Ungeahnt berührt

von: Jessica Martin

Cursed Verlag, 2019

ISBN: 9783958237773 , 356 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 6,99 EUR

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Ungeahnt berührt


 

 

Kapitel 2


 

Ian

 

Er hatte es sich gerade mit einem Glas Wein und einer Reiswaffel auf der Couch gemütlich gemacht, als es an der Tür klingelte. Es war schon nach neun an einem Dienstagabend, daher blickte er irritiert von seinem Buch auf. Erneut klingelte es und diesmal schien der Störenfried den Finger auf dem Knopf geparkt zu haben. Genervt warf Ian die Decke zur Seite und eilte in den Flur.

»Ja?«, brüllte er in den Hörer der Gegensprechanlage.

Das Klingeln verstummte. »Ich bin's.«

Als er die Stimme seines besten Freundes hörte, drückte er auf den Türöffner und zog die Wohnungstür auf.

»Hey, waren wir verabredet?«, fragte er Boris überrascht, als dieser die Treppe heraufkam.

»Nein.«

»Ist was passiert?« Irritiert über den ernsten Gesichtsausdruck und die fehlende Begrüßung trat Ian beiseite und gab so den Weg in seine Wohnung frei. »Boris?«

Der stieg gerade aus seinen Sneakers und deutete Richtung Wohnzimmer. »Wir müssen über etwas reden.«

»O-okay.« Mit einem mulmigen Gefühl folgte Ian ihm zum Tisch. »Willst du was trinken?«

»Nein, danke.« Boris saß bereits im Sessel und hatte seinen Laptop herausgeholt, den er auf den Tisch stellte und einschaltete.

Boris' ernste Miene war immer noch irritierend, aber es lag auch Entschlossenheit darin. Nervös setzte Ian sich aufs Sofa. »Na gut. Dann schieß mal los. Was gibt es denn so Dringendes?«

Boris antwortete nicht, tippte offenbar ein Passwort ein und sah dann auf. Sein Blick wirkte durchdringend und machte Ian noch nervöser.

Doch plötzlich wurde sein Ausdruck milder und er lächelte beinahe. Aber nur beinahe, daher ahnte Ian schon, dass ihm das folgende Gespräch nicht gefallen würde.

»Ich könnte eine Weile um den heißen Brei herumreden und dir unangenehme Fragen zu deinem letzten Date stellen, die du nicht beantworten willst, daher mache ich es kurz: Ich habe ein Foto von dir im Internet gefunden und wir müssen darüber reden.«

Perplex blinzelte Ian. »Woher weißt du, dass ich ein Date hatte?« Unweigerlich schoss ihm Hitze in die Wangen und er konnte Boris' Blick nicht mehr standhalten, sondern konzentrierte sich stattdessen auf den schwarzen Fernsehbildschirm.

»Durch das Foto«, antwortete Boris sanft und Ian sah zu ihm zurück.

»Was für ein Foto?« Er konnte sich nicht daran erinnern, dass Oliver ihn fotografiert hatte. Wenn er genauer darüber nachdachte, war es sowieso eher unwahrscheinlich, dass Boris wusste, mit wem er sich getroffen hatte und vor allem, wofür, schließlich hatte er sich über ein geschlossenes Forum mit dem Dom verabredet. Ganz bestimmt verwechselte Boris ihn mit irgendjemandem und es war nur Zufall, dass er das Date angesprochen hatte.

Ians Blick fiel auf den Laptop, der mittlerweile hochgefahren war und den Boris kommentarlos zu ihm herumdrehte. Er schnappte nach Luft. Sein Magen zog sich zusammen und er hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Oh, Scheiße.

»Wie? Wieso? Wo hast du das gefunden?«, brachte er stotternd hervor, während ihm kalter Schweiß ausbrach und er auf die furchtbar unvorteilhafte Nacktaufnahme von sich starrte. Wie in Trance sah er sich den Rest der Internetseite an und nun wurde ihm beinahe schwindelig. »Woher weißt du davon?«

Boris seufzte und stützte die Unterarme auf den Knien ab. »Ich habe das Bild zufällig gefunden, als ich mich vorhin eingeloggt und die neuen Threads durchgeguckt habe.«

Ian verstand nur Bahnhof. »Wieso hast du dich da eingeloggt?«

»Um zu sehen, ob jemand online ist, der am Wochenende Lust auf ein Spiel hat.«

»Was?!« Ian spürte, wie seine Augen immer größer wurden und seine Kinnlade herunterklappte.

Boris schüttelte seufzend den Kopf. »Ehrlich, Ian, wie konntest du so unvorsichtig sein und dich von einem wildfremden Typen fotografieren lassen?«

Ian blinzelte. »Ich wusste das nicht«, brachte er hervor und sah wieder zum Bildschirm zurück. »Das hätte ich nie erlaubt. Guck dir das Bild doch mal an. Ich sehe furchtbar aus.« Oh Gott, was redete er da? »Nein, guck es dir nicht an.«

»Ich habe es mir schon angesehen. Ich musste ja sichergehen, dass du es wirklich bist.«

Zutiefst beschämt vergrub Ian das Gesicht in seinen Händen. Das Polster senkte sich neben ihm und ein warmer, starker Arm legte sich um seine Schultern, bevor er an Boris' Brust gezogen wurde.

»Wir sollten diesen Oli1985 melden.«

Ian nickte sofort, schaffte es aber einfach nicht, den Kopf zu heben. Das war allerdings auch nicht nötig. Noch immer den Arm um ihn gelegt, beugte sich Boris vor und Ian hörte ihn tippen.

