Lea und die Pferde - Herzklopfen und Reiterglück - Band 4

von: Christiane Gohl, Sarah Lark

Baumhaus, 2019

ISBN: 9783732578917 , 160 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 4,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

Lea und die Pferde - Herzklopfen und Reiterglück - Band 4


 

Noble Gesten im Wilden Westen


Beim Thema Westernreiten dachten viele Leute immer noch an Cowboys und Indianer. Frau Witt zum Beispiel würde nie begreifen, dass bei Thorstens Trainer Tim Blom weder Schießen noch Lassowerfen auf dem Lehrplan stand. Ich wusste allerdings längst, dass es hier zwar um eine andere Reitweise ging, aber auch um einen Sport. Westernwettbewerbe wurden nach genauso strengen Regeln gerichtet wie Dressur- und Springturniere. Insofern war ich auch nicht überrascht, den Hof der Bloms ebenso sauber und mit Blümchen und Fähnchen geschmückt zu sehen wie die Anlage Wienberg bei deren jährlichem Turnier. Auch hier gab es ein paar Verkaufsstände mit Reitsportartikeln sowie etwas zu essen – wobei die Stände allerdings nicht von Freiwilligen aus der Kochlöffelabteilung betrieben wurden. Hier gab es schließlich keinen Reiterverein und Tim Bloms Frau Marion war auch kein Kuchenbacktyp. Tim hatte also einfach einen Imbisswagen und einen Bierstand geordert – zum Mittagessen gab es Pommes und Currywurst.

»Ist ja nicht sehr amerikanisch«, moserte meine Mom. »Sie hätten wenigstens ein paar Hamburger …«

Mom und ich waren beide begeisterte Köchinnen und hatten im Reiterverein Wienberg schon mal die Waffelbäckerei geleitet.

»Sie können das ja nächstes Jahr übernehmen«, entgegnete Thorstens Vater. Zumindest er wirkte heute amerikanisch bis ins Mark. Herr Reiser war ein völlig anderer Typ als Thorsten, groß und schlank und genau die Sorte Mann, der man den Cowboy abnahm, wenn er wie heute in Holzfällerhemd, Jeans und Stetson durch die Gegend stiefelte. »Wenn Lea dann auch hier mitreitet.«

Mom warf ihm einen beleidigten Blick zu. »Wenn überhaupt, dann reite ich selbst!«, erklärte sie. Das war ernst zu nehmen.

Ich sah mich schon als einzige »Turniertochter« unter lauter ehrgeizigen Elternteilen … Am besten begann ich gleich, diesen hysterischen Unterton in der Stimme zu üben, mit dem sonst die Turniermamis ihre Sprösslinge an vergessene Gerten, Handschuhe und Sattelgurte erinnerten. Und dann musste ich mir unbedingt ein paar Sätze notieren wie »Gerade halten, Schatz! Und nicht vergessen, die Richter anzulächeln!«

Immerhin gab es in der Westernszene weniger Turnierpapas und -mamas als auf Dressur- und Springturnieren. Zumindest bei einer so kleinen Veranstaltung wie dieser ritten die meisten Erwachsenen selbst.

Thorsten und Svenja studierten die Pattern für die Horsemanship, die am Meldewagen angeschlagen war. Pattern hieß Aufgabe und bei dieser Prüfung legten die Richter oder der Veranstalter sie vor dem Wettkampf fest. Die Teilnehmer mussten sie auswendig lernen und dann nacheinander vorreiten. Meistens ging es allerdings nur um Anreiten im Schritt und im Galopp, Stoppen aus dem Galopp und »Rollback«, eine rasche Wendung, bei der die Pferde sich praktisch aus dem Stand herumwarfen. Nach rechts konnte Mano das gut, nach links weniger. Zumindest wenn kein besonderer Anreiz bestand.

Thorsten trat deswegen eben in Verhandlungen mit Svenja. »Wenn du Hrifla ganz unauffällig am Ausgang parkst, damit er sie sehen kann, wird er schnell zu ihr hin wollen …«

Das mochte klappen. Aber ob Svenja sich darauf einließ? Sie wollte die Prüfung schließlich auch gewinnen.

»Na schön, weil du’s bist …«, stimmte sie schließlich gönnerhaft zu. »Aber du machst bei Hrifla das Gleiche. Nur auf der anderen Seite. Dann galoppiert sie vielleicht schneller.«

Lily, die hinter den beiden stand, verdrehte die Augen. Sie hatte solche kleinen Tricks nicht nötig. Shorty und Dancing Queen funktionierten wie aufgezogen.

Natürlich prägte sich Lily auch die Aufgabe in Lichtgeschwindigkeit ein – sie schien so etwas zu inhalieren – und machte das Schwarze Brett für einen Typen frei, der völlig verständnislos auf den Aushang stierte und uns dabei von seinem Pferd erzählte. Es sei ein Hengst, was natürlich jede Zusammenarbeit ungemein erschwerte. Warum das so war, ging uns zwar nicht auf, aber als wir dann auf dem Abreiteplatz auf den Prüfungsbeginn warteten, erschloss sich uns zumindest das Lautstärkeproblem. Offensichtlich war hier nicht nur Herrchen, sondern auch Hengst von übermäßigem Mitteilungsdrang geplagt. Der langbeinige Grauschimmel wieherte pausenlos, man konnte sein eigenes Wort nicht mehr verstehen. Dazu tänzelte er herum und schien Anschluss zu suchen.

Svenja brachte ihre Stute hinter Mano in Sicherheit, der misstrauisch zu dem Schimmel hinüberlinste. Noch misstrauischer guckten Anne und Peter, die inzwischen auch eingetroffen waren. Peter stieg sicherheitshalber ab, obwohl er gleich an der Reihe war und sein Pferd lieber warm reiten sollte. Sein Tramp war obendrein ein Wallach, hatte also kaum Avancen des unerzogenen Hengstes zu befürchten. Aber Peter rechnete eben immer mit dem Schlimmsten.

