Tod im Buckingham Palast - Ihre Majestät ermittelt

Tod im Buckingham Palast - Ihre Majestät ermittelt

von: C. C. Benison

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2021

ISBN: 9783751703666 , 333 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 4,99 EUR

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Tod im Buckingham Palast - Ihre Majestät ermittelt


 

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Ein geschäftiger Montag ging vorüber. Ich sah Robin nicht im Palast. Am nächsten Morgen, dem Dienstag, war ich dabei, den Weißen Salon abzustauben und zu polieren, der zufällig praktisch schräg gegenüber den Privatgemächern Ihrer Majestät im ersten Stock des Buckingham Palasts liegt. Es war nach neun, und gerade als ich beinahe fertig war, hörte ich die Melodie des Dudelsacks, die jeden Morgen draußen auf der Terrasse unter dem privaten Speisezimmer der Königin erklingt.

Die Arbeit eines Hausmädchens ist eintönig, und so begannen meine Gedanken ein wenig umherzuwandern, als ich einen Staubwedel über einen goldgeränderten Rolltop-Schreibtisch aus dem achtzehnten Jahrhundert schnellen ließ, so ein exquisites Möbelstück, das mich an einem besseren Tag vielleicht erfreut hätte.

Ich machte mir Sorgen wegen Robin. Wie ich bereits sagte, war er die meiste Zeit sehr bezaubernd, der Typ, der tatsächlich Schauspieler sein sollte. Aber Davey hatte in einem Punkt recht: Robin war ein bisschen manisch. Da waren die Hochphasen. Einige habe ich schon erwähnt. Und dann waren da die Tiefs. Seit ich ihn kannte, hatte es eine oder zwei Gelegenheiten gegeben, bei denen seine Energie geradezu zu verpuffen schien. Er beteiligte sich dann kaum an einer Unterhaltung und starrte mit einer Art dumpfem Schmerz auf den hübschen Gesichtszügen an einem vorbei. Jedes Mal, wenn das passierte, dachte ich, ich hätte ihn verletzt, und wenn ich ihn darauf ansprach, nachdem er mich tagelang ignoriert hatte, erzählte er mir, er leide gelegentlich unter Depressionen. Das liege bei ihm in der Familie, sagte er. Er sei stets in der Lage, sich da wieder herauszuholen. Und das hatte er auch immer geschafft. Bisher.

Nur, dass er aus der Depression, die er von Balmoral mitgebracht hatte, nicht wieder auftauchen wollte. Und dann verwirrte er uns alle, indem er sich ausgerechnet mit Angie Cheatle verlobte.

Ich gehe davon aus, dass Angie in Zeitschriften und Magazinen gut ankommen würde. Vor allem in Männermagazinen. Sie ist blond und an allen richtigen Stellen gut gepolstert, und sie hat riesengroße Augen und einen Schmollmund und all das. Wenn sie die weißen Uniformen, die wir alle tragen, ausgezogen und die züchtigen Zöpfe und Haarknoten gelöst hat, die Mrs Harbottle von uns verlangt, sieht sie ziemlich umwerfend aus. Sie verbringt viel Zeit damit, die Elle und die Marie Claire zu studieren, und wenn sie spricht, dann meistens darüber, was berühmte und adlige Leute gerade so machen. Von der Princess of Wales kann sie gar nicht genug bekommen.

War ich etwa neidisch? Ich nehme an, wenn ich meine Gefühle genau analysiert hätte, wäre mir aufgegangen, dass ich ein wenig in Robin verliebt war. Ein wenig, sage ich. Aber ich bin klug genug zu erkennen, wenn etwas hoffnungslos ist. Das »Projekt« Robin & ich war hoffnungslos, es sei denn als gute Freunde. Aber Robin & Angie auf all diese Hochzeitsservietten gedruckt? Das konnte ich mir einfach nicht vorstellen. Nein, ich war nicht eifersüchtig, denn ich glaubte es immer noch nicht. Und das lag nicht am Problem der sexuellen Orientierung. Das lag daran, dass Angie Cheatle als Mensch einfach nicht Robins Typ war.

Sie war nicht sehr amüsant, soweit ich es beurteilen konnte, sie war nur dekorativ. Ich war die, die mit Robin London erkunden ging. Ich war es, mit der er einige Male großen Spaß gehabt hatte. Ihn um sich zu haben war toll. Er wusste viele interessante Dinge. Und ich auch. Vielleicht ist die kanadische Schulbildung besser. Angie kam mir schrecklich beschränkt vor. Alles, was sie wusste, ihr gesamtes Weltbild, schien aus Frauenzeitschriften zu stammen.

Andererseits hatte sie etwas Berechnendes an sich. Die Hälfte der Zeit hörte sie anscheinend nicht richtig zu. Stattdessen schien sie einen zu taxieren, als versuchte sie, einen in eine bestimmte Schublade einzuordnen. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich kam schon mit ihr aus. Ich denke nur, dass die Tatsache, dass ich Kanadierin war, sie verwirrte, weil ich nicht den verräterischen Akzent und die anderen kleinen Eigenschaften hatte, die es den Engländern möglich machten, sich gegenseitig in bestimmte Schubladen einzuordnen.

