Bianca Exklusiv Band 334 - Prinz meines Herzens

Bianca Exklusiv Band 334 - Prinz meines Herzens

von: Sherryl Woods, Lilian Darcy, Jen Safrey

CORA Verlag, 2021

ISBN: 9783751501125 , 236 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 5,49 EUR

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Bianca Exklusiv Band 334 - Prinz meines Herzens


 

1. KAPITEL

Hilfe! Helfen Sie mir! Bitte!

Die Worte hallten in Allisons Kopf wider, aber sie wusste nicht, ob sie die Worte wirklich gerufen hatte.

Um sie herum war es unheimlich still. Still war es jedoch ohnehin schon lange in ihr gewesen, bevor Hurrikan Gwen mit seiner 130-Meilen-Orkanstärke gleich nach Mitternacht über Miami losgebrochen war. Genau genommen war die Welt für Allison seit fast fünfzehn Jahren still – eine lange Zeit, wenn man die Stimmen der Eltern nicht hören konnte, wenn man Musik studiert hatte und die lyrischen Texte eines Liebesliedes nicht mitbekam. Und eine noch längere Zeit, um sich an ein Leben der immerwährenden Stille zu gewöhnen.

Bei den Fernsehnachrichten hatte sie von den Lippen des Meteorologen abgelesen, dass ein Orkan direkt auf Miami heranzog, und sie hatte seine Sorge wegen der verheerenden Stärke des Orkans herausgespürt.

Dann war der Strom ausgefallen, und um sie herum war finsterste Nacht gewesen. Allison hatte nicht einmal gewusst, was draußen geschah. Sie hatte sich gesagt, dass sie ohnehin nichts tun machen konnte. Vermutlich wäre es besser gewesen, wenn sie sich ins Bett gelegt und versucht hätte zu schlafen. Aber dann war sie doch aufgeblieben, hatte sich vom Sofa im Wohnzimmer nicht fortgerührt und darauf gewartet, dass es endlich Morgen wurde. Sie hatte alles getan, was zu tun war, falls sich wieder mal einer dieser tropischen Stürme über dem Atlantik zusammenbrauen sollte.

Jeder, der eine längere Zeit in Süd-Florida lebte, wusste, welche Vorsorge er zu treffen hatte während der Hurrikan-Saison, die mit dem Frühling anbrach und im November endete. Sie konnte nur beten, dass sie und ihr Haus auch dieses Mal heil davonkämen.

Zwar war Allison erst vor wenigen Monaten aus dem Mittleren Westen nach Miami gezogen, aber sie war von Natur aus vorsichtig. Gleich zu Beginn der Hurrikan-Saison hatte sie jeden Zeitungsartikel gelesen, der sich mit den Vorbereitungen für die orkanartigen Stürme befasste. Sie war dankbar für die rechtzeitigen Warnungen, die über Radio und Fernsehen sofort verkündet wurden, sobald ein Hurrikan sich an Afrikas Westküste zusammenbraute. Allison nahm das Unheil, das die Stürme anrichten konnten, sehr ernst, nicht wie einige der neu Hinzugezogenen.

Noch ehe sie auch nur einen Cent ausgegeben hatte für die Ausstattung der Wohnräume und – was ihr besonders am Herzen lag – für die Gestaltung des Gartens, hatte sie als Erstes sturmfeste Rollläden vor den Fenstern ihres hübschen kleinen Hauses im spanischen Stil einbauen lassen. In ihrer Garage stapelten sich Flaschen mit Trinkwasser, Dosen mit Essbarem, Batterien für ihre Taschenlampe und Kerzen.

Sie unterdrückte ein hysterisches Lachen, als ihr all der kostbare Proviant in den Sinn kam, der – wie zum Hohn – jetzt mit ihr unter dem Geröll hier begraben war. Vom Haus selbst, auf das sie so stolz gewesen war, schien wenig geblieben zu sein, bis auf den Trümmerhaufen, der sie gefangen hielt. Offensichtlich waren all die Vorkehrungen immer noch nicht genug gewesen.

