolyn fest, während sie die Tasse auf das Tablett stellte und Rose’ Hand ergriff.

»Nicht gehen!« Er hob die Hand und verstellte ihr eilig den Weg.

»Sind Amelias Kleider nicht eingemottet?« Frederick trat an ihm vorbei zu seiner Gattin und schaute auf das Kleinkind hinab, das an ihrer Brust ruhte. »Er schläft ja mal.«

Christopher rollte es eisig den Rücken hinunter. »Nein.« Er hob den Blick. »Das geht nicht.«

Gwendolyn nickte lediglich. »Sie werden sich nicht in der Gesellschaft von Kindern befinden wollen, daher …«

»Doch!«

Sie runzelte die Stirn.

»Ich mag …« Er schaute auf Rose herab und konnte seinen Satz nicht beenden. Sie legte den Kopf schräg und spitzte die Lippen.

»Mylord, es ist auch nicht schicklich …«

»Bitte«, unterbrach er sie rüde und presste kurz die Lippen aufeinander. »Eine halbe Stunde am Tag, um uns aneinander zu gewöhnen.«

Rose rieb an ihrer Brust, wo der Tee gelandet war. »Gwenny sagt, ich muss Entschuldigung sagen.«

»Rose«, unterbrach Gwendolyn das Kind hastig. »Das ist wohl nicht der richtige Moment, um dazwischenzusprechen.«

»Aber ich finde, er muss sich entschuldigen«, fuhr die Kleine unbeirrt fort. »Er hat mich fallen lassen.«

Gwendolyn wandte sich ihr zu und kniete sich hin, um ihr in die Augen zu schauen. »Rose, darüber haben wir gesprochen. Lord Walpole war erschrocken, da du ihn einfach angefasst hast. Das tut man nicht.«

Christopher räusperte sich verlegen. »Ich war tatsächlich erschrocken, Rose, und habe unachtsam reagiert. Bitte verzeih, dass du meinetwegen gefallen bist.«

»Gut«, flötete das Kind. »Ich wollte nur mit Ihnen spielen. Es macht Spaß herumzutollen!«

Gwendolyn erhob sich. »Rose.«

Das Mädchen verzog die Schnute. »Tut mir leid.«

»Ich nehme deine Entschuldigung an und brauche nun dringend eine Tasse Tee. Wenn die Damen sich setzen mögen.«

Rose kletterte auf die Chaiselongue und Gwen setzte sich daneben, um nach einer frischen Tasse zu greifen. »Wie trinken Sie Ihren Tee, Mylord?«

Sie reichte ihm das Getränk, nachdem sie Zucker und Milch zugemischt hatte.

»Mr Walpole?«

»Danke. Wir hatten schon Scotch.« Fredericks belustigter Blick streifte Christopher, und Gwendolyn nahm den Hinweis auf. Ihre Augen weiteten sich.

»Sie beginnen bereits am Vormittag? Kein Wunder, dass …« Sie brach ab und errötete. Sie nahm eilig ihre eigene Tasse auf und nippte an dem sicherlich abgekühlten Getränk. Dachte sie, dass er trank, um das Lager mit ihr zu teilen? Welch pikante...