Der Energiekompass - Warum uns allen die Kraft ausgeht - und was wir dagegen tun können. Mit dem Recharge-Programm für ein gutes Leben

Der Energiekompass - Warum uns allen die Kraft ausgeht - und was wir dagegen tun können. Mit dem Recharge-Programm für ein gutes Leben

von: Dr. Matthias Marquardt

Lübbe Life, 2021

ISBN: 9783751704236 , 319 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

Der Energiekompass - Warum uns allen die Kraft ausgeht - und was wir dagegen tun können. Mit dem Recharge-Programm für ein gutes Leben


 

I
Ausgepowert
oder: Geht uns allen
die Puste aus?


Fühlen Sie sich auch oft völlig matt, schlapp, groggy, wie erschlagen oder chronisch müde? Dann sind Sie in bester Gesellschaft. Oder sollte ich lieber sagen: in schlechter Gesellschaft? Erschöpfung ist jedenfalls alles andere als ein gutes Gefühl und hat zudem die unangenehme Eigenschaft, nach und nach sämtliche Lebensbereiche zu überschatten. Nichts macht mehr so richtig Spaß, weil einfach die Energie dafür fehlt. Am liebsten nur noch auf die Couch, Füße hoch, Fernseher an- und Kopf ausschalten. Aber besser wird’s dadurch trotzdem nicht …

Seit ich meine eigene Praxis für Check-up- und Sportmedizin gegründet habe, kommen tagtäglich Menschen zu mir, die sich »wie gerädert« fühlen. Nicht nur gestresste Führungskräfte klagen über zunehmende Kraftlosigkeit, sondern auch Angestellte, Kleinunternehmer, Mütter in Elternzeit, Lehrer: »Ganz egal, wie lange ich geschlafen habe, ich fühl mich schon morgens ausgelaugt.« – »Nach der Arbeit habe ich keine Energie für nix mehr.« – »Ich bin immer ein total aktiver Mensch gewesen, aber jetzt ist mir eigentlich alles zu viel.« Solche Sätze höre ich oft. Wer deshalb den Weg in mein Behandlungszimmer findet, will, dass ich ihn/sie körperlich durchchecke, um die Ursache der Erschöpfung herauszufinden und gegebenenfalls ein passendes Arzneimittel zu verschreiben.

Tatsächlich darf ich als Arzt niemals körperliche Ursachen ausschließen. Immerhin könnte eine Herz- oder Schilddrüsenerkrankung für die beklagten Symptome verantwortlich sein, ebenso wie ein Eisen- oder Vitamin-B12-Mangel. Der medizinische Check-up sowie ein Blick auf die Mikronährstoffe und Vitamine sind in solchen Fällen also zwingend erforderlich. Doch selten liefern die internistische und die orthomolekulare Medizin allein eine Erklärung für das lähmende Gefühl der Erschöpfung. Und selbst eine körperliche Ursache hat häufig einen tieferen Grund. Immerhin gehören psychosomatische Erscheinungen zu unserem Menschsein dazu. Ganz typisch sind der schmerzende Kopf, der verspannte Nacken, der drückende Magen und Schwindelgefühle, wenn beispielsweise psychosoziale Belastungen zu groß werden. Genauso gibt es natürlich auch positive Anlässe für psychosomatische Erscheinungen wie das herrliche Herzklopfen, Bauchkribbeln und Erröten kurz vor dem sehnsüchtig erwarteten Rendezvous.

