MS Kristiana - Sommerliebe am Fjord - Roman

MS Kristiana - Sommerliebe am Fjord - Roman

von: Greta Jänicke

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2021

ISBN: 9783732594894 , 319 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Mac OSX,Windows PC für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 9,99 EUR

eBook anfordern eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

MS Kristiana - Sommerliebe am Fjord - Roman


 

Kapitel 1


Eine Lichtinstallation tauchte den Hamburger Hafen an diesem Abend in eine türkisblau schimmernde Symphonie. Eine symbolische Verbindung zum Meer, untermalt vom Wellenrauschen aus verborgenen Lautsprechern.

Inzwischen drängten sich mehr als hundert geladene Gäste auf der Landungsbrücke. Applaus brandete auf, als Fiona Steidl eintraf.

Clemens Tychsen hatte die bekannte Moderatorin für diesen Abend engagiert. Sie sollte durch das Programm führen und als Höhepunkt die Schiffstaufe der MS Kristiana vornehmen.

Eva stand ein wenig abseits und beobachtete das Treiben mit zwiespältigen Gefühlen. Sie war sich nicht sicher, ob sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Ihre Nervosität hatte aber noch einen anderen Grund. Heute würde sie Adrian wiedersehen, und sie hatte keine Ahnung, wie das Treffen verlaufen würde.

Dabei hatte sie sich sorgfältig vorbereitet. Sie hatte ihre blonden Haare zu einem kinnlangen Bob schneiden lassen. Und sie hatte lange nach einem Abendkleid gesucht, das zu ihrem hellen, nordischen Typ passte und die Farbe ihrer Augen unterstrich. Ein dunkles Blau in changierender Seide. Ein ähnliches Kleid hatte sie auf dem Ball getragen, auf dem sie Adrian das erste Mal begegnet war.

In diesem Moment legte Clemens Tychsen einen Arm um ihre Schultern, um vor den Gästen und der Presse eine Nähe zu demonstrieren, die es nie zwischen ihnen gegeben hatte. In den vergangenen vier Jahren hatte sich die Distanz sogar noch verstärkt, obwohl Eva mit ihrer Tochter inzwischen in die Villa ihres Vaters nach Blankenese gezogen war.

»Ist sie nicht wunderschön?«, fragte er jetzt begeistert.

»Fiona Steidl?« Eva ließ ihren Blick kritisch über die stark geschminkte Moderatorin in dem goldfarbenen Abendkleid gleiten. Sie hegte den Verdacht, dass ihr Vater dem wachsenden Erfolg Fiona Steidls mit seinen Kontakten kräftig nachgeholfen hatte. Eva war, nicht nur wegen der Berichte in der Boulevardpresse, überzeugt, dass er eine Beziehung mit der vierzig Jahre jüngeren Moderatorin hatte.

Er lachte. »Nein, ich meine natürlich die MS Kristiana

»Ja«, erwiderte Eva gleichgültig. Eine andere Sache interessierte sie weitaus mehr: »Weiß Adrian inzwischen, dass ich die Bordärztin bin?«

»Nein!«, war alles, was Clemens dazu sagte, bevor er den Arm von ihren Schultern nahm und jemandem winkte. »Schau, da ist er.«

Evas Herz machte einen Satz. Adrian sah fantastisch aus in der weißen Uniform. Die vier goldenen Streifen neben dem Stern auf der Schulterklappe wiesen ihn als Kapitän eines Schiffes aus. MS Kristiana stand auf der Brusttasche, und direkt darunter sein Name. Adrian Fredriksen. Seit vier Jahren hatte Eva ihn nicht mehr gesehen, die einzige Verbindung zwischen ihnen war ihre gemeinsame sechzehnjährige Tochter Fenja. Er sah genauso aus, wie sie ihn in Erinnerung hatte, auch wenn sein immer noch dunkles Haar von wenigen grauen Strähnen durchsetzt war, ebenso wie der sorgfältig gestutzte Bart.