Es war stockdunkel, ob wegen der Nachtzeit oder weil sie von den Trümmern fest eingeschlossen war, wusste sie nicht. Sie nahm Letzteres an, denn hin und wieder sickerte der Regen durch die Holzbretter der zerbrochenen Möbel, die sie wie umklammert hielten.

Ihr ganzer Körper schmerzte. Sie hatte überall Schnittwunden und Kratzer. Am meisten tat ihr linkes Bein weh, das sie nicht rühren konnte, weil es irgendwie verdreht unter dem Gewicht einer schweren Planke wie festgenagelt war. Allison hatte keine Ahnung, wie lange sie hier besinnungslos gelegen hatte, aber sie nahm an, dass es nur wenige Minuten waren. Sie hatte sich noch immer nicht beruhigt von dem Schock, als die Rollläden losgerissen wurden, die Fenster nach innen brachen und die Wände um sie herum einstürzten. Die teuren Rollläden, die ihre letzten Ersparnisse aufgebraucht hatten, waren überhaupt kein Schutz gegen das Wüten des Sturms gewesen.

Zum Wegrennen war keine Zeit gewesen. Vielleicht hätte sie rechtzeitig entkommen können, wenn sie das Wüten des Windes und den peitschenden Regen gehört hätte. Aber so hatte sie völlig unerwartet das entsetzliche Gefühl gehabt, dass die Wände buchstäblich über sie hereinbrachen, und dann fing alles an um sie herum zu Bruch zu gehen. Ihr Haus schien sich Windstoß für Windstoß aufzulösen.

Sie hatte noch versucht, die Eingangstür zu erreichen, um sich in Sicherheit zu bringen. Noch ehe sie einen weiteren Schritt hatte tun können, wurde mit einem heftigen Luftzug das Dach abgehoben, um im Bruchteil einer Sekunde einzustürzen und zu zerschellen.

Etwas hatte Allison schwer am Hinterkopf getroffen, und die Welt schien wie ausgelöscht zu sein. Für wie lange, das wusste sie nicht. Als sie wieder zur Besinnung kam, hatte es nur den Schmerz gegeben. Sie hatte versucht, sich zu bewegen, aber der Schmerz in ihrem Bein war so stark gewesen, dass sie gleich wieder ohnmächtig wurde.

Das sollte ihr eine Warnung sein. Sie verhielt sich vollkommen ruhig, atmete in tiefen Zügen ein und aus und kämpfte gegen die Panik an, die sie immer wieder zu überwältigen drohte.

Eine so beklemmende Angst hatte sie seit dem Tag nicht wieder gehabt, als sie im Krankenhaus erwachte und feststellen musste, dass alles seltsam still und lautlos um sie herum war. Instinktiv hatte sie gewusst, dass etwas absolut nicht stimmte, und hatte den Fernseher angestellt. Als sie immer noch nichts hörte, hatte sie zuerst die Lautstärke reguliert und sich an den Gedanken geklammert, dass der Fernseher kaputt sei. Erst als sie versehentlich eine Blumenvase umgestoßen hatte und auch dabei kein Geräusch vernommen hatte, war ihr klar geworden, was geschehen war.

In Panik hatte sie nach ihren Eltern geschrien, die sofort an ihr Bett geeilt waren. Die Ärzte, die sie zurate gezogen hatten, hatten eine Menge Tests angeordnet, und es hatte sich herausgestellt, dass durch den besonders schweren Anfall von Mumps, den Allison gehabt hatte, der Hörnerv zerstört worden war.

Eine Zeit lang hatten die Ärzte gegen alle Hoffnung gehofft, dass es eine Wendung zur Besserung geben würde. Aber als sich im Laufe der folgenden Monate nichts änderte, mussten sie eingestehen, dass die Welt für Allison wohl für immer geräuschlos bleiben würde. Es hatte lange gedauert, bis Allison diese unheilvolle Nachricht völlig erfasste. Und es hatte Monate gebraucht, bis sie sich damit abfand und langsam lernte, den Verlust des Gehörs damit auszugleichen, dass sie sich auf ihre anderen Sinne verließ.

