Rügen Reiseführer Michael Müller Verlag - Stralsund, Hiddensee

Rügen Reiseführer Michael Müller Verlag - Stralsund, Hiddensee

von: Sven Talaron

Michael Müller Verlag, 2024

ISBN: 9783966853606 , 300 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 17,99 EUR

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Rügen Reiseführer Michael Müller Verlag - Stralsund, Hiddensee


 

Geschichte Stralsunds
Am 31. Oktober 1234 versah Wizlaw, „von Gottes Gnaden Fürst der Rugianer“, ein Dokument mit seinem Siegel, das für Stralsund von größter Bedeutung sein sollte. Darin wird feierlich bekannt gegeben, dass der Ortschaft Stralow das lübische Stadtrecht zuerkannt wurde - und damit dieselben Rechte und Freiheiten, wie sie Rostock bereits besaß.
Mit der Verleihung des Stadtrechts war der Grundstein gelegt für einen sagenhaften Aufschwung, der Stralsund zu einem Flaggschiff der mächtigen Hanse und ungeheuer wohlhabend werden ließ.
Die Anfänge: Über das ursprünglich wendische Fischer- und Fährdorf Stralow ist nur wenig bekannt. Warum sich deutsche Siedler, v. a. Westfalen und Rheinländer, im Zuge der Kolonialisierung gerade hier niederließen, liegt aber auf der Hand: Stralow wies günstige geografische Bedingungen auf: An den Ufern des Strelasunds gelegen, war das Dorf umgeben von Sümpfen und Marschland und nur auf wenigen Pfaden über Land erreichbar. Dank seiner Lage konnte sich der Ort zudem schnell als Handelszentrum etablieren. Zum einen wurde Stralsund Umschlagplatz für die regionale landwirtschaftliche Produktion vornehmlich von der Insel Rügen, zum anderen wurde es zu einer wichtigen Kraft im Nord- und Ostseehandel, der zwischen Flandern und Russland im 13. Jh. umfangreiche Warenströme transportierte. Als Zwischenhandelsstation verdienten die Stralsunder Kaufleute mit jeder im Hafen einlaufenden Kogge bares Geld.

Ursprung des Reichtums: die Produktion hanseatischer Handelsgüter - die Relieftafeln des Gestühls der Rigafahrer in der Nikolaikirche

Aufstieg der Hansestadt Stralsund: Der Erfolg rief bald Neider auf den Plan: Ausgerechnet Lübeck, dessen städtische Entwicklung der Stralsunds nicht unähnlich war, überfiel die junge Stadt 1249 und legte sie in Schutt und Asche. Den Aufstieg Stralsunds konnten die Lübecker damit allerdings nicht verhindern. Als direkte Folge des Angriffs wurde die Stadtbefestigung ausgebaut: Bereits 1256 wird von einer massiven, die Stadt umschließenden Steinmauer berichtet. Die Teiche, die die Stadt bis heute im Südwesten umgeben, wurden ausgehoben und geflutet sowie Dämme angelegt (erstmals wird 1317 der Frankendamm erwähnt, 1319 der Knieper Damm). Aber auch innerhalb der Stadtmauern wurde in der zweiten Hälfte des 13. Jh. kräftig gebaut: In kurzer Folge entstanden das Rathaus und die Kirche St. Nikolai im alten Stadtkern (heute um den Alten Markt). Bald wuchs die Stadt mit der Neustadt (heute der Neue Markt) zusammen, die mit St. Marien (erstmals 1298 erwähnt) ihre eigene Kirche bekam. Franziskaner gründeten 1254 das Kloster St. Johannis, nachdem wenige Jahre zuvor sich bereits die Dominikaner (St. Katharinen) in der Stadt angesiedelt hatten.
Den politischen Rahmen für den rasanten Aufschwung bildete die Hanse (Näheres Link), der Stralsund neben Lübeck, Wismar, Rostock und Greifswald seit dem Bestehen des Städtebundes angehörte. 1310 kam es zu einem Konflikt der Städte mit dem dänischen König Erich IV. Menved. Rostock und Wismar wurden geschlagen, während aus Lübeck, getreu der Maxime Eigennutz vor Gemeinnutz, nichts als Beileidsbekundungen kamen. 1316 war Stralsund an der Reihe und wurde von den Dänen belagert. Aber die Stralsunder Bürger wehrten sich und konnten bei einem Ausfall die feindliche Armee schlagen. Die Interessengemeinschaft Hanse hatte zwar Schaden genommen, war aber letztendlich von den Stralsundern gerettet worden. Eine Generation später waren es wieder die Dänen, nun unter Waldemar IV., die den Aufschwung der Hansestädte bedrohten. Dieses Mal aber hielt das Bündnis. 1367 wurde auf dem Hansetag in Köln ein gemeinsamer Waffengang beschlossen, ein Jahr später musste sich Kopenhagen der hanseatischen Flotte ergeben. Stralsund leistete in diesem Konflikt einen bedeutenden Beitrag, was sich u. a. darin zeigt, dass die Friedensverhandlungen in Stralsund stattfanden. Der geschlagene Dänenfürst musste nicht nur alle Handelsprivilegien der Hanse bestätigen und enorme Zahlungen leisten, sondern er musste dem Städtebündnis auch noch das Mitspracherecht bei der dänischen Thronfolge zugestehen. Der am 24. Mai 1370 geschlossene Friede von Stralsund markierte den politischen Höhepunkt der Hanse.

