Strukturen und Funktionen begreifen - Funktionelle Anatomie - 2: LWS, Becken, Hüftgelenk, Untere Extremität

Strukturen und Funktionen begreifen - Funktionelle Anatomie - 2: LWS, Becken, Hüftgelenk, Untere Extremität

von: Jutta Hochschild

Georg Thieme Verlag KG, 2024

ISBN: 9783132400689 , 472 Seiten

4. Auflage

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 69,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

Strukturen und Funktionen begreifen - Funktionelle Anatomie - 2: LWS, Becken, Hüftgelenk, Untere Extremität


 

1 Lendenwirbelsäule (LWS)


1.1 Lumbales Bewegungssegment


1.1.1 Knöcherne Strukturen


▶ Abb. 1.1

Die Lendenwirbelsäule besteht aus 5 Wirbeln mit dazwischen liegenden Bandscheiben. Sie ist nach ventral konvex gebogen, was als Lordose bezeichnet wird.

Abb. 1.1 Lendenwirbelsäule.

1.1.1.1 Corpus vertebrae

▶ Abb. 1.1, ▶ Abb. 1.2

Abb. 1.2 Corpus vertebrae der Lendenwirbelsäule.

Bedingt durch die Lordose sind die Wirbelkörper kaudal des 3. Lendenwirbels nach dorsal konvergierend keilförmiger, was bedeutet, dass der 5. Lendenwirbelkörper ventral etwa 5mm höher ist als dorsal und seine Endplatten einen Winkel von etwa 20° bilden.

Der sagittale Durchmesser ist kleiner als der frontale, deshalb hat der Wirbelkörper eine leicht ovale Form. In der Ansicht von lateral und ventral weist er außerdem eine Taille auf, da sein Umfang im mittleren Bereich kleiner ist als zur Grund- und Deckplatte hin.

Die Wirbelkörper werden nach kranial und kaudal durch Endplatten, die aus hyalinem Knorpel bestehen, abgeschlossen. Die knöchernen Deckflächen sind abgeflacht sowie leicht konkav gestaltet und schließen außen mit einem knöchernen Ring, der Randleiste, ab. Sie ist eine Epiphysenleiste, die lateral und ventral breiter ist als dorsal.

1.1.1.2 Discus intervertebralis

▶ Abb. 1.3; siehe Band 1, Kap. 1.5

Abb. 1.3 Lumbaler Discus intervertebralis.

Die Disci sind hoch und haben einen großen Querschnitt. Ebenso wie die Wirbelkörper passen sie sich der lordotischen Krümmung an und weisen an der 4. und 5. Bandscheibe eine Keilform auf, die besonders am lumbosakralen Übergang sehr ausgeprägt ist. Sie kann dort ventral doppelt so hoch sein wie dorsal.

Die Lamellen des Anulus fibrosus sind an den Randleisten des Wirbelkörpers verankert und ventral dicker und reicher an Fasern als dorsal. Der Nucleus pulposus liegt demzufolge nicht zentral, sondern ist etwas nach dorsal verschoben.

1.1.1.3 Pediculus arcus

▶ Abb. 1.4

Abb. 1.4 Pediculus arcus, Proc. transversus, Procc. articulares der Lendenwirbelsäule.

Der Abgangsbereich des Wirbelbogens aus dem Wirbelkörper, Pediculus arcus, liegt jeweils an der kranialen Hälfte der dorsolateralen Wirbelkörperwand und ragt im rechten Winkel nach dorsal heraus. Die kraniale Kante liegt dabei in Höhe der Grundplatte des Wirbels, die kaudale Kante in Höhe der Wirbelkörpermitte. Sofort nach seinem Abgangsbereich zeigt der Wirbelbogen sowohl kranial als auch kaudal eine ausgeprägte abgerundete Einkerbung, die Incisurae vertebrales superior et inferior. Sie ergeben jeweils mit der Inzisur des darüber- und darunterliegenden Wirbelbogens das Foramen intervertebrale.

1.1.1.4 Foramen intervertebrale

▶ Abb. 1.5

Abb. 1.5 Foramen intervertebrale der Lendenwirbelsäule.

Das Zwischenwirbelloch wird aus der Incisura vertebralis inferior des kranialen und der Incisura vertebralis superior des kaudalen Wirbels gebildet. Die Incisura vertebralis inferior ist wesentlich größer als die superiore.

Die Foramina befinden sich mit ihrem kaudalen Drittel in Höhe der Bandscheibenräume und haben, von lateral betrachtet, die Form von Ohrmuscheln. Die Nervenwurzel zieht durch den oberen Teil des Foramens und nimmt etwa ¼ des Raumes ein.

Bei Lateralflexion werden die Foramina auf der konkaven Seite schmal und auf der konvexen weit. Die Flexion erweitert das Foramen um ca. 30%, Extension verengt es bis zu 20%. Die Rotationsbewegungen haben nur minimale Veränderungen zur Folge.