»Ich weiß nicht, ob die Admins das Foto löschen können, aber selbst wenn, hat er die Datei ja noch auf seinem Computer oder Handy, daher sollten wir sicherheitshalber einen Anwalt einschalten.«

Ian seufzte, während er Halt bei seinem besten Freund suchte. »Okay. Aber ich kenne nur seinen Vornamen.«

Boris atmete tief durch. »Weiß er persönliche Sachen von dir? Wo du wohnst oder arbeitest? Ihr habt euch nicht hier getroffen, das konnte ich erkennen, aber hat er dich vielleicht nach Hause gebracht?«

»Nein, ich hab mich nur als Ian vorgestellt. Wir haben uns in einem Hotel getroffen und ich bin hinterher allein nach Hause gegangen. Er hat noch geschlafen.«

»Okay. Hat er noch irgendwas gemacht, was du nicht wolltest?«

»Nein«, sagte Ian leise und löste sich von Boris, denn die ganze Situation war ihm immer noch mehr als peinlich. Er atmete tief durch und sah auf. Boris strahlte eine erstaunliche Ruhe aus und Ian konnte die Entschlossenheit spüren, mit der Boris versuchte, der Lage Herr zu werden. Sein Blick glitt über das ernste und gleichzeitig verständnisvolle Gesicht seines besten Freundes und plötzlich war es, als würde er ihn zum allerersten Mal sehen.

»Du bist ein Dom«, flüsterte er perplex, woraufhin Boris nickte.

»Bin ich. Und wir beide müssen uns mal ernsthaft darüber unterhalten, welche Sicherheitsregeln beim Spielen mit Fremden gelten. Ich will nicht noch mal erleben, dass du dich heimlich mit irgendwem verabredest, ohne dass ich weiß, wo du bist.«

»Wie bitte?«

»Das ist mein Ernst. Bei diesem Forum kann sich jeder anmelden, ob er nun tatsächlich an Spielpartnern interessiert ist oder nur ein leichtes Opfer für seine perversen Fantasien sucht.«

Blinzelnd schüttelte Ian den Kopf. »Du willst, dass ich dir Bescheid sage, wann ich mich mit jemandem zum Sex verabrede?«, fragte er und war kurz davor, laut loszulachen, denn das konnte doch nur ein schlechter Scherz sein. Boris war schließlich nicht sein Aufpasser.

Sein bester Freund nickte jedoch. »Richtig. Ich will wissen, wo du bist und wir werden ausmachen, dass du mich zu bestimmten Zeiten anrufst, zumindest, wenn du zum ersten Mal mit jemandem spielst.«

Ian erwachte aus seiner Starre und sprang vom Sofa. »Spinnst du? Ich werde dir doch nicht Bericht erstatten, wann ich mit wem Sex habe oder wie es gerade so läuft.«

»Doch, wirst du.«

»Das werde ich nicht!«, brüllte er, als sich Verzweiflung, Scham und Verärgerung Bahn brachen. »Für wen hältst du dich?«

»Für deinen besten Freund.« Boris seufzte. »Ich weiß, dass dir das gerade unangenehm ist, aber –«

»Unangenehm ist gar kein Ausdruck. Hast du mir etwa nachspioniert?«, fragte er aufgebracht.

»Das ist Unsinn und das weißt du auch. Wenn ich gewusst hätte, was du vorhast, hätte ich dich davon abgehalten.«

Ian schüttelte den Kopf. »Und wie bitte schön? Wärst du mitgekommen und hättest Wache gestanden oder was?«

»Nein, aber offenbar bist du da blindlings reingestolpert und hast so ziemlich jede Sicherheitsmaßnahme missachtet«, wiederholte Boris geduldig und Ian kniff die Augen zusammen. »Wie lange spielst du überhaupt schon in der Szene?«

»Das geht dich gar nichts an!«

Offenbar um Geduld bemüht, atmete Boris tief durch. »Ich will dich hier nicht bloßstellen, Ian. Ich mache mir Sorgen um dich. Das Foto zeigt klar, dass du noch nicht viel Erfahrung als Sub hast, was völlig okay ist. Jeder hat irgendwann mal angefangen. Aber du kannst mir nicht sagen, dass es dich kaltlässt, was da passiert ist. Ich weiß, dass es nicht so ist.«

»Das Foto hätte jedem passieren können. Augenbinden gehören zum Spielen nun mal dazu«, entgegnete er trotzig, um die Panik, die gerade in ihm tobte, nicht die Oberhand gewinnen zu lassen.

»Das stimmt, aber darauf wollte ich nicht hinaus. Ich sehe dir an, dass du untrainiert bist.«

Ian warf verzweifelt die Hände in die Luft und stöhnte Richtung Zimmerdecke. »Jeder sieht mir aus hundert Metern Entfernung an, dass ich untrainiert bin. Dazu muss ich nicht nackt sein.«

Lächelnd schüttelte Boris den Kopf. »Ich rede nicht von Unsportlichkeit, sondern von deiner Körperhaltung.« Er deutete auf das noch immer präsente Foto. »Du kauerst regelrecht auf dem Teppich. Auch wenn es dich offensichtlich erregt hat, sehe ich, dass du dich unwohl gefühlt hast. Dein Rücken ist krumm, deine Knie zu weit zusammen und von deinen Armen reden wir besser gar nicht erst. Ich bin mir sicher, dass dir noch kein Dom gezeigt hat, wie man sich präsentiert. Oder war der da nur besonders unfähig, dich trotz deiner Komplexe dazu zu bringen?«

Etwas in Boris' Stimme hatte sich geändert. Sein Tonfall war schärfer geworden, ernster und Ian musste unweigerlich schlucken, während seine Wangen feuerheiß wurden. »Ich...«

»Antworte mir, Florian. Seit wann bist du ein...