Adrian schritt mit unbewegter Miene heran. »Eva.« Er nickte knapp zum Gruß. »Du siehst gut aus.«

»Danke, du auch.« Mehr brachte Eva nicht hervor. Schon gar nicht in Gegenwart ihres Vaters.

»Wie gefällt dir dein neues Schiff?« Mit einer ausladenden Armbewegung wies Clemens auf die Kristiana. »Mit moderner Technologie ausgestattet, halten wir die strengsten Umweltstandards der International Maritime Organization ein.«

Adrian zog die Augenbrauen leicht in die Höhe. »Wir wissen beide, dass ich nur aus einem Grund angeheuert habe.«

Clemens klopfte ihm väterlich auf die Schulter. »Du wirst mir eines Tages dankbar sein«, prophezeite er jovial. »Und jetzt entschuldigt mich bitte, ich muss noch andere Gäste begrüßen. Ich bin sicher, ihr habt euch eine Menge zu erzählen.«

Eva wartete, bis ihr Vater außer Hörweite war. »Und? Hast du mir eine Menge zu erzählen?«, fragte sie herausfordernd, um den Wust an Gefühlen zu überspielen, der bei seinem Anblick in ihr tobte.

Er wich ihrem Blick nicht aus. »Nein.« Es klang grob und unerbittlich.

Hatte sie wirklich mit einer anderen Antwort gerechnet? Ihre Auseinandersetzung war hart und unerfreulich gewesen, bevor er sie schließlich verließ.

»Aber ich habe eine Mitteilung für dich.« Obwohl alles in ihr nach seiner Liebe schrie, brachte sie ein kühles Lächeln zustande. »Wir werden uns in nächster Zeit öfter sehen. Ich bin die Ärztin an Bord der MS Kristiana

Sie erkannte an seinem Blick, dass ihm die Nachricht nicht gefiel. Und es war so typisch für ihn, dass er sie nicht kommentierte. »Was ist mit Fenja?«, wollte er lediglich wissen.

»Sie bleibt bei meinem Vater. Sie hat dir doch sicher erzählt, dass wir bereits seit einem Jahr bei ihm wohnen.«

Zu ihrer Überraschung schüttelte er den Kopf. »Nein, ich hatte keine Ahnung! Und es gefällt mir nicht, dass sie allein bei Clemens bleibt.«

»Dich stört doch vor allem, dass du mir demnächst nicht mehr aus dem Weg gehen kannst«, stieß Eva wütend hervor.

Bevor Adrian reagieren konnte, ertönte ein freudiger Aufschrei, und Fenja stürmte auf ihn zu und umarmte ihn stürmisch. »Paps!«

Adrian hielt seine Tochter sichtlich berührt in den Armen. Dann schob er sie ein Stück von sich und betrachtete sie von Kopf bis Fuß. Sie sah wirklich sehr hübsch aus in ihrem kurzen Sommerkleid und den blonden Haaren, die sie zu einem französischen Zopf gebunden hatte. »Du bist erwachsen geworden«, stellte er fest.

»Wir haben uns ja auch zwei Jahre nicht gesehen. Ich war gerade mal vierzehn, als wir uns das letzte Mal in Bergen getroffen haben.« Das Mädchen warf sich wieder in seine Arme. »Endlich bist du da.«

Eva beobachtete die Szene mit einem bitteren Gefühl. Es tat weh, dass Adrian bei der Begegnung mit ihr selbst nicht die geringste Regung gezeigt hatte. Und womit hatte er diese überschwängliche Begrüßung durch Fenja verdient? Er war damals einfach verschwunden, hatte nicht nur sie, sondern auch seine Tochter im Stich gelassen. Trotzdem hing Fenja mit unerschütterlicher Liebe an ihrem Vater, und sie machte keinen Hehl daraus, dass sie ihrer Mutter die Schuld an der Trennung gab.

