Sündige Stunden mit dem Wikinger

Sündige Stunden mit dem Wikinger

von: Michelle Willingham

CORA Verlag, 2020

ISBN: 9783733749491 , 256 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 3,49 EUR

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Sündige Stunden mit dem Wikinger


 

1. KAPITEL

Irland, im Jahr 875

Nichts ist schlimmer, als die Ehefrau deines besten Freundes zu lieben, dachte Ragnar.

Er packte die Ruder fester und zog sie kraftvoll durch die Wellen. Er hätte nicht mit den beiden nach Éire kommen dürfen. Aber als Styr ihn gefragt hatte, musste er wohl einen schwachen Moment gehabt haben und hatte zugesagt. Obwohl er seine Besessenheit von Elena so tief wie möglich in sich vergrub, war doch der Gedanke daran, für immer durch viele Hundert Meilen von ihr getrennt zu sein, schlimmer als der, sie tagtäglich mit ihrem Ehemann zu sehen.

Nie hatte er einem von ihnen seine Gefühle gestanden. Darum wusste niemand, welche Qualen er empfand, wenn er Styr zusammen mit der Frau, die er liebte, in dessen Hütte verschwinden sah.

Dennoch konnte er sich einfach nicht dazu durchringen, sich von ihr fernzuhalten.

Während Ragnar ruderte, behielt er Elena stets im Blick. Ihr blondes Haar war von roten Strähnen durchzogen, wie Flammen auf goldenem Grund. Sie war schön wie eine Göttin – die er von ferne verehrte.

Sie betrachtete ihn als einen Freund, aber mehr nicht. Das war nicht überraschend. Eine Frau wie Elena verdiente einen starken Ehemann, einen hochgeborenen Krieger. Schon vor vielen Jahren war ihre Ehe mit Styr beschlossen worden, und Ragnar gehörte nicht zu den Männern, die einem Freund die Frau stehlen. Schon gar nicht dem besten Freund.

Elena hatte ihre Wahl getroffen, und Styr schien alles zu tun, um sie glücklich zu machen. Deshalb hatte Ragnar sich nie eingemischt.

Im Laufe der Jahre hatte er versucht, eine andere Frau für sich zu finden. Er war ein starker Krieger, und so manche junge Schönheit hatte schon ein Auge auf ihn geworfen. Aber keine von ihnen hätte sich je mit Elena messen können. Vielleicht würde das auch nie einer gelingen.

Nachdenklich betrachtete er sie, wie sie auf die grauen Wellen hinausstarrte. Etwas hatte sich in letzter Zeit verändert. Sie und Styr sprachen kaum noch miteinander. Ihre Kinderlosigkeit nagte an ihr, ließ sie in Kummer versinken. Ihr Gesicht war ungewöhnlich blass. Doch nichts, was er ihr hätte sagen können, würde ihr gebrochenes Herz heilen.

Das Drachenboot näherte sich dem Ufer. Hier war das Wasser flacher, als sie erwartet hatten.

„Wir gehen hier an Land“, bestimmte Styr. Er warf den anderen einen Blick zu und kam dann zu Ragnar. Einen Moment lang stand er nur da und sah auf die Küste hinaus. „Bleibst du hier bei Elena?“, fragte er dann. „Ich will nicht, dass sie in einen Kampf gerät, sollte es Ärger geben.“

„Ich werde auf sie achtgeben“, versprach Ragnar. Sein Schwert würde er im Blut eines jeden Feindes baden, der es wagte, Elena zu nahe zu kommen. Obwohl sie nicht zu ihm gehörte, stand sie unter seinem Schutz, und er würde sein Leben für sie geben.

Styr legte ihm eine Hand auf die Schulter und seufzte schwer. „Ich bin froh, dass du bei uns bist“, gab er zu. „Eine solche Reise kann man nur mit der Hilfe guter Freunde überstehen.“

„Keiner der Männer hat in den letzten drei Tagen ein Auge zugetan“, stimmte Ragnar zu. „Wir können alle eine gute Mahlzeit und etwas Ruhe gebrauchen.“ Ihr Schiff war in einen Sturm geraten und von den Wellen hin und her geworfen worden, als wollten die Götter ein Opfer fordern. Sie alle hatten gegen die harten Winde gekämpft und dem Unwetter getrotzt. Der Sieg über die Elemente hatte sie ihren Schlaf gekostet. Sein Körper und Geist waren so erschöpft, dass Ragnar kaum einen anderen Gedanken fassen konnte als den, an Land zu gehen und auf dem Sand zusammenzubrechen.

„Zu schade, dass du keine Frau hast, die dir das Bett wärmt“, stellte Styr achselzuckend fest.

Ragnar bedachte ihn mit einem spöttischen Blick. „Ich habe gehört, es soll in Éire hübsche Mädchen geben. Wer weiß, vielleicht finde ich ja eins.“

In den letzten Jahren hatte er ein paar Frauen gehabt, aber keine hatte einem Vergleich mit Elena standhalten können. So sehr er es auch versuchte, Elena aus seinen Gedanken zu verbannen, war er doch so manche Nacht schweißgebadet aufgewacht, hart und erregt von den Bildern, die er im Traum gesehen hatte, von der Frau, die er liebte.

Bei Thor, er musste aufhören, daran zu denken. Elena gehört zu Styr, und ich brauche mir nicht die geringste Hoffnung zu machen, dass sich das je ändern wird, rief Ragnar sich zur Ordnung. Wenn sie erst einmal das Kind ihres Ehemanns trug, würde sie mit ihm glücklich werden.

Er packte sein Schwert und griff nach dem Schild.

Styr nahm seinen eigenen Schild zur Hand. „Wirklich, ich bin froh, dass du da bist. Wir können gute Kämpfer gebrauchen.“ Er unterstrich die Worte, indem er ihm leicht in den Oberarm boxte.

