Herzmörder: Knisternde Dark Fantasy Romance (Ashitara-Chroniken 1)

Herzmörder: Knisternde Dark Fantasy Romance (Ashitara-Chroniken 1)

von: Nika S. Daveron

epubli, 2024

ISBN: 9783758492617 , 310 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: frei

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Preis: 4,99 EUR

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Herzmörder: Knisternde Dark Fantasy Romance (Ashitara-Chroniken 1)


 

KAPITEL 1: EIN ÜBERBEZAHLTER KANARIENVOGEL


»Es ist alles bereit, Lady Trent.« Der Mann von der Wächter-Gilde macht einen Schritt zurück und stellt seinen Speer auf dem Boden ab.

Ich nicke ihm zu und lasse mir von dem anderen eine Fackel reichen. Vorsichtig hebe ich den Saum meines Rockes und steige die frisch geschlagenen Treppen hinunter, um den neuen Gang zu inspizieren, den die Minenarbeiter geschlagen haben. Schon seit einigen Monden wurde gesprengt und gegraben, damit wir nun endlich in die tieferen Ebenen der Mine vordringen können. Meine Aufgabe ist es, sie zu überprüfen – auf Goldvorkommen, Diamanten und was man noch so alles unten in den Gesteinsschichten finden kann. Fossilien, Drachenglas, Junirs Klauen. Einmal habe ich eine ganze Stadt freigelegt, die anscheinend von einem Vulkanausbruch verschluckt wurde. Allerdings muss dieser Jahrtausende her sein, denn unter den Nachtbergen gibt es keine Magmakammern mehr.

Ich steige tiefer und man schließt die Tür hinter mir. So steht es im Protokoll und an das halte ich mich. Wenn ich nicht zurückkomme, dann wissen sie, dass sie diesen neuen Arm schnellstmöglich sprengen müssen, um zu verhindern, dass das, was mich holte, an die Oberfläche dringt.

Anjali sagt dazu: Du bist ein ziemlich überbezahlter Kanarienvogel. Aber ich bin die Gilden-Geologin der Flammenträger und damit ist es meine Pflicht, diese Aufgabe zu übernehmen. Dann bin ich eben ein überbezahlter Kanarienvogel. Na, und?

Und streng genommen bin ich auch nicht die Erste, die hinuntersteigt. Die Arbeiter erledigen das, wenn sie die Stollen ausbauen. Ich bin nur dafür da, Proben zu nehmen und das Gestein nach Auffälligkeiten zu durchsuchen. Zwei Tage und zwei Nächte nehme ich mir dafür. Ich schlafe in dem neuen Stollen und markiere anschließend wichtige Gesteinsadern und gebe den Weg für die tieferen Ebenen hervor. So ist die Honlai-Mine unter meiner Leitung schon hunderte Meilen in die Tiefe gewachsen und darauf bin ich sehr stolz.

Ich liebe diese Momente. Wenn ich allein mit dem Herz der Berge bin und die Schwingungen wahrnehme, die sich um mich herum entfalten. Es ist, als ob das Gebirge zu mir spricht. Klar, das liegt an meiner Magie, aber trotzdem glaube ich manchmal mit einem selbstständigen Wesen zu reden. Es ist, als wenn man einen guten Freund besucht und ihn jedes Mal ein bisschen besser kennenlernt.

Ich entzünde zwei der Honigfackeln an der Treppe und stehe dann unten auf einem Plateau, das gut und gerne zwei riesige Dampfmaschinen fassen könnte, die in den Minen wertvolle Rohstoffe abzutransportieren. Hier werde ich auch mein Lager aufschlagen und heute Abend meine ersten Zeichnungen beginnen, um den Ausbau voranzutreiben.

Die Zukunft der Flammenträger hängt von unseren Erfolgen in den Minen ab und ich will, dass wir unabhängig von den anderen Clans bleiben und vor allem konkurrenzfähig. Es dreht sich vieles nur um Gold, aber die Clans von Ashitara streiten seit jeher um die Vorherrschaft und ich will nicht schuld daran sein, wenn die Flammenträger ins Hintertreffen geraten.