Schon als Medizinstudent hat mich die Frage interessiert: Was macht ein gutes Leben aus? Und wie gelingt es, ein gutes und somit glückliches Leben zu führen? Denn als Arzt behandle und begleite ich ja Menschen, die natürlicherweise genau danach streben. Wenn heute also jemand zu mir zum Check-up kommt, weil er sich unwohl fühlt, und ich stelle fest, dass Gewicht und Blutdruck zu hoch sind, dann geht es dem Patienten allein darum: Wie ändere ich das, um in Zukunft möglichst gesund und glücklich leben zu können? Dafür muss ich jedoch wissen: Welche Faktoren haben denn zu Gewichtszunahme und Bluthochdruck geführt? Meist ist Übergewicht ein Resultat von Stress, Schlafmangel, Ängsten, Sorgen und einer dadurch gestörten Balance. Welche inneren und äußeren Einflüsse belasten diesen Menschen also und haben sein Leben aus dem Gleichgewicht gebracht? Nicht anders ist es bei einem Patienten, den ein dumpfer Erschöpfungszustand plagt. Dieser Mensch führt ganz sicher kein gutes Leben mehr und will daran etwas ändern. Also gilt es wieder herauszufinden, welche Faktoren dafür verantwortlich sind. Meine Motivation als Arzt ist es, dem Patienten auf seinem Weg zurück in ein ebenso kraft- wie freudvolles Leben zur Seite zu stehen.

Wie kommt es, dass Menschen in diese Falle völliger Kraftlosigkeit geraten? Und warum häufig jene, die bislang alles in ihrem Leben gewuppt haben? Die Antwort lautet: weil sie es gewohnt sind, erfolgreich zu sein, und jedes Kürzertreten um der eigenen Kräfte willen als Niederlage betrachten.

Zum Beispiel jene Physiotherapeutin, die zu mir in die Sprechstunde kam und sagte, ich solle sie unbedingt untersuchen. »Ich bin total erschöpft. Und ich nehme immer weiter zu, obwohl ich schon zig Diäten ausprobiert habe. Inzwischen bin ich vollkommen demotiviert und verunsichert. Ob mit meinem Stoffwechsel etwas nicht stimmt?«

Der Check-up zeigte, was ich vermutet hatte: erhöhtes Gewicht, erhöhter Körperfettanteil, geringe Ausdauer, miese Mikronährstoffwerte und ein mauer Fettstoffwechsel, der für die Gewichtszunahme verantwortlich war. So etwas fällt nicht vom Himmel, sondern ist meist auf konkrete Lebensumstände zurückzuführen. Natürlich konnte ich mit Mikronährstoffinfusionen die Müdigkeit etwas lindern, aber die eigentliche Ursache musste woanders liegen. Daher erkundigte ich mich nach ihrem Privat- und Berufsleben. Da war der Ehemann, der sehr gut verdiente, aber selten zu Hause war. Und da war sie selbst, die sich um die beiden noch kleinen Kinder fast allein kümmerte und daneben noch ihre eigene Praxis aufbauen wollte. »Wofür habe ich denn sonst meine Ausbildung gemacht?«, sagte sie und war den Tränen nah.

Diese Frau war sichtlich an ihrer Belastbarkeitsgrenze angelangt. Das Bankkonto gut gefüllt, aber Stress ohne Ende. Alle Kraftreserven waren aufgebraucht. Wie sollte da eine konsequente, gute Ernährung gelingen, fragte ich mich. Wie konnte ich sie zum Joggen motivieren? Dadurch würde ihr Stresspegel ja nur noch mehr steigen. Und Stress macht krank, wie wir noch sehen werden. Also haben wir sehr offen die verschiedenen Optionen besprochen – Praxis an den Nagel hängen? Haushälterin und Kindermädchen einstellen? Den Ehemann integrieren und auf etwas Gehalt (das sie eh nicht ausgeben konnten!) verzichten? Wobei sich später herausstellen sollte, dass sie in dieser schlauchenden Rushhour-of-life-Situation die Hilfe eines professionellen Coachings brauchte, um wirklich weiterzukommen. Erste Ernährungs- und Trainingstipps konnten jedoch schon nach unserem ersten Gespräch dazu beitragen, ihr Kraftreservoir nach und nach wieder aufzufüllen.