Zur Antwort ergriff Ragnar seinen Freund am Handgelenk und hielt es fest. „Ich habe dich ein oder zwei Mal besiegt.“

„Nur weil ich es zugelassen habe.“ Aber das Lächeln, das Styr ihm schenkte, war finster. Ragnar empfand für ihn wie für einen Bruder. Damals hatte er ihm das Kämpfen beigebracht, da sein eigener Vater sich nicht die Zeit dafür genommen hatte. Heimlich hatten sie zusammen geübt, bis Ragnar das Schwert ebenso gut schwingen konnte wie Styr. Tatsächlich sogar etwas besser, auch wenn Styr das niemals zugeben würde.

Leise sagte Ragnar: „Ich werde dir immer den Rücken freihalten.“

Und das würde er auch. Trotz seiner verräterischen Gefühle würde er seinen besten Freund niemals hintergehen.

Nachdem sie vor Anker gegangen waren, wateten die Männer durch das hüfthohe Wasser. Elena blieb auf dem Boot, wirkte unsicher, ob sie ihnen folgen sollte.

„Am besten bleibst du noch ein wenig an Bord“, sagte Ragnar, der bei ihr geblieben war. „Wir sehen nach, ob es sicher ist.“

Sie schien besorgt, schüttelte aber den Kopf. „Nein, ich möchte mitkommen. Wenn die Bewohner des nächsten Dorfes mich sehen, denken sie vielleicht nicht, dass wir sie angreifen wollen.“

Das war ein gutes Argument, denn Angreifer hätten wohl kaum eine Frau bei sich. Trotzdem war Ragnar entschlossen, sie hinter den anderen zu halten.

Er half ihr vom Schiff, wobei er darauf achtete, ihren schlanken Leib nicht zu lange zu berühren. Sie trug ein cremefarbenes Gewand unter einem rosafarbenen Oberkleid, das an den Schultern von goldenen Broschen zusammengehalten wurde. Ihr Haar wehte im Wind. Als sie den Fuß in das eiskalte Wasser setzte, zuckte sie zusammen.

„Wir werden so schnell wie möglich ein Feuer entfachen“, versprach Ragnar, als sie den Strand erreichten. „Warte hier, bis wir uns umgesehen haben. Wenn Gefahr droht, geh aufs Schiff.“

Elena nickte widerwillig.

Er begab sich zu Styr und den anderen Männern, die sich dem Dorf genähert hatten, sie alle betrachteten die strohgedeckten Hütten. Aufgrund der unnatürlichen Stille erschauerte Ragnar unwillkürlich. Die Härchen in seinem Nacken richteten sich auf. Nur der Geruch von Feuern lag noch in der Luft, und als sie das Dorf betraten, entdeckten sie Anzeichen dafür, dass die Anwohner hastig die Flucht ergriffen hatte. Suppe brodelte in einem Topf über dem Feuer. Dampf stieg in die kalte Luft auf – aber niemand stand davor und rührte um. Ein Umhang lag auf dem Boden, als hätte derjenige, der es verloren hatte, nicht einmal stehen bleiben wollen, um ihn aufzusammeln.

Plötzlich verschwamm ihm alles vor den Augen, und Ragnar taumelte. Der Schlafmangel und die Anstrengung während des Sturms forderten nun ihren Tribut. So gut er konnte, kämpfte er gegen den Schwindel an.

Irgendetwas stimmte mit dieser Siedlung nicht. Nirgends waren Menschen oder Tiere zu sehen. Mit jedem Schritt verdichtete sich der Nebel in seinem Kopf. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, der Boden unter ihm schien zu schwanken. Ragnar blieb für einen Moment stehen, um sich zu sammeln und tief durchzuatmen. Er durfte sich nicht von der Erschöpfung überwältigen lassen.

Als er aus den Augenwinkeln eine Bewegung sah, drehte er sich um und erblickte Elena, die ihm gefolgt war. „Du solltest zurück auf das Schiff gehen. Bleib dort, bis wir wissen, was los ist.“ Falls die Iren ihre Absichten falsch deuteten und angriffen, wollte er sie in Sicherheit wissen.

Doch Elena schüttelte den Kopf. „Wenn ich dort allein bleibe, bin ich ungeschützt.“ Ragnar wollte widersprechen, aber sie beharrte: „Ich gehe nicht aufs Boot. Ich brauche festen Boden unter den Füßen.“

Ragnar gab nach. „Dann halte dich hinter mir.“ Bevor sie einen weiteren Schritt machten, betrachtete er sie. Ihre meergrünen Augen hielten ihn gefangen, ihre zarte milchweiße Haut lockte ihn, sie zu berühren. So viele Nächte hatte er davon geträumt, mit den Fingern durch ihr flammendes Haar zu fahren, ihre weichen Lippen mit einem Kuss in Besitz zu nehmen.

„Stimmt etwas nicht?“ Sie errötete unter seinem Blick, als könnte sie seine Gedanken erraten.

Er zwang sich, nach vorn zu schauen. „Nein, alles in Ordnung.“ Aufmerksam suchte Ragnar die Umgebung nach Bewegungen ab. In einiger Entfernung sah er zwischen den Hütten einen Schatten huschen. Die Stille zerrte an ihm; ihm war, als ob ein noch unbekannter Angreifer auf sie lauerte.

Das Schwert in der einen Hand, den Schild in der anderen, ging Ragnar ein paar Schritte in Richtung der Schatten, die er gesehen hatte. Mehr denn je war er davon überzeugt, dass Elena besser auf dem Schiff geblieben wäre. Stattdessen stand sie hinter ihm, die Hände gefaltet.

„Geh zurück zum Strand“, ermahnte er sie....