Julia Royal Band 1

Julia Royal Band 1

von: Susan Mallery, Marion Lennox, Lisa Kaye Laurel

CORA Verlag, 2020

ISBN: 9783751500036 , 448 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 5,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

Julia Royal Band 1


 

1. KAPITEL

„Es ist unsinnig, in einem Märchen zu leben, das einfach nicht der Wirklichkeit entspricht und auch niemals wahr wird.“

„Aber ich …“ Danielle Davis verstummte, als ihr bewusst wurde, dass die Lehrerin nicht sie gemeint hatte. Früher waren diese Worte an sie gerichtet worden. Heute jedoch nicht mehr. Danielle blickte sich im Klassenzimmer der Schulanfänger um und wandte sich wieder an die Lehrerin. „Sie sprechen von meiner Tochter, nicht wahr?“

„Natürlich spreche ich von Lisa“, entgegnete Mrs. Vittorini verwundert. „Weshalb sonst hätte ich Sie dringend herbestellt?“

Die Nachricht auf dem Anrufbeantworter im Büro hatte Danielle fast einen Herzinfarkt beschert – typische Reaktion einer Mutter. Sofort war sie zur Schule gefahren und hatte mit größter Erleichterung festgestellt, dass es nicht um gebrochene Knochen oder ansteckende Krankheiten ging. Leider bestellten Lehrer niemals Eltern wegen einer erfreulichen Angelegenheit zu sich.

„Vermutlich hat es mit Lisas Tick zu tun, eine Prinzessin zu sein“, bemerkte Danielle fragend.

„Allerdings, und ich fürchte, dass sie es zu weit getrieben hat.“

Das hatte Danielle schon vorhergesehen. Es gab für ihre sechsjährige Tochter nicht den geringsten Grund, sich für eine Prinzessin zu halten. Trotzdem war Lisa restlos davon überzeugt. Bereits ziemlich lange lebte die Kleine in dieser Rolle, ging völlig in ihren märchenhaften Fantasien auf und trug stets eine selbst gefertigte Krone oder ausgefallene Kleidung. Danielle war der Meinung, dass dieses Rollenspiel einen wichtigen Teil der Kindheit bildete. Daher hatte sie die Fantasie ihrer Tochter nicht gezügelt und bloß gehofft, die Phase würde bald enden.

„Vor Kurzem haben die Kinder sich bei Lisa nach ihrem Vater erkundigt“, fuhr die Lehrerin fort. „Wissen Sie, was Lisa geantwortet hat?“

Danielle schüttelte den Kopf und hielt den Atem an.

„Lisa sagte, sie hätte zwar keinen Vater, würde aber einen Prinzen bekommen.“

„Einen … Prinzen?“

Mrs. Vittorini nickte. „Im Bastelunterricht hat Lisa eine magische Lampe hergestellt. Die anderen Kinder haben zugesehen, während Lisa die Lampe rieb und den Prinzen beschwor, auf der Stelle zu erscheinen. Nun, ich habe die Kinder abgelenkt und ihnen andere Aufgaben zugeteilt. Aber einige haben doch über Lisa gelacht.“

Danielle tat ihre Tochter leid. Sie selbst hatte sich eine harte Schale zugelegt, um überleben zu können. Auf ihre empfindsame Tochter traf das leider nicht zu. Es tat weh, zu wissen, dass sie Lisa nicht pausenlos beschützen konnte.

„Vielen Dank, dass Sie sich um Lisa kümmern, Mrs. Vittorini.“

„Es geht noch weiter. Gestern hat sie sich an den Utensilien für den Kunstunterricht bedient und überall im Klassenzimmer glitzerndes Pulver verstreut. Das war angeblich Zauberstaub, und damit wollte sie ihren Prinzen erscheinen lassen.“

„Ach, du lieber Himmel! Das tut mir aufrichtig leid.“

Mrs. Vittorini winkte ab. „Bei uns herrscht öfters eine derartige Unordnung, das können Sie mir glauben. Lisa hat das meiste selbst wieder weggeputzt.“

„Sehr gut, und falls noch etwas passieren sollte …“

„Dieser Fall ist bereits eingetroffen.“

Danielle seufzte. „Und was …?“

„Heute Vormittag beim Spielen hat sie versucht, einen Prinzen aus Jason Greenwells Hut zu ziehen. Die anderen Kinder haben laut über sie gelacht.“ Besorgt schüttelte die Lehrerin den Kopf. „Bevor der Naturkundeunterricht für die gesamte Schule in der Sporthalle weiterging, hat Lisa lauthals verkündet, dass ihr Prinz auf jeden Fall noch heute auftauchen würde.“

„O nein“, murmelte Danielle.

„Leider ja. Deshalb habe ich Sie angerufen“, erklärte Mrs. Vittorini. „Ich weiß einfach nicht, was als Nächstes an die Reihe kommt. Abgesehen davon macht Lisa sich dermaßen große Hoffnungen, dass sie unvermeidlich auf eine bittere Enttäuschung zusteuert. Die Kinder werden bald zurückkommen, und ich dachte, Ihre Anwesenheit könnte …“

Laute Rufe und Gelächter aus der Sporthalle alarmierten die Lehrerin. Hastig stand Mrs. Vittorini auf und eilte mit Danielle aus dem Klassenzimmer und den Korridor entlang. Die Kinder waren außer Rand und Band.

Ein Blick in die Sporthalle reichte Danielle. Jetzt sah sie mit eigenen Augen, was diesen Aufruhr verursachte. Es war eine Katastrophe.

Die Kinder saßen auf langen Bänken. An der Stirnseite des Saals standen Käfige und Terrarien, und bei einem der Behälter stand Lisa. Auf dem Kopf trug sie eine Krone, in der Hand hielt sie einen Frosch, den sie mit einem strahlenden Lächeln küsste.