Insgesamt hatten sich zehn Starter für die Horsemanship angemeldet und ein paar mehr für die Reining – eine Art Westerndressur –, an der Thorsten ebenfalls teilnehmen wollte. Am meisten Konkurrenz war im Trail zu erwarten, hier beteiligten sich schließlich auch viele Freizeitreiter aus der Umgebung.

Die erste Starterin in der Horsemanship war ein Mädchen auf einem hübschen Fuchs. Thorsten kannte sie aus dem Unterricht bei Tim Blom. Als Zweite startete Anne Hill, deren hübsch gefleckte Painthorsestute sich allerdings weigerte, Peters Wallach zu verlassen. Anne fuhrwerkte ein bisschen herum und stieg dann ab, um das Pferd in die Bahn zu führen. Sie protestierte, als die Richter sie gleich wieder hinausschickten.

»Aber ich muss mich doch durchsetzen!«, argumentierte sie, während ihr Pferd fast so laut wieherte wie eben der Hengst.

»Üben Sie das zu Hause!«, rügte sie der Richter.

Anne zog sich verärgert zurück und Peter verzichtete gleich ganz auf seinen Start. Sein Tramp könnte schließlich buckeln, wenn er von Annes Stute wegmusste. Das hatte er zwar noch nie getan, aber wie gesagt: In Peters Augen war Tramp ein Raubtier. Hochintelligent, listig und verschlagen – und immer bereit, jede menschliche Schwäche auszunutzen.

Der nächste Starter war der Typ mit dem Hengst, der die Prüfung aber auch nicht beendete. Gleich aus dem ersten Galopp ließ sein Pferd sich nicht anhalten, sondern preschte Richtung Hängerparkplatz. Herrchen klammerte sich dabei an das Horn des Westernsattels und brüllte jedem, der im Weg stand, »Vorsicht, er ist ein Hengst!« zu. Ich fragte mich, welchen Unterschied es wohl machte, von männlichen oder weiblichen Hufen in den Boden gestampft zu werden.

Nach diesen Auftritten mussten die Richter froh sein, wenn überhaupt ein Reiter-Pferd-Paar die Prüfung bewältigte, ohne sich zu trennen. Insofern hatte Thorsten gute Karten. Er machte es auch recht ordentlich, obwohl es natürlich nicht ganz den Regeln entsprach, dass sich Mano nach dem Stopp aus dem Galopp beifallheischend nach seinem Reiter umsah. Er wirkte ziemlich enttäuscht, als Thorsten ihm diesmal keinen Leckerbissen ins Maul stopfte. Der Rollback in Hriflas Richtung gelang zufriedenstellend, erwies sich dann aber als Eigentor: Mano startete in Richtung der Stute durch und verbaselte so den zweiten Stopp. Insgesamt war es bislang aber sicher die beste Leistung, und wir johlten und klatschten, als hätte Thorsten eben die Olympiade gewonnen. Tim Bloms andere Schüler schlugen sich ähnlich gut, aber ohne kleine Schnitzer kam niemand durch. Wir verstanden auch alle nicht genug vom Richtwesen auf Westernturnieren, um sicher sagen zu können, wer hier wohl besser oder schlechter benotet wurde. Letztlich würde erst die Siegerehrung zeigen, ob es für Thorsten zur Platzierung langte.

Schließlich standen nur noch Svenja und Lily aus, was Svenja sofort deprimierte: »Egal ob sie vor mir oder nach mir startet – die Richter haben den direkten Vergleich. Sie werden mich gnadenlos runterpunkten!«

Aber natürlich lächelte sie tapfer, als sie dann als Vorletzte in die Bahn ritt. Wie erwartet erledigte ihre kleine Stute die Aufgabe tadellos. »Wir sind nicht ganz auf gerader Linie galoppiert und einmal waren wir im Vierschlaggalopp«, kommentierte die stets selbstkritische Svenja ihren Ritt, als sie wieder zu uns stieß. »Aber sonst …«

»Bisher warst du eindeutig die Beste«, erklärte Thorstens Vater mit säuerlichem Gesichtsausdruck. Wahrscheinlich bereute er schon, Hrifla in seinem Hänger mitgenommen zu haben.

»Bisher«, bemerkte ich. Denn jetzt kam Lily an die Reihe.

Ohne uns auch nur eines Blickes zu würdigen, ritt sie ein, grüßte und spulte die Aufgabe mit absoluter Perfektion ab.

»Das war’s dann wohl«, meinte Svenja. »Das ist nicht zu überbieten.«

Auf die Dressuraufgabe folgte nun noch eine Beurteilung des Reitersitzes in den Grundgangarten. Lily gelang das natürlich problemlos, während Svenja sich etwas schwer tat. Ganz langsamer Trab lag ihrer Islandstute nicht, Svenja musste aufpassen, dass sie nicht in den Tölt fiel. Trotzdem hätte sie nach meiner Ansicht Zweite hinter Lily werden müssen. Tatsächlich erreichte sie aber nur den vierten Platz – hinter zwei Mädchen auf Quarterhorses, die eigentlich nicht besser geritten waren als Thorsten. Aber wer hier auf dem passenden Pferd saß, bekam einen Bonus. Quarterhorses, Painthorses und Appaloosas wurden grundsätzlich etwas besser beurteilt als Warmblüter oder Ponys.

Thorsten verpasste die Platzierung deshalb ganz knapp, er wurde Sechster.

Die weiteren Turnierprüfungen gestalteten sich genau...