Ich werde heute Nacht im Traum die ersten Skizzen übergeben, damit die Clanältesten eine Ahnung davon haben, was unter den Nachtbergen lauert. Meine fertige Karte erhalten sie erst nach meinem Aufenthalt in den Honlai-Minen.

Ich erreiche ein kleines Lager, das man mir bereitgemacht hat. Ein Feldbett, eine Feuerstelle, ein paar Lebensmittel, meine Zeichenutensilien und geologische Messinstrumente befinden sich dort fein geordnet, so wie ich es haben möchte. Die Wächter-Gilde hat es mit mir und meinen Anordnungen manchmal nicht einfach. Und da ist sie auch – die Sanduhr, die angibt, wann ich wieder oben sein muss, um den Teil der Mine als sicher zurückzumelden.

Ich drehe sie vorsichtig um und beachte sie dann nicht mehr, auch wenn sie ein wahres Kunstwerk mit verschnörkelten Abbildern der Schwarzen Göttin ist, die ihre Flügel über das Glas spannt. Aber ich bin nicht sehr gläubig, daher erstarre ich nicht in Ehrfurcht.

Ich lege meine Tasche auf dem Feldbett ab. Darin befinden sich ein paar persönliche Dinge, sowie Wechselkleidung. Einen Eimer Wasser von oben hat man mir ebenfalls bereitgestellt, sowie einen Nachttopf. Das ist das Unschöne daran, wenn man unter Tage wohnt. Allerdings haben sie mir auch ein Säckchen Kalk hingestellt und ein Unrat-Loch gebohrt, damit ich es nachher hineinkippen kann.

Ich stelle alle meine Sachen ab und mache mich daran, mein neues Heim für zwei Tage zu erkunden. Von dem Plateau aus sehe ich mehrere Stollen rechts abgehen, einer ist mit einem roten X aus Farbe markiert, hier ist Vorsicht geboten. Offenbar haben die Minenarbeiter seltsame Schwingungen gespürt oder etwas gefunden, was sie nicht zuordnen konnten, aber für gefährlich hielten. Warum nicht also gleich mit dem Schwierigsten anfangen?

Ich gehe hinüber. Die Decke über mir ist trocken und so dunkel wie der schieferhaltige Boden. Doch rechts von der Tür mit dem X wuchert ziemlich frischer Dolomit, den die Bergarbeiter nicht anrühren wollten. Man sieht die Bruchkante, die sie hinterlassen haben. Dort wurde nicht weitergegraben.

Ich greife nach dem Hammer an meinem Gürtel und ziehe zwei Nägel aus einem Säckchen, um sie jeweils rechts oder links neben der Tür anzubringen. Sollte ich darin etwas finden, das zwar nicht die gesamte Mine gefährdet, aber doch zu riskant ist, werde ich mit einem roten Band darauf hinweisen. Die Arbeiter werden den Stollen dann zuschütten und versiegeln. Ich habe schon einige versiegelte Stollen hinterlassen. Einer war mit riesigen Leuchtwürmern gefüllt, die sich bei näherer Betrachtung als giftig erwiesen. Ein anderer bestand im Inneren aus ziemlich löchrigem Aktinolith, sodass ich die Sicherheit der Minenarbeiter nicht hätte gewährleisten können.

Bisher lag ich immer richtig, seitdem ich in den Nachtbergen eingesetzt werde. Noch nie ist ein Minenarbeiter wegen meiner Weisung umgekommen. Keine verschütteten Männer und Frauen, keine vergifteten Grubenarbeiter. Das heißt nicht, dass wir nicht auch Unfälle haben, aber sie sind zumindest nicht auf mich zurückzuführen, sondern auf Übereifer, müde Bergarbeiter und … nun ja … Mutproben. Bei den Flammenträgern lieben sie Mutproben. Ich selbst bin nicht davor gefeit, was mir einige kritische Kommentare meiner großen Schwester Anjali eingebracht hat, aber was soll ich machen? Ich bin eben eine von ihnen.