„Da ist kein Prinz!“, schrien einige Kinder.

„Wo bleibt der Prinz?“, schrien andere.

„Der kommt gleich!“, versicherte Lisa unbeirrbar, griff nach einem zweiten Frosch und küsste auch ihn.

„Da ist kein Prinz! Da ist kein Prinz!“

Das Gelächter und die Sprechchöre wurden immer lauter, doch Lisa griff nach einem dritten Frosch. „Gleich wird er hier sein!“

Danielle stand wie erstarrt da. Einerseits bewunderte sie die Zielstrebigkeit und den Mut ihrer Tochter. Andererseits sah Danielle mit Bangen der unvermeidlichen Blamage entgegen, die Lisa drohte, wenn sie den letzten Frosch küsste. Mrs. Vittorini eilte den anderen Lehrerinnen und Lehrern zu Hilfe, die vergeblich versuchten, die Ordnung wiederherzustellen.

Kuss.

„Da ist kein Prinz!“

„Der kommt gleich!“

Kuss.

„Da ist kein Prinz!“

„Der kommt gleich!“

Lisa griff nach dem letzten Frosch.

Kuss.

„Da ist kein Prinz!“, schrien die Kinder.

Danielle brach das Herz. Lisa stand vor der Menge, klein und allein, Frösche in den Händen und unfähig, auch nur einen Ton von sich zu geben. Schon tat Danielle den ersten Schritt, als eine tiefe Männerstimme das kreischende Gelächter übertönte.

„Doch, da ist ein Prinz!“

Tiefe Stille senkte sich über die Halle. Fassungslos blickte Danielle auf den Mann, der hinter einem hohen Terrarium auftauchte und zu Lisa trat. Mit ihm hätte Danielle niemals gerechnet, doch er war hier. Nach all den Jahren war er nach Land’s End zurückgekehrt. Bei seinem Anblick erstarrte sie und konnte nichts weiter tun, als ihn mit Blicken zu verschlingen.

In Jeans und Lederjacke wirkte er eher wie ein ungezügelter Rebell und nicht wie ein Märchenprinz. Trotzdem hätte jede Frau auf der Welt den so genannten Prinzen der Herzen sofort erkannt. Die Lehrerinnen im Saal bildeten offenbar keine Ausnahme, wie Danielle an ihren erstaunten Gesichtern ablas.

Mit ernster Miene verbeugte er sich vor Lisa. „Ich bin Prinz Nicolas d’Alderney.“

Danielle merkte, dass ihr Mund offen stand. Sie schloss ihn und versuchte, ihre aufgewühlten Gefühle in den Griff zu bekommen. Die Überraschung über das Wiedersehen mit Nicolas wurde rasch verdrängt, als der Prinz das strahlende Gesicht des kleinen Mädchens forschend betrachtete.

Und dann drehte Nicolas sich um, ließ den Blick über die Anwesenden gleiten und richtete ihn direkt auf Danielle. Sie sahen sich an, und nun blieb ihr tatsächlich das Herz für einen prickelnden Moment stehen. Es war fast so, als würden sie sich körperlich berühren. Um keinen Preis der Welt hätte sie diesen Kontakt unterbrechen können.

Nicolas tat es, indem er sich an Lisa wandte, die ihn verzückt betrachtete.

„Ich bin hier, wie du es gewünscht hast.“

Nicolas’ Vater herrschte über die kleine Kanalinsel Alderney. Seine Mutter war jedoch hier in Land’s End geboren worden und aufgewachsen, und Nicolas hatte seine Studienzeit in England verbracht. Trotzdem sprach er mit einem ganz leichten Akzent, der zusammen mit seiner tiefen Stimme erregende und verbotene Gedanken weckte.

Niemand konnte das besser beurteilen als Danielle, die als Erste einer langen Reihe von Frauen Nicolas’ männlichen Reizen erlegen war. Prinz war er durch Abstammung, und sein gutes Aussehen verdankte er den Genen seiner Eltern. Den Ruf als Prinz der Herzen hatte er jedoch ganz allein sich selbst zuzuschreiben.

Danielle rief sich energisch ins Gedächtnis, dass sie ihm zwar als Erste verfallen war, sich aber auch als Erste wieder von ihm gelöst hatte.

Vor Kurzem hatte sie ihn zum ersten Mal nach sieben Jahren bei der Hochzeit ihrer Freundin Julie mit seinem Bruder Prinz Eric gesehen. Zwischen den vielen Gästen war es Danielle ein Leichtes gewesen, sich von ihm fernzuhalten. Davor war sie Nicolas das letzte Mal in jenem Sommer nahe gewesen, in dem sie sich so heftig in ihn verliebt hatte, dass sie glaubte, nicht mehr ohne ihn leben zu können.

Jetzt erkannte sie deutlich, dass seine Anziehungskraft mit den Jahren noch gewachsen war. Die Medien übertrieben nicht, wenn sie ihn als einen ungewöhnlich attraktiven Mann beschrieben. Er war tatsächlich ein Traumprinz mit strahlend blauen Augen, schwarzem Haar und einer schlanken kräftigen Figur. Smoking oder Laufshorts – er sah immer hinreißend aus. Und dann dieses Lächeln! Davon schwärmten alle – und von nun an sicher auch ihre Tochter, die Nicolas fasziniert betrachtete und dabei mit einer Hand ihre Krone aus Goldpapier auf dem Kopf festhielt.

Ihre Tochter bedeutete Danielle alles, und sie war entschlossen, dieses Kind bis zu ihrem letzten Atemzug zu beschützen und zu verteidigen.

Lisa … Angst schnürte Danielle die Kehle zu. Nicolas durfte niemals die Wahrheit...