Sklaverei in der Antike

Sklaverei in der Antike

von: Josef Fischer, Kai Brodersen

wbg Academic in der Verlag Herder GmbH, 2021

ISBN: 9783534273225 , 168 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 15,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

Sklaverei in der Antike


 

I. Einführung


1.Antike und moderne Sklaverei


Die Antike scheint uns oft nah und vertraut zu sein. Gleichzeitig sind für uns viele Aspekte des antiken Lebens seltsam und befremdlich. Der Philologe Uvo Hölscher hat daher die Antike mit einem vielzitierten Schlagwort als das uns „nächste Fremde“ bezeichnet. Einer jener Aspekte, die heutigen Menschen seltsam erscheinen, ist die Allgegenwart und allgemeine Akzeptanz der Sklaverei.

Sklaverei und Menschenrechte

Dabei vergisst man freilich leicht, dass unterschiedliche Formen der Unfreiheit bis heute eine wichtige Rolle spielen. Zwar schlossen im Jahr 1926 die Mitgliedsstaaten des Völkerbundes ein Abkommen zur Abschaffung von Sklaverei und Zwangsarbeit. Auch in der im Jahr 1948 von den Vereinten Nationen verkündeten Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sprach man sich erneut gegen die Sklaverei aus, und auch die Europäischen Menschrechtskonvention, die 1950 in Rom unterzeichnet wurde, verbietet Sklaverei, Leibeigenschaft und Zwangsarbeit. Trotz dieser Willensbekundungen und Verbote sind Sklaverei und andere Formen der Unfreiheit aber nicht Geschichte, sondern prägen vielmehr das Leben von Millionen von Menschen.

Moderne Sklaverei

Nach Schätzungen von Menschenrechtsexperten leben mehr als 20 Millionen Menschen weltweit in Sklavenverhältnissen. Der Menschenhandel, dem jährlich mehr als zwei Millionen Menschen zum Opfer fallen, ist ein blühendes Geschäft, das Milliardengewinne abwirft; nach dem Drogen- und dem Waffenhandel stellt er das drittlukrativste kriminelle Geschäft dar. Die Beschäftigung mit der Sklaverei ist daher nicht nur von historischem Interesse, sondern von ungebrochener Aktualität.

Bedeutung der Sklaverei in der Antike

Warum aber, könnte man fragen, ist es wichtig, sich gerade mit der Sklaverei im klassischen Altertum zu befassen? Eine mögliche Antwort könnte lauten, dass es in der langen Geschichte der Sklaverei nur wenige Gesellschaften gab, in der die Sklaverei eine derartig wichtige Rolle spielte und Unfreie einen so großen Anteil an der Gesamtbevölkerung stellten, dass die Sklaverei einen nachhaltigen und entscheidenden Einfluss auf das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben ausübte. Zumindest phasenweise war dies in der klassischen Antike der Fall, weshalb bereits die marxistische Geschichtstheorie, der sog. historische Materialismus, die antike Gesellschaft als Sklavenhaltergesellschaft bezeichnet hat. Der amerikanisch-englische Althistoriker Moses I. Finley unterschied fünf „wirkliche Gesellschaften der Sklaverei“, von denen zwei im Altertum anzusiedeln seien: das klassische Athen und Italien zur Zeit der ausgehenden Republik. Auch wenn die Anwendungen von nur schwammig zu definierenden und schwer festzumachenden Begriffen wie „Sklaven(halter)gesellschaft“ auf die klassische Antike problematisch ist (und es de facto noch weit mehr Gesellschaften mit einer vergleichbaren Bedeutung der Sklaverei gegeben hat), so ist die ökonomische und gesellschaftliche Bedeutung der Sklaverei in der griechischen und römischen Gesellschaft unbestritten.

Unterschiede zur Moderne

So wichtig das Aufzeigen von Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten zwischen antiker und neuzeitlicher Sklaverei und das Herausarbeiten langer Entwicklungslinien, der sog. longue durée (Fernand Braudel), auf alle Fälle ist, so bedeutsam ist auch der Hinweis auf die Unterschiede. Die Antike, die uns vielfach so vertraut erscheint, war in mancherlei Hinsicht grundlegend anders. Dies gilt auch im Hinblick auf die antike Sklaverei; zwei Aspekte, die hier genannt werden könnten, sind etwa die in der Neuzeit unbekannte Vielfalt des antiken Sklavenlebens oder das Fehlen des Faktors „Rasse“ im Sklavereidiskurs des Altertums. Auch war die Sklaverei ein von allen als so selbstverständlich hingenommener Aspekt der Gesellschaftsordnung, dass eine Gesellschaft ohne Sklaverei – auch für die Unfreien selbst – jenseits aller Vorstellungskraft lag. Entsprechend war Abolitionismus, also der Kampf für die Abschaffung der Sklaverei, den Menschen im Altertum, sogar den Sklaven (und auch den antiken Christen), fremd. Das Studium der Geschichte der Unfreiheit in den Kulturen des Altertums stellt somit auf alle Fälle einen wesentlichen Schlüssel zur Verständnis des historischen Phänomens der Sklaverei dar.

2.Was ist Sklaverei?


Schwierigkeit der Definition

Sklaverei ist ein sehr facettenreiches Phänomen, das in den unterschiedlichen Zeiten, Räumen und Sprachen eine ganz unterschiedliche Bedeutung haben konnte. Viele Forscher sprechen daher nicht von der Sklaverei, sondern vielmehr von Sklavereien oder Sklavereisystemen. Eine Definition zu finden, die allen Aspekten gerecht wird, ist schwierig. Keine griffige Begriffsbestimmung kann der Vielfalt des Sklavenlebens vollständig gerecht werden, denn je nach Perspektive und Fragestellung kann man verschiedene Facetten in den Fokus rücken.

