Sonnenberg

von: Georg Döring

Librorium Editions, 2019

ISBN: 9783966614672 , 466 Seiten

Format: ePUB

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Preis: 1,99 EUR

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Sonnenberg


 

Erster Band.


1.


Ich Jüngling will mich machen auf
Und gehn durch die bunte Welt dahin.
Es bringt der mannichfalt’ge Lauf
Mir wundersame Bilder in Sinn.

L. Tieck.

An einem heitern Septembermorgen des Jahres 1297 fand sich auf dem Samstagsberge in der edeln Reichs- und Handelsstadt Frankfurt am Main ein junger Mann ein, dessen anmuthige Gesichtsbildung, schlanke Gestalt und zierliches Betragen die aufmerksamen Blicke der zahlreichen Verkäuferinnen und selbst manches sonst ernsthaften Handelsherrn in den hier errichteten Meßläden auf sich zogen.

»Schau den schmucken Bub’!« rief eine blonde Augsburgerin, die hinter ihrem Tischlein mit goldenen Ketten, Spangen und anderm Geschmeide gar keck und freundlich herüber sah, ihrer Nachbarin, einer rothbäckigen Pfefferkuchen-Händlerin aus Nürnberg, zu. »Schau, wie die schwarzen blitzenden Aeuglein herumfahren, als wollten sie jeden durchblicken bis in’s Herz! Schau, wie artig ihm das goldgestickte Sammtbarett über dem schwarzen Kraushaar läßt, das sich in vollen Locken darunter hervordrängt, und wie das zart gebogene Adlernäschen gleichsam majestätisch aus den frischen Wangen hervortritt!«

»Ach, hätte ich die goldenen Knöpfe am Seidenwamms und die silbernen Spornen!« entgegnete mit einem Seufzer die Nachbarin. »Die Schwungfeder auf dem Barett mag auch wohl ihren Gulden werth sein und den könnte ich brauchen in dieser schweren Zeit.«

»Pfui, schäme Dich, Rösel!« versetzte eifrig das Augsburger Mädchen. »Willst Du Dich denn immer so niedrig und gemein halten, daß Du nie den Namen des Pfeffer-Rösel verlieren wirst? Wo könnten diese güldnen Knöpflein von sauberer venetianischer Arbeit besser hinpassen, als auf dieses knapp anliegende Wamms von wallonischer Seide, das den zierlichsten Junker umschließt? Wer wäre würdiger die silbernen Spornen zu tragen, als der herzige Junge, der gewiß so fest im Steigbügel sitzt, wie sich leicht im Tanzsaale herumschwingt? Und nun gar die hohe Reiherfeder! die gehört so ganz und gar auf das kühn erhobene Haupt, daß ich’s Dir nicht verzeihen kann, ein Gelüst darnach geäußert zu haben.«

»Per Dio, Du sprechen recht!« schrie ein gegenüber befindlicher welscher Krämer, der neben allerlei geheimnißvollen Mitteln zum Festmachen gegen Hieb und Stich auch künstliche Wasser zur Färbung des Barthaares feil hielt. »Der Signor gleichen dem Ercole und Hettore aus der antiken Zeit; nur sein es ewig schade, daß er den Bart nicht tragen, wie einem stattlichen Cavaliere gebührt. Pfui, die garstig schwarz Bart! Müßten sein grün, wie sie tragen König Philippus, die Majestät von Frankreich.«

Das Mädchen hinter dem Goldtische verzog das liebliche Antlitz zu einer schnippischen Miene und war eben im Begriff dem welschen Nachbar zu erwiedern, daß dem schmucken Junker der natürliche, schmal geschnittene, schwarze Zwickelbart wohl besser stehen möge, denn der Majestät von Frankreich ihr grüngefärbter, als der junge Mann, der die Aufmerksamkeit des Kleeblattes erregt hatte, plötzlich selbst an den Laden der erröthenden Augsburgerin trat und mit freundlichem Lächeln den hier zierlich ausgelegten Schmuck betrachtete.

Während die Goldhändlerin von ihrem Sitze aufstand, um seine Begrüßung zu erwiedern, blieb das Nürnberger Pfeffer-Rösel nebendran ruhig auf seiner niedrigen Fußbank sitzen. Seine sehnsüchtigen Blicke gingen von den silbernen Spornen zu den goldenen Knöpfen hinauf, dann weiter zu der Reiherfeder und den nämlichen Weg wieder zurück. So trieb es das Rösel fortwährend und kümmerte sich sonst nicht um den jungen Mann, noch um dessen weiteres Gespräch mit seiner Nachbarin.

»Ihr Augsburger seid gar kunstreiche Leute!« hob nach einer kleinen Pause der Jüngling an, indem er ein fein gearbeitetes Schwertgehänge gegen das Sonnenlicht hielt. »Wie das schillert und leuchtet! Wie jedes Ringlein mit dem andern einerlei Größe und Gestalt hat! Wie die Löwenköpfe von den Spangen drohend herauf schauen und die Adler am Gürtelschlosse so natürlich die Flügel heben, daß man glauben möchte, sie wollten Augenblicks davonschweben!«

Während der Junker so sprach, flogen seine Blicke an dem Schwerdtgehäng vorüber und ruheten auf dem Antlitze der anmuthigen Jungfrau. Diese lächelte verlegen. Ihr entging das Wohlwollen und Wohlgefallen nicht, welches in den Mienen des jungen Mannes sich offenbarte. Sie suchte vergeblich nach den gewöhnlichen Redensarten, welche sie an die Käufer zu richten pflegte. Bei diesem schien ihr keine passend. Ihre Verlegenheit nahm zu, als des Jünglings Blicke auch, nachdem er jene Worte gesprochen hatte, fortwährend auf ihr geheftet blieben. Sie zupfte bald an ihrem seidenen Brusttüchlein, bald nahm sie irgend ein Stück vom Ladentische zwecklos in die Hand und legte es wieder hin. Endlich gewann sie es über sich, den Augen des gefährlichen Kunden mit den ihrigen zu begegnen und sagte mit zagender Stimme, es möchte wohl im lieben Reiche kein Ritter zu finden sein, der würdiger wäre das treffliche Wehrgehäng zu tragen, als der edle Herr, der eben mit ihr handle.

