Die stolze Braut des Highlanders

Die stolze Braut des Highlanders

von: Julie Garwood

beHEARTBEAT, 2021

ISBN: 9783751703307 , 352 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 4,99 EUR

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Die stolze Braut des Highlanders


 

1


England, 1102

Angeblich hatte er seine erste Frau getötet.

Papa meinte, vielleicht sei es nötig gewesen. Eine unglückseligere Bemerkung konnte ein Vater in Gegenwart seiner Töchter gar nicht machen, und Baron Jamison erkannte seinen Fehler, sobald er die Worte ausgesprochen hatte. Natürlich bereute er sie sofort.

Drei seiner vier Töchter hatten sich die üblen Klatschgeschichten über Alex Kincaid bereits zu Herzen genommen. Und was der Vater von dieser Ungeheuerlichkeit hielt, beeindruckte sie wenig. Agnes und Alice, die Zwillinge, schluchzten laut, noch dazu im Gleichklang, wie es ihre ärgerliche Gewohnheit war. Und die ansonsten so sanftmütige Mary eilte erregt um den langen Tisch in der großen Halle herum, wo ihr Vater zusammengesunken vor einem Becher Ale saß, in der Hoffnung, das Getränk würde seine Schuldgefühle lindern. Untermalt vom entrüsteten Geheul der Schwestern, wiederholte sie den Tratsch über die Sünden des Hochland-Kriegers, dessen Besuch in einer Woche erwartet wurde.

Damit spornte sie – vielleicht sogar mit Absicht – die Zwillinge zu noch schrillerem Gekreisch an. Und dieser Lärm konnte sogar die Geduld eines Heiligen auf eine harte Probe stellen.

Papa versuchte, den Schotten zu verteidigen. Da er ihn nicht persönlich kannte und nur das Allerschlimmste über die schwarze Seele des Mannes gehört hatte, sah er sich gezwungen, vorteilhafte Charaktereigenschaften zu erfinden. Vergeblich. Aye, er verschwendete nur seine Mühe, denn seine Töchter beharrten auf ihrem Standpunkt. Das sollte mich nicht überraschen, dachte er und rülpste. Seine Engel nahmen niemals ernst, was er sagte.

Wenn sie sich so aufregten, schaffte er es einfach nicht, sie zu beruhigen. Bis jetzt hatte ihn das nicht sonderlich gestört. Doch nun erschien es ihm sehr wichtig, die Oberhand zu gewinnen. Er wollte nicht wie ein Narr vor seinen ungeladenen Gästen dastehen, mochten sie nun Schotten sein oder nicht. Und man würde ihn gewiss als Narren bezeichnen, wenn die Mädchen seine Anweisungen auch weiterhin missachteten.

Nach seinem dritten Schluck Ale beschloss er, andere Saiten aufzuziehen, und schlug mit der Faust auf den Tisch, um die allgemeine Aufmerksamkeit zu erringen. Und dann verkündete er, das ganze Gerede über die Mordtat des Schotten sei purer Unsinn. Als diese Behauptung auf taube Ohren stieß, wuchs sein Zorn. Also gut, wenn die Gerüchte zutrafen, hatte es Kincaids Frau vielleicht verdient, umgebracht zu werden. Vielleicht hatte er sie anfangs nur verprügeln wollen, und dann war die Situation außer Kontrolle geraten. Diese Erklärung fand der Baron einleuchtend. Seine Ausführungen sicherten ihm endlich das Interesse der Mädchen, aber ihre ungläubigen Mienen enttäuschten seine Hoffnungen. Entsetzt starrten ihn seine geliebten Engel an, als sähen sie eine riesige Rotzglocke aus seiner Nase hängen. Und plötzlich merkte er, dass sie an seinem Verstand zweifelten. Da riss ihm endgültig die Geduld, und er brüllte, die arme Frau habe ihren Herrn vermutlich zu oft herausgefordert, und seine respektlosen Töchter sollten sich gefälligst in Acht nehmen, wenn sie mal verheiratet sein würden.

Er hatte ihnen nur Ehrfurcht vor dem Allmächtigen, ihrem Vater und den künftigen Ehemännern einflößen wollen, musste aber erkennen, dass er kläglich versagt hatte. Die Zwillinge begannen wieder zu schreien, und davon bekam er grässliche Kopfschmerzen. Um sich vor dem gellenden Gekreisch zu schützen, hielt er seine Ohren zu. Dann schloss er die Augen, um Marys durchdringendem Blick zu entrinnen. Immer tiefer sank er in seinem Stuhl hinab, bis seine knorrigen Knie den Boden berührten. Er senkte den Kopf, und aller Mut verließ ihn. Verzweifelt wandte er sich zu seinem treuen Diener Herman und befahl ihm, seine jüngste Tochter zu holen.

Der Auftrag schien den grauhaarigen Mann maßlos zu erleichtern. Er nickte mehrmals, ehe er aus der Halle schlurfte. Der Baron hätte schwören können, er habe den Diener murmeln hören, es sei höchste Zeit für diesen Entschluss.

Knapp zehn Minuten verstrichen, ehe das Kind, das nach Baron Jamison benannt worden war, am Schauplatz des Durcheinanders erschien. Vernichtend starrte er Herman an, um ihn wissen zu lassen, er habe die geflüsterte Kritik wohl vernommen, dann wandte er sich aufatmend seiner jüngsten Tochter zu. Nun würde Jamie das Heft in die Hand nehmen.

