Amore inklusive

Amore inklusive

von: Caitlin Crews

MIRA Taschenbuch, 2020

ISBN: 9783745752281 , 208 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 3,49 EUR

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Amore inklusive


 

1. KAPITEL

Alle hatten ihr dringend davon abgeraten, allein nach Italien zu fliegen.

Es wäre eine voreilige Entscheidung, die sie bitter bereuen würde, hatten sie gesagt.

„Es wird wie eine Beerdigung sein“, hatte Melinda, Maya Martins ältere Schwester, ihr versichert, vor Zorn am ganzen Körper zitternd, weil ihrer Schwester so übel mitgespielt worden war. Maya konnte es nachempfinden. Sie befand sich selbst in einem Zustand ständiger Empörung – vielleicht war es auch Wut, die stärker war als ihr Kummer –, seit Ethan sein fürchterliches Geständnis abgelegt und damit alle ihre Pläne ruiniert hatte. Sowohl was ihre Heirat als auch ihr Leben anging. „Du kannst doch deine Hochzeitsreise nicht allein machen. Du würdest dich die ganze Zeit nur richtig mies fühlen.“

„Noch mieser als in dem Moment, in dem er mich am Altar hat sitzen lassen? Im wahrsten Sinne des Wortes?“, hatte Maya erwidert, noch immer herausgeputzt für die große Zeremonie, mit perfektem Make-up und ebensolcher Frisur. Nachdem allen klar geworden war, dass man mit Ethan kein vernünftiges Wort mehr reden konnte, hatte ihr Vater die Hochzeit abgesagt. „Das ist ja wohl kaum vorstellbar.“

Melinda verzog das Gesicht. Die Tatsachen waren nun mal so, wie sie waren. Ändern konnte man sie nicht mehr.

Ethan, den Maya an diesem Tag hätte heiraten sollen, liebte seine Braut einfach nicht.

Besser gesagt: Er liebte Maya nicht.

„Wir waren immer beste Freunde, ehe mehr aus unserer Beziehung geworden ist“, hatte er verkündet, verbindlich wie immer, und sie dabei mit treuherzigem Blick aus seinen braunen Augen angeschaut. „Oder etwa nicht?“

Maya hatte ihren pinkfarbenen Morgenmantel übergestreift, den sie eigens zu diesem Zweck gekauft hatte: um sich am Hochzeitsmorgen auf die Trauung vorzubereiten. Perfekt frisiert, tipptopp geschminkt – und bereit, in ihr bezauberndes weißes Hochzeitskleid zu schlüpfen. In diesem Moment drückte Ethan sich an ihrer Mutter und ihrer Schwester vorbei, obwohl jeder wusste, dass es Unglück bedeutete, wenn der Bräutigam die Braut vor der Zeremonie zu Gesicht bekam. Sämtliche Mitglieder der Familie Martin waren in dieser Hinsicht äußerst pingelig.

Und hatten sie nicht recht? Das Unglück hätte in der Tat nicht größer sein können.

„Natürlich sind wir beste Freunde“, hatte Maya erwidert. Ihr Herz war weit, sie war überglücklich und rundum zufrieden gewesen.

Und jetzt war ihr übel.

Mit so etwas hatte sie überhaupt nicht gerechnet. Stattdessen waren ihre Gedanken zurückgeschweift zu ihren Anfängen bei der Anwaltskanzlei Seven Sisters in Toronto, wo sie und Ethan zur gleichen Zeit ihr Referendariat begonnen und gemeinsam an einigen Fällen gearbeitet hatten. Dabei waren sie sich immer näher gekommen. Irgendwann hatten die durchgearbeiteten Nächte und Wochenenden zu mehr geführt. Ein Jahr später waren sie in eine elegante Eigentumswohnung im trendigen Stadtteil Yorkville gezogen. Sechs Monate später hatte Ethan ihr einen Heiratsantrag gemacht. Es schien der nächste logische Schritt zu sein auf ihrem gemeinsamen Weg in eine rosige Zukunft.

Maya hatte ihr Leben von Anfang nach einem fest gefügten Plan geführt, wie man es von einer echten Martin erwarten konnte. Ihre Jugend verbrachte sie in Lawrence Park, einem vornehmen Stadtteil von Toronto. Es folgte ein Jurastudium an der Universität von Toronto, ein erfolgreiches Referendariat bei einem der einflussreichen Freunde ihres Vaters und von dort aus sofort eine Anstellung als Senior Associate in einer der besten Kanzleien von ganz Kanada.

Auch Ethan passte da genau hinein. Er war erfolgreich, ehrgeizig und attraktiv. Sie teilten gemeinsame Interessen sowohl bei der Arbeit als auch in ihrer Freizeit – der wenigen, die ihnen blieb –, und sie hatten ein gemeinsames Ziel vor Augen: eine perfekte Zukunft.

Maya und Ethan waren füreinander geschaffen. So einfach war das.

„Ich weiß, dass ich dir das sagen kann, obwohl es kein gutes Timing ist“, hatte Ethan an jenem Morgen begonnen. Er hatte sich in ihrer Suite im Four Seasons in Yorkville, von wo aus man einen atemberaubenden Blick über die Stadt hatte, neben sie aufs Sofa gesetzt, war mit seinem Daumen über den kissengeschliffenen Diamanten gefahren, den er bei Birks gekauft und ihr eigenhändig an den Finger gesteckt hatte, nachdem er ihr in einem ihrer Lieblingsrestaurants den Antrag gemacht hatte. „Maya, ich habe mich verliebt.“

Sie hatte immer noch nichts kapiert. Sie war zu sehr mit ihren Zukunftsplänen beschäftigt. Pläne, die sie bei gemeinsamen Essen und Joggingtouren geschmiedet hatten. Zuerst würden sie Teilhaber in ihrer Top-Kanzlei werden. Anschließend wollten sie in einen angesagten Vorort ziehen, Rosedale etwa oder Lawrence Park, eine Familie gründen und die erfolgreiche Familiengeschichte der Martins fortführen. Die Martins waren Rechtsanwälte wie Maya, Ärzte wie Melinda, Professoren wie ihre Cousins oder Geschäftsführer wie ihr Vater. Sie führten ein Leben in Glanz und Gloria, denn sie arbeiteten viel, und was auch immer sie anpackten – es wurde zu Gold.