Und weil im Moment alles um sie im Dunkeln lag, war ihr, als ob sie jetzt noch einen weiteren ihrer Sinne verloren hätte: das Sehen. Allie würde es nicht ertragen können, sollte die Finsternis, die sie jetzt umschloss, für immer bleiben.

Verzweifelt schrie sie erneut um Hilfe, oder sie glaubte zumindest, dass sie schrie. In dieser totalen Stille, in der sie lebte, hatte sie keine Ahnung, ob jemand sie hörte, der sie aus diesem Gefängnis befreien könnte. Sie wusste ja nicht einmal, ob in dieser Umgebung nach Überlebenden gesucht wurde, ob der schlimmste Sturm vorbei sei oder ob er immer noch tobte.

Ihre Wangen fühlten sich feucht an. Vom Regen? Vom Blut? Oder von den Tränen?

„Beruhige dich“, befahl Allison sich laut. „Hysterie bringt dich nicht weiter.“ Obwohl es ihr sicher eine Erleichterung wäre, sich den Tränen zu überlassen. Doch das war nicht ihr Stil.

Bevor sie das Gehör verloren hatte, hatte sie sich um Begriffe wie innere Stärke überhaupt keine Gedanken gemacht. Mit siebzehn war es ihr vor allem wichtig gewesen, hübsch und beliebt zu sein und Freude am Musikstudium zu haben. Dann, von einem Tag zum anderen, hatte das alles keine Bedeutung mehr für sie gehabt. Schlagartig hatte sie sich mit einem Leben in totaler Stille abfinden müssen. Am größten war die Angst gewesen, dass sie nie wieder ihre Liebe zur Musik mit anderen würde teilen können. Der Gedanke, dass sie nie wieder in den Konzerten des örtlichen Symphonieorchesters spielen dürfte, war ihr unerträglich gewesen. Ihr Violinlehrer hatte ihr ein Probespiel ermöglicht, als sie gerade vierzehn war, und seitdem war sie, wenn auch nicht als ständiges Mitglied des Orchesters, so doch gelegentlich mit ihrer Violine voll dabei gewesen.

Allie hatte sich völlig zurückgezogen. Dabei war sie dem Wesen nach eigentlich lebenslustig und aufgeschlossen. Sie hatte jedoch gemeint, dass es so besser sei. Sie wollte nicht mit Menschen zusammen sein und sich doch völlig abgeschieden von ihnen fühlen. Ihre Eltern waren sehr bedrückt gewesen.

Dann war der Tag gekommen, an dem Allie erkannte, dass sie sich mit diesem Verhalten ihre Zukunft verbaute – und nicht nur das. Im Grunde genommen lebte sie überhaupt nicht. Sie war von klein auf in dem Glauben aufgewachsen, dass sich im Leben niemals eine Tür schloss, ohne dass eine andere geöffnet wurde. Also hatte sie sich auf die Suche nach der anderen Tür gemacht.

Sie hatte nicht nur die Zeichensprache gelernt, sondern das Studium am College mit dem Lehrexamen für Gehörlose abgeschlossen. Heute hatte sie eine erfüllte und eine lohnende Karriere, eine Gelegenheit, anderen den Weg zu ebnen, die das durchlitten, was sie durchlitten hatte. Die gehörgeschädigten Kinder, mit denen sie an einer Spezialklinik arbeitete, gaben ihrem Leben Auftrieb und Freude.

Die innere Stärke, die sie gebraucht hatte, um den Schicksalsschlag als eine Chance anzusehen, würde sie auch durch dieses Unheil bringen. Sie musste nur den Schmerz ignorieren und sich auf das Überleben...