Julia Exklusiv Band 315

von: Lindsay Armstrong, Jacqueline Baird, Jayne Bauling

CORA Verlag, 2019

ISBN: 9783733713270 , 384 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 5,49 EUR

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Mehr zum Inhalt

Julia Exklusiv Band 315


 

PROLOG

Eines Tages teilte Rhianna Fairfax sich mit einem umwerfenden Mann ein Taxi. Zu dieser Zeit war sie gerade einundzwanzig Jahre alt.

Es geschah während eines für Sydney so typischen Unwetters. Und jene Fahrt sollte Rhianna nie mehr vergessen …

Mitten in der Stadt hatten die beiden sich im strömenden Regen auf einem Gehweg gegenübergestanden. Der Mann hielt einen Schirm in der Hand, während sie in einen dünnen hellgelben Plastikregenmantel gehüllt war. Eigentlich war der Fremde zuerst da gewesen. Als das Taxi, das er herbeigewinkt hatte, aber am Bordstein hielt, kam Rhianna fast gleichzeitig angerannt. Kurz entschlossen wischte sie sich die Tropfen aus dem Gesicht und fragte den Mann über das Tosen des Regens hinweg, ob sie es sich teilen könnten. Eindrucksvoll schilderte sie ihm, wie sie andernfalls fortgeschwemmt werden würde, und erklärte ihm, dass sie es sehr eilig hatte und spät dran war. Und es gelang ihr tatsächlich, ihn zu überzeugen. Der Unbekannte war einverstanden und klappte seinen Schirm zusammen, damit sie einsteigen konnten. Nass, wie sie waren, kletterten sie auf die Rückbank – missmutig beäugt vom Taxifahrer, der Angst um seine Sitze hatte.

„Puh!“ Rhianna schob die Regenhaube zurück, sodass ihre dunkelblaue Baskenmütze zum Vorschein kam, unter der sie ihr langes Haar verborgen hatte. Für gewöhnlich trug sie die Mütze nicht so tief ins Gesicht gezogen, doch ihr war kalt, und außerdem hatte sie nur so die Kapuze ihres Regenmantels überziehen können. „Was für ein Tag!“

Prüfend musterte ihr Begleiter sie. „Sie sind für das Wetter wenigstens richtig angezogen.“

Rhianna zupfte sich die Mütze zurecht und verzog verlegen das Gesicht. „Im Moment liegt mir nur daran, warm und trocken zu bleiben. Also? Wohin fahren Sie?“

Er sagte es ihr. Nachdem sie sich mit dem Fahrer besprochen hatten, entschieden sie, dass der Fremde als Erster abgesetzt werden sollte.

Rhianna lehnte sich zurück, während die Scheibenwischer auf Hochtouren arbeiteten. Das Taxi fädelte sich in den Verkehr auf der regennassen grauen Straße ein. Zum ersten Mal sah Rhianna sich ihren Begleiter genauer an.

Augenblicklich erwachte ihr Interesse. Er war groß und dunkelhaarig und sah unverschämt gut aus. Das dichte dunkle Haar, die tiefblauen Augen und das markante Gesicht – er hatte etwas Raubtierhaftes an sich. Unter dem Jackett des elegant geschnittenen anthrazitfarbenen Anzugs, der völlig durchnässt war, zeichneten sich seine breiten Schultern ab.

Auf Anfang dreißig schätzte sie ihn. Beinahe wirkte er etwas arrogant – ein Mann, der offenbar im Geschäftsleben Macht ausübte. Gleichzeitig sah er so aus, als wäre er auch in anderen Dingen teuflisch gut …

Unwillkürlich dachte Rhianna darüber nach, welche Dinge das sein mochten, und ein Schauer überlief sie.

Mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass der Fremde sie ebenfalls anblickte.

„Verzeihung.“ Sie lächelte entschuldigend. „Aber Sie dürften es gewohnt sein, angesehen zu werden.“

Er lächelte leicht. „Das Gleiche könnte ich zu Ihnen sagen – obwohl man im Moment nicht viel von Ihnen sieht.“ Er ließ den Blick über ihren bauschigen Regenmantel schweifen, der ihr im Sitzen fast bis zu den Füßen reichte.

Rhianna hätte selbst nicht sagen können, warum sie so einen Drang verspürte, mit einem völlig Fremden zu plaudern. Aber das mochte daran liegen, dass ihr Leben vor einer halben Stunde eine unerwartete positive Wendung genommen hatte. „Sicher sind Sie bei den Damen sehr gefragt?“

Ihr Begleiter lehnte sich zurück. Verstohlen betrachtete Rhianna ihn und schluckte. „Das kann ich im Moment wirklich nicht behaupten. Ich habe den Damen abgeschworen … möglicherweise für sehr lange Zeit.“

„Tatsächlich? Schade!“ Versonnen sah Rhianna ihn an. „Ist das Ihr Ernst?“

Der Unbekannte presste kurz die Lippen zusammen, dann zuckte er die Schultern und antwortete mit einer Gegenfrage: „Und wie steht’s mit Ihnen?“

„Ich?“ Unbehaglich senkte sie den Blick und strich sich den gelben Regenmantel glatt. „Ich habe von den Männern für den Rest meines Lebens genug.“

Er musterte sie. „Wieso das?“

„Das wird Sie kaum interessieren.“ Sie wollte sich nicht aus der Reserve locken lassen. „Worüber sprachen wir vorher?“

Nun blickte er in ihre leuchtenden braunen Augen. „Ich wollte Ihr Kompliment nett erwidern.“