Blick vom Turm der Marienkirche auf die Nikolaikirche

Blütezeit der Hanse: Der nicht enden wollende Aufschwung bescherte der Stadt einen anhaltenden Bauboom. St. Nikolai bekam (nach dem Einsturz des alten) einen neuen Doppelturm, und auch die Marienkirche erhielt ihre imposante Gestalt, nachdem auf dem sumpfigen Untergrund ebenfalls der Turm umgekippt war und Chor und Langhaus gleich mit in Trümmer gelegt hatte. Als Spiegel ihres Reichtums machten Rat und Bürger die Stadt am Sund zu einem Vorbild deutscher Backsteingotik. Neben der Umgestaltung bestehender Gebäude entstanden repräsentative Bürgerhäuser wie das Wulflamhaus (dem bedeutendsten Mitglied der Familie, Bertram Wulflam, langjähriger Bürgermeister von Stralsund, wurde seinerzeit nachgesagt, er sei der reichste Mann der Ostsee). Auch die Kirchen wurden von den Kaufleuten reich ausgestattet, dieser Glanz aber ging während des Bildersturms im Zuge der Reformation weitgehend verloren.
Reformation und Dreißigjähriger Krieg: Als die Reformation in Stralsund Einzug hielt, verband sich in der Stadt der Konflikt um die verkrusteten Strukturen der Kirche mit der Wut der Bürger über die Unfähigkeit des Rates. Der Zorn entlud sich 1525 im „Kirchenbrechen“, einem Bildersturm, dem nicht nur die meisten der sakralen Kunstschätze der Stadt zum Opfer fielen, sondern auch der immense Biervorrat der Klöster. Eine der wenigen verschont geblieben Ausnahmen waren die vier Relieftafeln vom sogenannten Gestühl der Rigafahrer in der Nikolaikirche.
Die Jahrzehnte zwischen 1628 und 1715 trafen Stralsund hart. Zuerst kam Wallenstein und belagerte die Stadt. Der große Feldherr der kaiserlichen Truppen war Herzog von Mecklenburg geworden und verlangte die Aufnahme seiner Armee in die Mauern der Stadt. Als die Stadtväter das „Angebot“ ablehnten, begann eine blutige Belagerung (Frühjahr 1628), die dank tapferer Gegenwehr der Bürgerschaft und schwedischer Waffenhilfe gebrochen werden konnte. Das neue Bündnis der Stadt mit dem schwedischen König Gustav II. Adolf hatte jedoch einen hohen Preis, denn die Schweden blieben in der Stadt. Statt der Katholiken hatte man nun nicht nur die Armee mit den Drei-Kronen-Wimpeln zu bewirten, Stralsund war de facto ein Teil des schwedischen Reiches geworden (bestätigt im Westfälischen Frieden 1648).
Papenbrand thom Sunde
Die Opferstöcke der Kirchen sind schnell gefüllt, wenn die wirtschaftliche Lage rosig ist, doch in Zeiten der Rezession werden die Zuwendungen spärlicher. Als sich Anfang des 15. Jh. der Archidiakon bei den Stadtvätern darüber beschwerte, fand er kein Gehör. Erbost über so viel Ignoranz zog der Bischof mit einer Reiterarmee vor die Tore der Stadt und legte das Umland in Schutt und Asche. Die Stralsunder waren darüber verständlicherweise empört. Die ansässigen Priester, die unter Verdacht standen, mit dem Bischof zu kollaborieren, wurden zusammengetrieben und in ein Haus am Neuen Markt gesperrt, das niedergebrannt werden sollte. Doch die Vernunft setzte sich durch, schließlich konnte aus einem Hausbrand (mit oder ohne Pfarrer) schnell ein Stadtbrand werden. Also griff man sich drei der Priester und verbrannte sie auf einem Scheiterhaufen auf dem Neuen Markt.
Aber der sogenannte „Papenbrand“ kam Stralsund teuer zu stehen: Die Stadt wurde mit einem Kirchenbann belegt. Um wieder in den Schoß der Kirche aufgenommen zu werden, musste sie die ungeheure Summe von 75.000 Mark an den Schweriner Bischof zahlen, der damit seinen eigenen Dombau finanzierte. Außerdem wurde den Stralsundern auferlegt, eine Sühnekapelle zu errichten. Allerdings steht diese nicht sonderlich prominent im Stadtbild: Die 1416 errichtete Apollonien-Kapelle, ein überschaubarer Achteckbau mit spitzer Haube, versteckt sich neben der Marienkirche.
Schwedenzeit: Der Dreißigjährige Krieg markierte auch das Ende der Hanse. Längst hatten sich Marktzentren und Warenströme im Zuge der Entdeckung und Kolonialisierung Amerikas von Ostsee und Mittelmeer in den Westen an die Atlantikküste und in die Niederlande verlagert. Und die Ostsee war zu einem Binnenhandelsweg der neuen Großmacht geworden: Schweden. Natürlich wurde auch Stralsund in die Kriege der skandinavischen Großmacht hineingezogen. Nach der schwedischen Niederlage in der Schlacht von Fehrbellin rückten die siegreichen Brandenburger gegen Stralsund vor und belagerten die Stadt (1678). Der Kanonenhagel beschädigte die Stadt schwer, über die Hälfte der Häuser wurde zerstört. Stralsund fiel und befand sich kurzzeitig unter brandenburgischer Herrschaft, bevor es im Frieden von St.-Germain-en-Laye zurück an die Schweden ging. Weitere Schicksalsschläge kamen hinzu: 1680 wütete ein Brand in der im Wiederaufbau befindlichen Stadt, 1710 rollte die letzte Pestwelle durch die Gassen, und schließlich hatte Stralsund unter dem Großen Nordischen Krieg zu leiden. Ein Jahr lang kämpfte die Stadt an der Seite des schwedischen Königs...