Jetzt lächelte er sogar, und er gestand sich ein, dass es unmöglich war, angesichts seiner Jamie mürrisch dreinzuschauen. Bei ihrem erfreulichen, bezaubernden Anblick konnte ein Mann alle seine Sorgen vergessen. Jamie hatte die Schönheit ihrer Mutter geerbt, das rabenschwarze Haar, die violetten Augen, die ihren Papa stets an den Frühling erinnerten. Und ihre Haut war so makellos und rein wie ihr Herz.

Der Baron behauptete zwar, alle seine Töchter gleichermaßen zu lieben, aber insgeheim bevorzugte er Jamie, seinen ganzen Stolz. Das fand er selbst erstaunlich, da sie nicht sein eigen Fleisch und Blut war. Ihre Mutter, seine zweite Frau, hatte ihn in hochschwangerem Zustand geheiratet. Jamies Vater war einen knappen Monat nach der Hochzeitsnacht auf dem Schlachtfeld gefallen. Baron Jamison hatte das Kind als sein eigenes angenommen und allen Leuten verboten, es seine Stieftochter zu nennen. Seit er die Kleine zum ersten Mal im Arm gehalten hatte, betrachtete er sich als ihr Vater.

Auch die Zwillinge und Mary waren hübsch, aber auf eher zurückhaltende Art. Ein Mann nahm ihre Schönheit erst wahr, wenn er ihnen öfter begegnete. Aber Jamie brauchte man nur ein einziges Mal anzusehen, und schon verschlug es einem die Sprache. Ihr Lächeln hatte einmal einen Ritter vom Pferd geworfen. Zumindest pflegte ihr Papa diese übertriebene Geschichte seinen Freunden zu erzählen.

Trotzdem gab es keine Eifersüchteleien zwischen den Mädchen. Instinktiv wandten sich Agnes, Alice und Mary an die kleine Schwester, um sich in dringenden Angelegenheiten beraten zu lassen. Und sie vertrauten genauso auf Jamies Klugheit wie der Papa. Seit dem Begräbnis ihrer Mutter galt sie als Hausherrin. Schon in früher Jugend hatte sie ihre Fähigkeiten beweisen müssen. Und der Baron, der zwar gern Befehle erteilte, aber nicht die Gabe besaß, seine Wünsche in allen Situationen durchzusetzen, übertrug ihr bereitwillig die Verantwortung.

Niemals enttäuschte sie ihn. Sie war ein vernünftiges Mädchen, das ihm niemals Kummer bereitete. Seit dem Tod ihrer Mama hatte sie kein einziges Mal geweint. Alice und Agnes würde es gut anstehen, sich die Disziplin ihrer jüngeren Schwester anzueignen, dachte der Baron oftmals. Wegen jeder Kleinigkeit brachen sie in Tränen aus. Nach seiner Meinung bewahrte sie allein ihr Aussehen vor einem völlig wertlosen Dasein. Aber er bemitleidete schon jetzt die Herren, die seine gefühlsseligen Töchter eines Tages am Hals haben würden.

Um seine Mary sorgte er sich am meisten. Er warf es ihr niemals vor, wusste jedoch, dass sie viel selbstsüchtiger war, als es sich für ein Mädchen schickte. Stets stellte sie ihre eigenen Bedürfnisse über die ihrer Schwestern – schlimmer noch, sogar über die ihres Papas.

Aye, Mary war ein Ärgernis, nicht zuletzt, weil sie immer wieder aus reiner Bosheit Unruhe stiftete. Der Baron hegte den Verdacht, dass Mary in ihren undamenhaften Ideen von Jamie bestärkt wurde. Doch das wagte er nicht auszusprechen, aus Angst, sein Argwohn wäre unbegründet und er würde bei seiner jüngsten Tochter in Ungnade fallen.

Obwohl Jamie sein Liebling war, erkannte er ihre Fehler. Ihr Temperament, das allerdings nur selten mit ihr durchging, konnte einen Waldbrand entfachen. Außerdem neigte sie zum Eigensinn. Von ihrer Mutter hatte sie eine besondere Begabung für die Heilkunst geerbt und nutzte sie bei jeder Gelegenheit, trotz seines ausdrücklichen Verbots. Es gefiel ihm ganz und gar nicht, dass die Leibeigenen und Hausdiener ihre ärztlichen Kenntnisse ständig beanspruchten und sie von ihrer wichtigsten Pflicht ablenkten – nämlich für die Bequemlichkeit ihres Vaters zu sorgen. Oft wurde sie mitten in der Nacht aus dem Bett geholt, weil sie eine Stichwunde flicken oder neues Leben ans Licht der Welt befördern musste. Diese nächtlichen Störungen ärgerten den Baron weniger, weil er um diese Zeit schlief und deshalb nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde. Umso unangenehmer fand er die Belästigungen, die tagsüber stattfanden – besonders wenn er auf sein Essen warten musste, weil Jamie gerade einen Kranken oder Verletzten betreute.

Bei diesem Gedanken seufzte er auf, jetzt voller Bedauern. Dann merkte er, dass das Geschrei der Zwillinge verstummt war. Offenbar hatte Jamie die Wogen bereits geglättet. Baron Jamison bedeutete seinem Diener, den Kelch nachzufüllen, dann lehnte er sich zurück und beobachtete das Wunder, das seine jüngste Tochter bewirkte.

Sobald sie den Raum betreten hatte, waren Agnes, Alice und Mary auf sie zugelaufen. Jede versuchte, eine andere Version von der Geschichte zu erzählen. Sie verstand überhaupt nichts. »Kommt, setzen wir uns zu Papa an den Tisch«, schlug sie mit ihrer etwas rauen Stimme vor. »Dann werden wir das Problem...