Verschiedene Blickwinkel

Wenn dennoch der Versuch unternommen werden soll, das Thema dieses Bandes genauer zu bestimmen, kann die Definition von Sklaverei im Sklavereiabkommen des Völkerbundes aus dem Jahr 1926 einen Ausgangspunkt bilden: „Sklaverei ist der Zustand oder die Stellung einer Person, an der die mit dem Eigentumsrechte verbundenen Befugnisse oder einzelne davon ausgeübt werden.“ Sklaverei kann aber nicht nur als Eigentumsverhältnis gesehen werden, sondern auch als ein Gewaltverhältnis, in dem eine Person einer anderen uneingeschränkt unterworfen ist. Ebenso ist sie als ein wirtschaftliches Ausbeutungsverhältnis zu sehen. Der Soziologe Orlando Patterson hat überdies das Schlagwort von der Sklaverei als „sozialem Tod“ geprägt, während der Anthropologe Claude Meillassoux von Sklaven als „Nichtgeborenen und Toten auf Bewährung“ gesprochen hat. Dies betont, dass Sklaven aus der Gesellschaft, aus der sie kommen, herausgerissen wurden, aus ihrer neuen Gesellschaft aber auch grundlegend ausgeschlossen waren. Zudem wurden sie in der Regel als minderwertig betrachtet. Sklaven wurden entpersönlicht und verdinglicht – sie waren keinen Personen, sondern vielmehr Sachen. Wesentlich ist auch, dass die Sklaverei eine rechtlich und gesellschaftlich akzeptierte Institution darstellte. Dies unterscheidet die antike (und auch die neuzeitliche) Sklaverei von gegenwärtigen Formen von Unfreiheit, da diese stets illegal sind.

Grundlegende Aspekte

Trotz aller Unterschiede, welche zwischen den Sklavereien des Altertums bestanden, gibt es Aspekte, die in (fast) allen Epochen und geographischen Räumen der antiken Welt zutrafen. Antike Sklaven waren das uneingeschränkte Eigentum ihrer Herren. Der Rechtsanspruch war zeitlich unbefristet und ging nach dem Tod des Herrn auf dessen Erben über. Die Herren hatten die völlige Gewalt über die Sklaven. Sie konnten grundsätzlich und uneingeschränkt entscheiden, wie und was die Sklaven arbeiten mussten, und hatten das Recht an allem, was die Sklaven erwarben. Auch wenn die Sklaven selbst Besitz haben konnten (sog. peculium), war dieser Besitz prekär und konnte von den Herren wieder entzogen werden. Bemerkenswert ist, dass antike Sklaven nicht nur niedere Tätigkeiten ausübten, sondern – mit wenigen Einschränkungen (z.B. in der Politik) – in fast allen Berufen anzutreffen waren. Die Herren konnten die Sklaven nach Belieben bestrafen und misshandeln, über lange Zeit hatten sie sogar das Recht, über deren Leben und Tod zu entscheiden (zu Einschränkungen der Herrenrechte kam es – abgesehen von staatlichen Maßnahmen in besonderen Situationen – erst relativ spät). Die Herren konnten über die Sklaven verfügen, d. h., sie verschenken, verkaufen, verpfänden oder vererben. Die Rechte der Herren waren allgemein anerkannt und gesetzlich geschützt. Wer einen Sklaven eines anderen stahl, beschädigte oder tötete, wurde dafür belangt. Sklaven hatten grundsätzlich nicht das Recht, sich ihren Herren zu widersetzen oder zu entziehen. Gesellschaftlich waren Sklaven stets Außenseiter, auch wenn sie es durchaus zu großem Reichtum bringen konnten. Ihr Familienleben war Einschränkungen unterworfen. So konnten sie keine rechtmäßige Ehe eingehen, und ihre Familien waren stets gefährdet, auseinandergerissen zuwerden.Auch in Rechtsfragen waren sie Freien nicht gleichgestellt: Verbrechen von bzw. an Sklaven wurden anders geahndet als Verbrechen von bzw. an Freien. Zur Wahrheitsfindung wurden Sklaven in der Regel peinlich verhört (gefoltert).

Andere Formen der Unfreiheit

Von der Sklaverei zu unterscheiden sind andere Formen der Unfreiheit wie Schuldknechtschaft, Leibeigenschaft, Indentur (Vertragsknechtschaft) oder Zwangsarbeit. Oft sind die Grenzen allerdings fließend und klare Abgrenzungen schwierig. Selbst zwischen Freiheit und Unfreiheit ist vielfach nicht eindeutig zu unterscheiden. So findet sich zur Beurteilung von Phänomenen wie dem Helotentum (siehe Abschnitt III. 3.) oder dem Kolonat (siehe Abschnitt VII. 4.) oft der verwirrende Begriff der „Halbfreiheit“. Dieser ist allerdings problematisch, denn eine Person war rechtlich entweder frei oder unfrei – einen Mittelweg gab es nicht. Wurde ein Sklave jedoch freigelassen, brachte ihm das in vielen antiken Gesellschaften nicht die völlige Unabhängigkeit, oft war er seinem ehemaligen Herrn weiter verpflichtet (sog. paramoné, operae/obsequium)

3.Forschungsgeschichte


In der...