Also hatte Maya nur wie betäubt dagesessen und den Mann verständnislos angelächelt, den sie heiraten, mit dem sie zusammenarbeiten, mit dem sie Babys haben und ein glanzvolles Leben führen wollte. Keiner der Martins hatte jemals vor den Augen der Öffentlichkeit eine Blamage erlitten. Die Martins machten keine Fehler.

„Wir beide wollten nicht, dass so etwas passiert“, sagte Ethan gerade in seiner verbindlichen Art, die ihm verlässlich dabei half, seine Fälle zu gewinnen. „Sowohl Lorraine als auch ich finden es schrecklich, wie sehr es dich verletzen wird, aber wir waren machtlos. Menschen verlieben sich nun mal, auch wenn es manchmal absolut unpassend ist.“

Als er den Namen von Mayas ältester und bester Freundin erwähnte, hörte sie schließlich auf zu lächeln. „Was? Lorraine?

„Irgendwann, da sind wir fest von überzeugt“, fuhr Ethan mit seiner einschmeichelnden Stimme fort, die mit ein Grund dafür gewesen war, dass Maya sich in ihn verliebt hatte, „wirst du mit uns einer Meinung sein, dass es für alle das Beste ist.“

Was danach geschah, versank in einem gnädigen Nebel.

Den Gästen – Familienmitgliedern und Freunden aus ganz Kanada und dem Ausland – hatte Mayas Vater in seiner kategorischen Art, die weder Fragen noch Widerspruch duldete, die Situation erklärt.

Das Kleid hatte Maya gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren Schwestern ausgesucht. Es war genauso prachtvoll, wie es alle Martin-Frauen zu tragen verdienten. Als Maya es anprobiert hatte, hatte ihre Mutter ausnahmsweise einmal stolz ausgesehen, und Melinda hatte sich lächelnd an ihre eigene fantastische Hochzeit erinnert. Maya setzte die Tradition der Familie fort: eine standesgemäße Heirat, ein besseres Leben – und das märchenhafte Hochzeitskleid war sozusagen das Sahnehäubchen auf der Torte.

Sie hatte das Kleid geliebt. Nicht, weil es „dem Anlass angemessen war“, wie ihre Mutter kühl konstatiert hatte. Sie hatte sich vorgestellt, wie sie darin zum Altar schreiten und während der Hochzeitsparty den ganzen Abend darin tanzen würde, in die weiße Seide eingehüllt wie in einen Traum.

Jetzt hätte sie es am liebsten verbrannt.

Was passiert war, nachdem Ethan klargestellt hatte, dass es ihm wirklich ernst war und er sich nicht von seinen Plänen abbringen lassen würde, daran konnte sie sich nicht mehr erinnern. Alles schien in ihrem Kopf zu verschwimmen.

Er sagte tatsächlich seine eigene Hochzeit ab – nur ein paar Stunden vor der Trauung.

An was Maya sich aber doch noch erinnerte, waren die Dinge, die Ethan zu ihr gesagt hatte, nachdem er nicht länger so tat, als würden ihn ihre Gefühle kümmern. Als er ihr endlich mitgeteilt hatte, dass er sich schon ziemlich lange keine Gedanken mehr um ihre Gemütsverfassung gemacht hatte – wenn er das dann überhaupt jemals getan hatte.

„Ich bitte dich, Maya“, hatte er in barschem Tonfall zu ihr gesagt, wobei sich seine Lippen zu einem spöttischen Grinsen kräuselten, sodass sie glaubte, einen vollkommen Fremden vor sich zu haben. Einen Fremden, der mit der besten Freundin seiner Verlobten schlief und seine eigene Hochzeit absagte. „Du magst Blümchensex, und das ist ja auch okay. Das ist dein gutes Recht. Aber letztlich will ich mich nicht an jemanden fesseln, der meine Bedürfnisse nicht befriedigen kann.“

„Deine Bedürfnisse?“ Maya war aufgesprungen. Sie hatten stundenlang darüber geredet, obwohl das Kind längst in den Brunnen gefallen war. Sie hatte ihm den Ring an den Kopf geworden – und sich damit so klischeehaft benommen, wie sie es niemals für möglich gehalten hätte.

Ihr Vater hatte in diesem Augenblick gerade die Nachricht in der Kirche verkündet, in der die Freunde, Familienmitglieder und – was besonders peinlich war – ihre Anwaltskollegen bereits Platz genommen hatten.

„Was soll das heißen, Ethan? Lorraine hat dir erzählt, sie würde es gern anal treiben? Sie steht auch auf deinen Fußfetisch, von dem sie bisher gar nichts wusste? Nein, lass mich raten – sie verkleidet sich als kleines Mädchen und nennt dich Daddy. Ist es das, was dich antörnt? Mir hast du doch erzählt, dass du auf erwachsene Frauen stehst und nicht auf ein alt gewordenes Kind, dessen Leben immer schon ein selbstgemachtes Desaster war und immer sein wird.“

„Ich verstehe dein infantiles Bedürfnis, es mir...