Ich grübelte über all dies nach und starrte dabei aus dem Fenster, auf dem Spritzer des ungleichmäßigen Novemberregens hafteten, hinaus auf den künstlichen See im Garten, als ich draußen auf dem Korridor einen weichen »Bumms« hörte, gefolgt von aufgeregtem Hundegekläff. Ich spitzte sofort die Ohren. Im Vergleich zu dem Krach, wenn ein mit Geschirr beladenes Tablett zu Boden fiel, war dies, der Bumms, ein ungewöhnliches Geräusch. Und dann erklang unmittelbar danach, über den Lärm der Hunde hinweg, diese sehr vertraute Stimme – die eine aus all den Weihnachtssendungen der CBC, derentwegen meine loyale monarchistische Oma darauf bestand, dass wir alljährlich das Dinner in Charlottetown abhalten. Diese sehr vertraute Stimme gab in sehr verärgertem Ton drei Worte von sich, von denen ich angenommen hatte, ich würde sie nie von ihr hören:

»Verdammt noch mal!«

Ohne nachzudenken, lief ich in die Gemäldegalerie, durch das Vorzimmer und in den Korridor. So schnell ich konnte, eilte ich an den Privatgemächern vorbei und fand die Königin über die ausgestreckte Gestalt eines Mannes in Frack und Hose drapiert, der mit dem Gesicht nach unten auf dem Teppich lag. Gleichzeitig erschien an der Tür des privaten Speisezimmers Humphrey Cranston, der Page of the Backstairs (eine Art persönlicher Lakai Ihrer Majestät), ein Besenstiel von einem Mann mit einem Gesicht, das ständig so lang war wie ein verregnetes Wochenende. Dies eine Mal war Humphreys Gesichtsausdruck ein anderer. Der unglückliche Mann sah regelrecht entsetzt aus.

Wir müssen beide so perplex gewesen sein, dass wir einfach nur dastanden, und zwar ein paar Sekunden länger, als es sich ziemte. Doch der Anblick Ihrer Majestät, von Gottes Gnaden Königin des Vereinigten Königreiches Großbritannien und Nordirland und ihrer anderen Königreiche und Territorien, Oberhaupt des Commonwealth und so weiter und so fort, war zweifellos frappierend.

Sie lag mit dem Kopf in meine Richtung, und ich konnte sehen, dass sie diesen harten, sehr strengen Blick hatte – Sie wissen schon, den berühmten, den sie benutzt, um ihrer äußersten Missbilligung Ausdruck zu verleihen. Sie musste eine Zeitung dabeigehabt haben, die ein Stück entfernt zu Boden gefallen war und die ich nun hastig aufhob. Aber ich zögerte, Ihrer Majestät zu Hilfe zu kommen, einerseits, weil sie mir gerade ein wenig Angst einjagte, und andererseits, weil das Protokoll es strengstens verbot, die Königin zu berühren.

»Na, geben Sie mir schon eine Hand, Mädchen«, sagte sie in ärgerlichem Ton, als sie meine Anwesenheit bemerkte.

»Ja, Euer Majestät«, erwiderte ich und hätte beinahe einen Knicks gemacht.

Ich hielt der Königin meine freie Hand hin – ihre fühlte sich recht winzig und sehr trocken an –, und sie erhob sich langsam und mit mehr Würde vom Teppich, als ich jemals aufbrächte.

Die andere Person auf dem Boden war schlagartig vergessen, denn da stand ich also, von Angesicht zu Angesicht mit der Königin von England.

Ich kann Ihnen gar nicht sagen, was das für ein seltsames Gefühl ist. Ich erinnere mich an einen Traum, den ich einmal als kleines Mädchen hatte. In dem Traum kommt die Königin zum Tee, weshalb meine Mutter und meine zwei Schwestern einen Heidenwirbel veranstalten, um alles fertig zu bekommen. Sie schrubben aufgeregt das ganze Haus und machen sich ganz besonders hübsch. Da ist dieses ungeheure Gefühl der Erwartung, seltsamerweise fast so, als stünde uns ein Unheil bevor. Einzig ich bin davon aus irgendeinem Grund frei. Ich sitze in einem Hochstuhl an der Tür, einer Tür in holländischem Stil, deren untere Hälfte geschlossen ist und deren oberer Teil offen steht. Draußen vor dem Haus wird das Lärmen der Menschenmenge, der Pferde und der Musikzüge immer lauter, als näherte sich Ihre Majestät in einer Kutsche mit großem Gefolge unserem Haus.

Obgleich ihre Ankunft unmittelbar bevorsteht, bleiben meine Mutter und meine Schwestern in der Küche und legen letzte Hand an die Kuchen, Brote und den Teetisch, der unter den Speisen ächzt, die die Königin nicht anrühren wird, wie ich irgendwie weiß. Auf einmal hört der Lärm auf, und jemand schaut zur Tür herein. Es ist die Königin. Ihr Kopf ist von Licht umgeben. Sie sieht sich im Raum um, schaut mich einen Augenblick lang an, lächelt kurz und verschwindet dann wieder. Der Lärm setzt von Neuem ein, und das merkwürdige Gefühl nahenden Unheils löst sich auf. Das ist das Ende.

Das Seltsame ist, dass ich mich an diesen Traum noch erinnere. Und am deutlichsten an das Gesicht der Königin, weil mein Blickwinkel der eines so nah herangehaltenen Babys ist, dass sich ihm in kleinen Dingen große Welten eröffnen. Es sind die feinen Partikel des Puders, die mich faszinieren. Sie sammeln sich in den Falten, die strahlenförmig von ihren Augen ausgehen, und haften an den winzigen weichen Härchen, die sich von den fedrigen Augenbrauen an den Rändern ihrer Wangen hinunter bis zu ihrem Hals ziehen, an dem drei Stränge dicker schillernder Perlen die gepuderte Milchigkeit ihrer Haut imitieren. Da sind natürlich die bekannte tropfenförmige Nase, die strahlend blauen Augen, die hannoversche Haarfrisur (nun ergraut). Aber es waren in diesem Moment ebendiese weichen pudrigen Wangen, die mich beschäftigten, nur waren sie jetzt vor Anstrengung gerötet, als ich da mit offenem Mund vor ihr stand. Wir waren gleich...