Wer zuletzt küsst, küsst am längsten

von: Susan Mallery

MIRA Taschenbuch, 2019

ISBN: 9783745750867 , 352 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 7,99 EUR

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Wer zuletzt küsst, küsst am längsten


 

1. KAPITEL


Es hatte sie vier Monate und eine Kiste teuren Scotch gekostet, sie hatte jeden Gefallen einfordern müssen, der ihr noch geschuldet wurde, und ein abstoßendes Date mit einem schleimigen Privatdetektiv hinter sich gebracht, der gedacht hatte, „Date“ sei gleichbedeutend mit „Sex“, und dann am eigenen Leib erfahren musste, dass ein Knie in der Leibesmitte genauso schmerzhaft war, wie es im Fernsehen aussah. Aber am Ende hatte Dana Birch das bekommen, was sie wollte.

Als sie jetzt im Fahrstuhl zu Garth Duncans Penthouse-Wohnung fuhr, schaute sie lächelnd auf die Papiere in ihren Händen. Papiere, die verlangten, dass Garth sich zu einem Gespräch mit den guten Menschen im Polizeirevier von Dallas einzufinden hatte. Papiere, die besagten, dass Garth ein schlimmer Tag bevorstand. Sie hingegen hätte nicht glücklicher sein können.

„Rattenarsch, verräterischer Hund“, murmelte sie, als sie aus dem Fahrstuhl trat und zu seiner Wohnungstür ging. „Du fandest dich so clever, hast gedacht, du könntest tun und lassen, was du willst, ohne je erwischt zu werden. Du hast geglaubt, du könntest meinen Freundinnen wehtun.“

In einer vollkommenen Welt würde er sich weigern, sie zu begleiten, und sie könnte ihn mit ihrer Waffe bedrohen. Ihn vielleicht sogar aus Versehen anschießen. Wenn er doch nur der Typ Mann wäre, der angesichts staatlicher Autorität in die Knie gehen würde. Sie träumte davon, ihn zittern und betteln zu sehen. Und wenn das auch nicht ganz so gut war, wie ihn bluten zu sehen, wäre es doch nah genug dran. Unglücklicherweise war Garth eher der Typ, der einem Anwalt tausend Dollar die Stunde dafür zahlte, dass der nichts lieber tat, als die Polizei zu verklagen. Aber dieser hochkarätige Anwalt würde ihm heute auch keine große Hilfe sein.

„ Du gehörst mir, Garth“, sagte sie und klopfte an die Tür. In der Minute, die er brauchte, um zu öffnen, genoss sie ihren Sieg. Sie hatte hart dafür gearbeitet, Garth festzunageln, und es war jede Überstunde wert, in der sie nachgeforscht, Hinweise verfolgt und auf den Durchbruch gewartet hatte. Er hat selber Schuld, dachte sie fröhlich. Er hatte sich mit Leuten angelegt, die ihr am Herzen lagen. Wer das tat, musste sich darauf einstellen, es mit ihr zu tun zu bekommen. Die Wohnungstür wurde geöffnet. Sie lächelte, als sie Garth durch den Spalt blinzeln sah. Vielleicht hat er ja tatsächlich Angst, dachte sie voller Verachtung.

Sie hielt ihm die Papiere hin. „Guten Morgen. Wir beide werden einen kleinen Ausflug in die Stadt unternehmen.“

„Werden wir das?“, fragte er und zog die Tür weiter auf, damit sie ihn ganz sehen konnte. „Darf ich mich vorher vielleicht noch anziehen?“

Eine unerwartete Wendung, dachte Dana grimmig, als ihr Blick auf die Handtücher fiel, die um seinen Hals lagen und um seine Hüfte gebunden waren. Er tropfte noch, offensichtlich hatte sie ihn aus der Dusche herausgeholt. Seine dunklen Haare standen wie Stacheln vom Kopf ab, und sein Gesichtsausdruck wirkte eher amüsiert als verängstigt.

„Zumindest weißt du so, dass ich nicht bewaffnet bin“, sagte er mit einem unterdrückten Lachen in der Stimme.

„Es würde mir keine Angst machen, wenn es so wäre.“

„Das liegt daran, dass du keine Ahnung hast, wozu ich fähig bin, Deputy Birch. Also, was darf es sein? Bist du bereit, mich nackt durch die Straßen von Dallas zu führen, oder darf ich mir noch was anziehen?“

Er klang selbstsicher, so als ob er wüsste, dass sie ihn nicht so, nur mit einem Handtuch bekleidet, mitnehmen würde. Womit er natürlich recht hatte. Verdammter Mistkerl. Ihr war es lieber, wenn sie die Kontrolle über eine Situation hatte.

„Du kannst dich anziehen“, sagte sie widerstrebend. „Ich muss allerdings dabei sein, um sicherzustellen, dass du nicht versuchst zu fliehen.“

Er zwinkerte ihr doch tatsächlich zu! „Natürlich musst du das. Und die Ausrede ist so gut wie jede andere.“

Sie war irritiert. Instinktiv legte sie ihre rechte Hand auf ihre Waffe. „Davon träumst du wohl“, gab sie barsch zurück. „Lass mich dir versichern, ich habe keinerlei Interesse daran, deinen knochigen Hintern zu sehen. Oder irgendeinen anderen Körperteil von dir.“

Einer seiner Mundwinkel verzog sich leicht nach oben. „Du kannst gerne zugucken, Dana. Es macht mir nichts aus.“

Er spielte mit ihr, versuchte, sie zu verwirren. Sie konzentrierte sich auf die Aufgabe, wegen der sie hier war.