Es war ja meine Schuld, gestand Eva sich ein, auch wenn Fenja die Details, die dazu geführt hatten, nicht kannte. Nicht einmal Adrian kannte die ganze Wahrheit! Er darf sie auch nie erfahren, dachte Eva verzweifelt. Sie liebte Adrian immer noch, und sie wollte ihn zurück – ihre ganze Hoffnung konzentrierte sich auf die gemeinsame Zeit, die vor ihnen lag.

Auch wenn sie nie darüber gesprochen hatte, wusste Eva, dass sich ihre Wünsche mit denen ihres Vaters deckten: Eva wollte ihren Mann zurück, Clemens seinen Schwiegersohn und Kapitän. Er hatte Adrian immer geschätzt. Er hatte den Grund für ihre Trennung nie erfahren, aber Eva wusste, dass es ihren Vater sehr getroffen hatte, als Adrian in der Tychsen-Reederei abgeheuert hatte.

»Paps, zeigst du mir dein Schiff?«, bat Fenja.

Adrian versuchte ein Lächeln, doch es geriet ein wenig schief. »Das Schiff gehört deinem Opa. Aber ich zeige es dir natürlich gerne.«

Weder er noch Fenja fragten Eva, ob sie mitkommen wollte. Arm in Arm zogen die beiden ab.

Eva schloss für einen Moment die Augen. Sie hatte Angst gehabt vor diesem ersten Moment, und im Grunde war ihre erste Begegnung nicht so schlimm verlaufen, wie sie es sich in den vergangenen Tagen immer wieder ausgemalt hatte. Jetzt war es ausgestanden, alles andere würde die Zukunft zeigen.

Als sie die Augen wieder öffnete, stand Magnus Foss vor ihr. Ausgerechnet Magnus!

»Ich soll dich holen. Dein Vater will dich während der Taufzeremonie an seiner Seite haben.«

Eva nickte. Sie wollte nicht mit Magnus reden. Sie wollte nichts mehr von ihm wissen, trotzdem musste sie sich damit abfinden, dass er als Kreuzfahrtdirektor ebenfalls an Bord sein würde.

Sie schoben sich durch die Menschenmenge nach vorn zum Kai. »Was ist?«, fuhr sie ihn an, entnervt von seinen Blicken, die sie unentwegt auf sich spürte. Überhaupt machte ihr seine Anwesenheit weitaus mehr zu schaffen, als ihr lieb war.

»Ich weiß nicht, was du meinst.« In seinen Augen lag ein amüsiertes Funkeln. Nach allem, was geschehen war, hatte er sie in der Hand. Umgekehrt galt das genauso. Mit ein paar Sätzen konnte sie seine Karriere zerstören. Aber er war so ehrgeizig, dass er das bestimmt nicht riskierte. Jedenfalls hoffte sie das inständig.

»Eva!« Ihr Vater kam mit ausgestreckten Händen auf sie zu. »Die Familie soll zusammen sein, wenn das Schiff getauft wird. Wo sind Adrian und Fenja?«

»Er zeigt ihr das Schiff.« Evas Stimme war belegt. Nie zuvor hatte sie deutlicher gespürt, dass sie nicht dazugehörte. Adrian und Fenja wollten sie bei der Besichtigung nicht dabeihaben. Und ihr Vater wollte sie während der Taufe nur neben sich haben, weil sich das auf den Pressefotos gut machte. Die eigentliche Schiffstaufe blieb Fiona Steidl vorbehalten.

Selbst der Schiffsname vertiefte ihr Gefühl der Einsamkeit. Ausgerechnet Kristiana! Nach ihrer Schwester. Dabei war die bereits seit Jahren verschollen und lebte wahrscheinlich nicht mehr. Hingegen gab es in der ganzen Flotte ihres Vaters keine MS Eva.

Clemens Tychsen griff nach ihrem Arm. Er lächelte, als die ersten Blitzlichter aufleuchteten, und auch Eva zwang sich zu einem Lächeln.

Ringsum wurde es still, als Fiona das Podest betrat. Magnus...