»Größere Lust dazu mag nicht leicht ein Anderer im weiten Reiche hegen, als ich;« erwiederte lächelnd der junge Mann, indem er das köstliche Stück in seiner Rechten wog. »Wenn Du aber durchaus einen Rittersmann zum Käufer haben willst, so darf ich freilich nicht nach dem Preise fragen, denn noch habe ich die hohe Würde nicht gewonnen und erwarte sie erst von Kaiser Adolphs Hand, der bald in die Ringmauern dieser guten Stadt einziehen wird.«

Die Augsburger Jungfrau erröthete über und über und stammelte eine Entschuldigung. Bald aber hatte sie wiederum ihre Fassung gewonnen, nannte einen mäßigen Preis für die zierliche Goldarbeit, welche ihr Vater, der wohlbekannte Goldschmidt Andreas Auffenthaler, selbst angefertigt habe, und versicherte mit gar anmuthiger Geberde: es sei ihr gleich, ob Ritter oder Junkherr die kunstreiche Wehrkette besitzen werde, gewißlich aber werde sie nur einen stattlich und würdig zieren, den sie wohl kenne, aber nicht nenne.

Mochte nun der Jüngling, der vor ihr stand, den Sinn dieser freundlichen Rede auf sich beziehen und durch diese Schmeichelworte zum Kaufe geneigt gemacht worden sein, oder hatte er gleich Anfangs die Absicht, sich in den Besitz des werthvollen Kleinods zu setzen: genug! er machte, ohne weiter zu feilschen, den Handel richtig und überreichte der lieblichen Augsburgerin sein Schwert, damit sie das Gehäng daran befestigen möge, während er selbst damit beschäftigt war, den bedungenen Preis aufzuzählen.

Mit sehnsüchtigen Blicken sah das Pfeffer-Rösel nach den Goldgulden, die dem ledernen Gurte entströmten, welchen der Junker unter seinem Seidenwamms trug und jetzt hervorgenommen hatte.

»Der könnte mir alle meine Pfefferkuchen abkaufen und behielte doch noch genug für sich!« seufzte es halblaut für sich hin, aber doch nicht leise genug, daß es der Junker und die Nachbarin, welche ihr einen strafenden Blick zuwarf, nicht gehört hätten.

»Wie theuer Dein Kram?« rief jener, nachdem er seine Rechnung mit der artigen Goldhändlerin berichtigt hatte, so laut und plötzlich zu Rösel hinab, daß dieses ordentlich zusammenschrack und nicht gleich die Antwort zu finden wußte.

Ohne diese auch zu erwarten warf der Junker dem Nürnberger Mägdlein ein Paar Goldgulden in den Schooß und sprach lachend weiter: »Da ist der Plunder reichlich bezahlt! Mache nun damit was Du willst: verschenk’ ihn oder verkauf’ ihn noch einmal! Nimm ihn auch wieder mit nach Nürnberg: mir ist’s all gleich! Ich gebe ihn Dir in den Kauf zurück.«

Mit offenem Munde, den zwei Reihen schöner Perlenzähne schmückten, und mit großen starren Augen sah das Pfeffer-Rösel zu dem Junker hinauf. Es konnte nicht reden. Sein Busen wogte ungestüm, auf seinen Wangen wechselte eine hohe Röthe mit einer Leichenblässe. Da zuckte mit einemmale der sonst wohlgebildete Mund, da trübten sich die großen blauen Augen und ein Thränenstrom rann aus diesen über das wieder belebt werdende Antlitz hinab.

»O meine Mutter! Meine liebe Mutter!« schluchzte es dann und betrachtete die Goldstücke, die es in den zitternden Händen hielt. »Nun kann ich ihr, die schwer hier erkrankt, eine Herzstärkung erkaufen, nun kann ich ihrer pflegen und warten, wie sie es bedarf. Ein Engel ist vom Himmel gestiegen und hat gewährt, um was ich gefleht im heißen Gebete. Aber Eure Pfefferkuchen müßt Ihr mitnehmen!« wandte sie sich plötzlich eifrig zu ihrem Wohlthäter. »Denn eine Bettlerin bin ich nicht, und gewiß und wahrhaftig, ich thue Euer Geld, so wohl ich es auch brauchen kann, wieder von mir, wenn Ihr die erkaufte Waare nicht an Euch nehmt!«

»Bringe sie nur in die Herberge zur Goldgrube und frage nach Junker Friedmann von Sonnenberg!« versetzte mit Rührung der Jüngling. Hierauf kehrte er sich wieder zu der zierlichen Augsburgerin, die eben eine Thräne von ihrer Wange wischte, und empfing aus ihren Händen sein Schwerdt mit dem nun daran befestigten Gehänge zurück.

»Sag, liebes Mädchen,« sprach Junker Friedmann, indem er die Waffe anlegte: »wie nennst Du Dich? Oft wenn ich mein Schwerdt ansehen werde mit seiner jetzigen Zierde, möchte ich wohl Deiner gedenken und dann könnte es mich gereuen, den Namen derjenigen nicht erfragt zu haben, die es damit geschmückt.«

»Beata Auffenthalerin, Euch zu dienen, edler Junker!« versetzte mit einer anmuthigen Verneigung die Jungfrau.

»Beata?« erwiederte der...