„Mach du nur Witze, solange du noch kannst“, sagte sie. „Du wirst nämlich ins Gefängnis wandern.“

„Wenn der Wunsch doch reichen würde.“

„Es ist kein Wunsch, ich habe Beweise“, sagte sie energisch.

„Nein, hast du nicht.„ Seine Stimme war leise und trügerisch sanft. „Wenn du die nötigen Beweise hättest, würdest du mich verhaften und nicht für eine Befragung aufs Präsidium bringen. Gib es zu, Dana. Du bist nicht mal nah dran, mir irgendetwas anzuhängen. Das hier ist doch reines Fischen im Trüben.“

Vom Kopf her wusste sie, dass jegliche Gewaltanwendung nur ihre Position schwächen und ihm recht geben würde. Trotzdem hätte sie ihm unglaublich gerne eine reingehauen.

„Ich melde mich offiziell als gelangweilt“, sagte sie und ließ ihre Hand sinken. „Bringen wir es einfach hinter uns.“

„Den Teil, bei dem du mich beim Anziehen beobachtest?“

Sie trat in die Wohnung und verdrehte die Augen. „Ja, ich Glückliche. Haben die von der ‘Arrogant Monthly’ schon mal einen Artikel über dich verfasst?“

„Ich war auf dem Cover.“

Er machte die Tür hinter ihr zu und ging durch das große Penthouse voran.

Der Hauptraum war riesig – Dana schätzte, dass sie ihr Apartment und noch fünf weitere problemlos hier unterbringen könnte. Aus den Panoramafenstern hatte man einen grandiosen Ausblick über Dallas. Auch wenn sie so etwas natürlich überhaupt nicht interessierte.

Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Mann vor sich. Stirnrunzelnd nahm sie wahr, wie das Sonnenlicht auf seinem Rücken tanzte und die Narben beleuchtete, die kreuz und quer über seinen Rücken verliefen.

Einige davon waren nur dünne Linien, aber die meisten waren wulstig und erhaben, als wenn die Haut wieder und wieder zerschnitten worden wäre. Ihr Magen krampfte sich leicht zusammen, aber sie schaffte es, sich nichts anmerken zu lassen.

Sie kannte ein paar grundlegende Fakten über Garth Duncan. Er war reich – Furcht einflößend reich, besaß Dutzende Firmen, und sein Geld floss wie Wasser. Er hatte im Ölgeschäft angefangen und während seiner Zeit in Südamerika sicherlich einen noch unberührten Teil der Welt geplündert und gerodet. Dann war er von wütenden Einheimischen gefangen genommen worden. Sie hatten ihn und einen Mitarbeiter mit verbundenen Augen monatelang im Dschungel festgehalten und beide täglich gefoltert.

Ihr Blick fiel auf seine langen muskulösen Beine. Auch auf ihnen konnte sie verblasste Narben sehen, aber die stammten von Operationen. Während der Gefangenschaft hatte man Garth beide Beine gebrochen. Sein Freund hatte ihn damals in Sicherheit getragen.

Wenn Garth nur damals draufgegangen wäre, dachte Dana, allerdings ohne große Energie auf den Gedanken zu verschwenden. Dann würde er jetzt ihren Freundinnen nicht wehtun können. Aber er war nicht gestorben, ganz im Gegenteil, er war danach noch mehr aufgeblüht.

Er betrat das große Schlafzimmer und ging weiter in ein Bad von der Größe eines durchschnittlichen Supermarkts. Von hier aus ging es in einen dieser schicken begehbaren Kleiderschränke aus dunklem Holz. Seine Kleidungsstücke waren nach Farben geordnet einsortiert, und die Schuhe standen ordentlich auf Regalen.

Sie lehnte sich gegen den Türrahmen und ließ Garth nicht aus den Augen. „Meinetwegen kann es jederzeit losgehen“, sagte sie.

Sein dunkler Blick verfing sich in ihrem. Er schien die Situation zu genießen, was sie höllisch nervte. Aber nicht mehr lange. Sobald die Polizei ihn in den Händen hatte, würde sich seine arrogante Art schon geben. Es war ihre Aufgabe, ihn hinzubringen, und für den Augenblick war das genug.

Sein Lächeln kehrte zurück. Er zog das Handtuch von seinen Schultern und ließ es auf den Boden fallen. „Wenn du in den nächsten paar Stunden keinen Termin hast, könnten wir meinen momentanen Mangel an Bekleidung doch eigentlich auch nutzen.“

„Stunden? Oh, bitte. Mit Glück hältst du sechs Minuten durch. Hör auf, Spielchen zu spielen, Garth. Ich habe heute noch eine Menge zu erledigen. Und auch wenn du es nicht gerne hörst, aber du bist nicht der Höhepunkt meines Tages.“

„Jawohl, Deputy Birch.“

Jetzt ließ er auch das um die Hüfte gewickelte Handtuch fallen.

Sie schaute ihm weiter ins Gesicht. Nicht nur, weil er sie nicht im Mindesten interessierte, sondern auch, weil sie in beruflicher Funktion hier war. Sie war stolz auf ihren Job und das, was sie für die Gemeinde tat. Die guten Menschen in ihrer Stadt bezahlten sie nicht dafür, dass sie Leute wie Garth Duncan begaffte.

„Immer noch nicht interessiert?“, fragte er, nun komplett nackt. „Ich stehe zu deiner vollen Verfügung.“

Sie täuschte ein Gähnen vor.

Er lachte. Ein tiefes herzhaftes Lachen, das von Humor und vielleicht auch widerwilligem Respekt zeugte. Aus Gründen, die sie sich selbst nicht erklären konnte, hätte sie ihn gerne angelächelt. Als hätten sie eine Verbindung. Als hätten sie etwas gemeinsam. Als könnten sie einander mögen und sogar Freunde sein.

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