„Tja, ich glaube kaum, dass ich – was Schönheit betrifft – auf einer Punkteskala von eins bis zehn unbedingt mit der Höchstzahl abschneiden würde“, erwiderte Rhianna. „Aber ich habe auch meine Vorzüge. Meine Figur ist zum Beispiel nicht übel. Und unter dem Ding hier“, sie deutete auf ihre Mütze, „bin ich naturblond, falls Sie auf so etwas stehen. Aber auf eines bin ich wirklich stolz – auch wenn es unmoralisch ist: meine Beine.“

Der Fremde zog die Augenbrauen hoch. „Wieso unmoralisch?“

„Beine sind nur Äußerlichkeiten. Was zählt, sind die inneren Werte.“

„Lassen Sie mich raten“, sagte er schmunzelnd. „Hat man Ihnen das in der Klosterschule beigebracht?“

Rhianna lachte auf. „In meinem letzten Jahr auf der Klosterschule war Mutter Oberin davon überzeugt, meine Beine würden mich direkt an den Abgrund bringen – und noch einen Schritt weiter. Auf der nächsten Schule herrschte dann eine komplett andere Meinung. Dort glaubte man, dass meine Beine mein Kapital wären.“

„Der nächsten Schule?“

„Ich bin auf ziemlich viele Schulen gegangen“, entgegnete sie schnell.

„Wenn Sie mir Ihre Beine zeigen würden, könnte ich diese Meinungsverschiedenheit beenden.“ Der Fremde machte eine ernste Miene, doch seine tiefblauen Augen funkelten vergnügt. „Dann könnte ich Ihnen sagen, ob es unmoralisch ist, stolz auf sie zu sein, oder nicht.“

„Also, ich finde, wir sollten den Fahrer nicht länger in Verlegenheit bringen“, wehrte Rhianna ab.

Inzwischen hatten sie die Innenstadt verlassen und fuhren eine noble Allee in Woollahra entlang, die vollkommen überflutet war. Der Fremde hatte diese Adresse als Ziel angegeben.

Dass der Taxifahrer nicht auf Rhiannas Bemerkung reagierte, lag daran, dass er in diesem Moment durch eine tiefe Wasserlache fuhr. Und obwohl er sich konzentrierte und das Steuer fest umklammert hielt, kam er auf der überschwemmten Fahrbahn ins Schlingern.

Dann ging alles ganz schnell.

Plötzlich verlor der Fahrer die Kontrolle über den Wagen. Das Taxi geriet auf den Gehweg, knallte gegen einen Baum und prallte daran ab. Mit einem Krachen durchbrach der Wagen einen Zaun und kam schließlich beängstigend nah an einer Felskante zum Stehen. Eines der Vorderräder hing in der Luft – und unterhalb des Taxis klaffte ein gähnender Abgrund …

In den nächsten Minuten herrschte das totale Chaos. Rhianna und der Fremde waren unverletzt, doch der Taxifahrer hatte bei dem Aufprall das Bewusstsein verloren. Wie lange der Wagen so nah am Abgrund noch im Gleichgewicht bleiben würde, wusste niemand. Sicher war, dass sie das Fahrzeug so schnell wie möglich verlassen mussten.

Vorsichtig kletterten Rhianna und ihr Begleiter aus dem Taxi in den Regen hinaus. Per Handy forderten sie Hilfe an und versuchten dann gemeinsam, den Fahrer aus dem Auto zu ziehen.

Es war alles andere als leicht. Durch den Aufprall hatte die Fahrertür sich verzogen. Und wenn Rhiannas Begleiter nicht so kräftig gewesen wäre und so schnell und einfallsreich reagiert hätte, wäre das Taxi ganz sicher mitsamt dem Fahrer den Felshang hinuntergestürzt.

Rhianna und der Fremde betteten den bewusstlosen Mann im Gras auf eine wasserdichte Plane, die sie im Kofferraum gefunden hatten. Atemlos schlüpfte Rhianna aus ihrem Regenmantel und deckte den Fahrer damit zu.

Inzwischen waren sie bis auf die Haut durchnässt, völlig verschmutzt und zerkratzt.

Unversehens rollte das Taxi den Felshang hinunter und grub sich mit der Kühlerhaube in die Rasenfläche, die sich am Fuße des Abhangs erstreckte.

„Gott sei Dank, dass wir ihn rausholen konnten!“, stieß Rhianna geschockt hervor. Sie starrte auf das zerstörte Taxi. Dann sah sie den Fremden an. „Ist bei Ihnen alles in Ordnung?“ Ihr Blick fiel auf seine blutende Hand. „Sie haben sich verletzt. Und Ihr Jackett dürfte nicht mehr zu retten sein.“

„Mir geht es gut.“

In dem Moment ertönte Sirenengeheul, und die beiden drehten sich um. Ein Polizeiauto und ein Krankenwagen kamen die Straße entlang.

Wenig später konnte der Notarzt sie beruhigen: Der Taxifahrer war nicht ernstlich verletzt.

Die Polizisten baten Rhianna und den Fremden, ihnen den Unfallhergang zu schildern.

Die Beamtin, mit der Rhianna sprechen sollte, bot ihr an, das Protokoll im trockenen und warmen Polizeiwagen aufzunehmen. Dankbar nahm Rhianna den Vorschlag an.

Nachdem kurz darauf endlich alle Formalitäten erledigt waren, warf Rhianna einen Blick auf die Uhr. Erschrocken stellte sie fest, wie spät sie dran war. Sie erklärte der Beamtin ihre Situation und bat sie, ihr ein anderes Taxi zu rufen.

Und wenige Augenblicke später kam ein Wagen – ein Wunder an einem Tag wie diesem. Möglicherweise hatte die Tatsache, dass die Polizei es bestellt hatte, die Angelegenheit beschleunigt.

Rhianna stieg aus dem Polizeiauto. Der Fremde, dessen Aussage der zweite Beamte aufgenommen hatte, wandte sich ihr zu.

„Möchten Sie...