Auch am eigenen Leib habe ich erfahren, was es bedeutet, am Ende seiner Kräfte zu sein, »fertig mit Jack und Büx«, wie der Hamburger sagt, regelrecht ausgeknockt. Beim ersten Knock-out war ich mitten im Studium … Rückblickend ist der Faktorenmix, der dazu geführt hat, nicht zu übersehen. Schon als Kind neigte ich dazu, mich voll und ganz auf eine Sache zu fixieren. Nach Aussage meiner Mutter war es erst die Sandkiste, in der ich mich statt als »Förmchenspieler« als Kanalbauer versuchte, während ich meine beiden Brüder geschickt von meinem Territorium fernhielt, später dann meine Eisenbahn im Keller. Sie glauben ja gar nicht, wie oft man die planen und wieder umbauen kann. War die eine Idee realisiert, musste gleich die nächste her. »Die große freudige Entspannung«, so meine Mutter, »blieb aus.«

Jahre danach löste der Sport die Eisenbahn ab. Erst probierte ich mich als Skateboarder, weil Skaten bei uns im Dorf gerade angesagt war. Als meine Knie rebellierten und irgendein schräger Sportarzt meinte, ich hätte Arthrose (»Du hast Knie wie ein Siebzigjähriger«), verließ ich heulend die Praxis, befolgte aber seinen Tipp, aufs Rad umzusatteln. Die Diagnose Arthrose war natürlich völliger Blödsinn gewesen; und so entdeckte ich dank eines kompetenten Arztes mit 16 Jahren den Triathlon-Leistungssport für mich. Das war erstens relativ spät und zweitens vielleicht nicht die allerbeste Wahl, denn Triathlon ist ein orthopädisch ziemlich belastender Sport. Prompt entwickelte ich nervige Probleme an den Sehnen, die mir das Training verleideten. Aber da war ich schon infiziert und mal wieder »on the case«.

Wie ein Nerd habe ich mich daran abgearbeitet, diese Sehnenprobleme in den Griff zu bekommen und meine Belastbarkeit zu steigern. Mich interessierte die Lösung, also musste ich die Zusammenhänge verstehen. Ärzte, die ich aufsuchte, konnten mir das nicht richtig erklären. Trotz aller Ehrfurcht vor den Weißkitteln hatte ich den Eindruck, dass sie selbst nicht wussten, was hier zu tun war. Daraufhin vertiefte ich mich in Anatomiebücher, um herauszubekommen, was genau da an der Wade wehtat. Und ich wollte herausbekommen, wie sich die unterschiedlichen Lauftechniken auf den Bewegungsapparat auswirkten. Ich setzte mich mit orthopädischen Einlagen auseinander, mit speziellen Schuhen und Bewegungsanalyse, verbiss mich regelrecht in das Thema; denn ich wollte laufen, obwohl immer wieder eine Sehne oder ein Gelenk wehtat. Und dass dagegen auf Dauer kein Schmerzmittel hilft, habe ich schon als 18-Jähriger kapiert. Meine These lautete: Du musst deine Belastbarkeit steigern, damit du die Belastung aushältst.

Ich habe angefangen, barfuß zu laufen, um die Fußmuskeln zu trainieren, bin im Winter im Fluss baden gegangen, um mich abzuhärten und dadurch mein Immunsystem zu stärken. Da müssen Sie spontan an Kneipp-Kuren denken? Tatsächlich hat mich der gute alte Pfarrer Kneipp mit seinen Therapieansätzen sehr geprägt. Ich habe mich sogar durch die Sütterlin-Schrift der alten Ausgaben seiner Bücher geackert. Kneipp rocks! Und weil ich irgendwo mal gelesen hatte, dass Rheumatiker ihre schmerzenden Gelenke in Ameisenhaufen halten, griff ich – da ich gerade keinen Ameisenhaufen zur Hand hatte – auf Brennnesseln zurück: Mit den Schmiedehandschuhen aus der väterlichen Werkstatt bewaffnet ging ich ans Flussufer vor unserem Haus, rupfte Brennnesseln ab und rubbelte damit, so fest ich konnte, meine Sehnen und Gelenke. Tut sauweh. Geholfen hat es auch nicht, aber so eine Aktion macht etwas mit dem Kopf – alles eine Frage der Willenskraft –, und es zeigt einmal mehr, wie verbissen ich damals war. Deshalb hat es mich auch nicht gestört, dass mich...