Als ich fertig mit den Nägeln bin, betrachte ich kurz mein Werk und stecke dann den Hammer weg, nehme aber dafür das rote Band schon einmal in die Hand. Vorsichtig greife ich wieder nach der Fackel, die ich dafür auf dem Boden abgelegt habe und betrete den schmalen Gang. Mehr als ein Mann hat hier keinen Platz, sie werden ihn vergrößern müssen, wenn sie arbeiten wollen – und das wollen sie auf jeden Fall, denn ich sehe bereits die ersten feinen schimmernden Adern. Was ist das? Meine Finger streichen darüber, ich versuche dem Gestein zu lauschen. Aber diese Stimme habe ich noch nie gehört. Es muss etwas Seltenes sein, vielleicht kenne ich seinen Namen nicht – noch nicht. Doch wirklich merkwürdig ist, dass ich eine klare Stimme vernehme: »Verschwinde.«

Ich schrecke fürchterlich zusammen und drehe mich um. Meine Fackel wirbelt umher, während ich mich umdrehe, doch da ist niemand. Weder vor noch hinter mir.

Bei allen Höllen, erlauben sich die Arbeiter einen Streich? Noch lieber als Mutproben mögen die Flammenträger nämlich Streiche …

Ich atme tief durch. Auf keinen Fall werde ich ihnen zeigen, dass ich mich fürchte. Aber sie können sich schon mal auf den Anpfiff ihres Lebens gefasst machen. Niemand öffnet die versiegelte Tür, solange das Stundenglas nicht abgelaufen ist. Ich werde …

»Du wirst gar nichts«, sagt die Stimme ziemlich laut.

Ich halte den Atem an und versuche, nicht in Panik auszubrechen. Ich fixiere die Stollenwand vor mir. Hier ist nichts. Nur ich und das Gestein.

»Wer ist da?«, raune ich.

Nichts. Gar nichts.

Ich taste vorsichtig den schimmernden Stein entlang, doch es geschieht nichts mehr. Vielleicht gibt es hier drinnen halluzinogene Stoffe? Ich sollte den Stollen lieber mit einem roten Band markieren, kein Wunder, dass die Arbeiter das X aufgemalt haben.

Dafür brauche ich auch nicht bis zum Ende zu gehen, ganz gleich, welche Schätze hier warten könnten. Wenn ich eins weiß, dann ist es, dass Gier tötet. Wer sollte das besser wissen als ich?

Vorsichtig taste ich nach dem Pendulum an meiner Brust, das mich mit seiner Magie unterstützt. Es ist ein Talisman, den jeder Magier in Ashitara trägt. Ein Erkennungszeichen und eine Hilfe, mit der wir die Magie besser kanalisieren können.

Ich schüttle den Kopf, um die finsteren Gedanken zu vertreiben, und drehe mich um. Nicht weitergehen. Nichts riskieren. Wenn das Phänomen in mehreren Gängen auftritt, werde ich den gesamten Abschnitt wieder zuschütten und an anderer Stelle graben lassen. Daran ist nichts Verwerfliches.

Meine Schritte hallen durch den Stollen, als ich dem Weg zum Ausgang folge und schließlich wieder auf das Plateau trete. Die Stimme ist nicht mehr da. Oder hat es sie gar nicht gegeben? War ich vielleicht zu lange unter Tage? Denn ich bin bestimmt schon drei Tage in den oberen Ebenen der Minen unterwegs. Ich schaue mir Stellen an, an denen man weitergraben könnte. Wer weiß, ob ich vielleicht den Tiefenkoller bekomme …?

Trotzdem ziehe ich das rote Band von meinem Gürtel und befestige es zwischen den beiden Nägeln. Sicher ist sicher. Ein schlechtes Gefühl bleibt ein schlechtes Gefühl und ein erster Instinkt ist meist der Richtige. Und alles in mir hat in diesem Stollen geschrien: Lauf!

Zur Sicherheit...