1.1.1.5 Proc. transversus

▶ Abb. 1.4, ▶ Abb. 1.5

Die Querfortsätze der LWS sind aus der Verschmelzung eines großen Rippenrudiments, des Proc. costalis, mit einem sehr kleinen Fortsatz, dem Proc. accessorius, entstanden. Letzterer ist sehr klein und entspringt an der Basis des Proc. costalis. Die Procc. costales dagegen sind sehr lang und stehen in der Frontalebene. Besonders ausgeprägt sind die des 3. Lendenwirbels, sie ragen bis zum kranialen Rand des Os ilium. Dagegen sind die beiden von L5 kürzer und etwas nach anterior ausgerichtet.

1.1.1.6 Procc. articulares

▶ Abb. 1.4, ▶ Abb. 1.5

Die Gelenkfortsätze sind sehr kräftig ausgebildet. Der Proc. articularis superior besitzt an seiner Seitenfläche einen kleinen Höcker, den Proc. mammillaris, der nach dorsolateral ausgerichtet ist und paraspinalen Muskelzügen als Ansatz dient.

Die Procc. articulares inferiores liegen medial, die Gelenkflächen sind nach lateral-ventral, die des Proc. articularis superior entsprechend nach medial-dorsal ausgerichtet.

1.1.1.7 Lamina arcus vertebralis

▶ Abb. 1.4

Der Wirbelbogen findet dorsal der Procc. articulares seine Fortsetzung in den Laminae arci, flache Knochenteile, die ihr Ende an den Seitenwänden des Proc. spinosus finden. An der Innenfläche der Lamina liegt nahe deren kaudaler Kante eine feine quere Leiste, die dem Lig. flavum als Ansatz dient.

1.1.1.8 Proc. spinosus

▶ Abb. 1.6

Die Dornfortsätze verlaufen horizontal. Im Verhältnis zum Wirbelkörper sind sie etwa um eine halbe Wirbelkörperhöhe nach kaudal verschoben. Sie sind in der Ansicht von dorsal schmal und von lateral sehr hoch. Der Proc. spinosus des 5. Lendenwirbels ist kleiner als die der übrigen LWS.

1.1.1.9 Foramen vertebrale

▶ Abb. 1.6

Abb. 1.6 Foramen vertebrale.

Abb. 1.6a Lendenwirbel 1–2.

Abb. 1.6b Lendenwirbel 3–5.

Das Foramen wird ventral durch den dorsalen Wirbelkörper mit Diskus, lateral-ventral von der Bogenwurzel, lateral vom Wirbelbogen und den Wirbelbogengelenken sowie dorsal von der Lamina arcus und vom Lig. flavum begrenzt.

Es zeigt im Transversalschnitt eine dreieckige Form, wobei die Umrisslinie der beiden oberen Lendenwirbel dreieckig mit abgerundeten Ecken ist, während die drei kaudalen Wirbel eine kantige Dreieckform aufweisen. Der latero-ventrale Bereich des Dreiecks wird als Recessus lateralis bezeichnet.

1.1.1.10 Canalis vertebralis

▶ Abb. 1.7

Abb. 1.7 Canalis vertebralis in der Lendenwirbelsäule.

Übereinander angeordnet bilden die Foramina vertebralia den Spinalkanal, in dem zentral das Rückenmark bzw. die Cauda equina liegt. Die seitlich gelegenen Recessi bilden eine Rinne, in der die Nervenwurzeln umgeben von der Dura mater spinalis verlaufen, nachdem sie vom Durasack abzweigen und bevor sie das Foramen intervertebrale erreichen.

Außer den Nervenwurzeln befinden sich im Spinalkanal die Plexus venosi, Arterien und epidurales Fettgewebe, das sowohl ventral als auch dorsal und vor allem die Wurzeltaschen vor den knöchernen Wänden des Foramen intervertebrale schützt. Außerdem polstern die im Canalis vertebralis gelegenen Ligg. longitudinalis posterior und flavum nach ventral und dorsal ab.

Funktioneller Hinweis

Längenveränderungen des Spinalkanals

Der Spinalkanal ist starken Längenveränderungen ausgesetzt:

  • Bei Flexion vergrößert sich der a.-p.-Durchmesser und der dorsale Bereich wird um 30% länger, der ventrale um 13%. Bei Extension wird der a.-p.-Durchmesser kleiner. Insgesamt handelt es sich um eine Längenveränderung von 6–9cm.

  • Bei der Lateralflexion gibt es Längenveränderungen von ca. 15%.

Klinischer Bezug

Lumbale Spinalkanalstenose ▶ Abb. 1.8

Bei der lumbalen Spinalkanalstenose handelt es sich um eine ossär bedingte Enge des Spinalkanals, die eine Kompression der darin verlaufenden Nerven und Nervenwurzeln sowie der Blutgefäße verursacht. Die erworbene Stenose entsteht meist aufgrund von Bandscheibendegeneration, wobei der Bandscheibenraum verschmälert ist und Spondylophyten entstehen, die sowohl von den Wirbelkörpern...