Menschen mit Schädel-Hirn-Trauma - Leitlinien der Ergotherapie, Band 9

von: Steven Wheeler, Amanda Vira, AOTA

Hogrefe AG, 2018

ISBN: 9783456957852 , 192 Seiten

Format: PDF, Online Lesen

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 35,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

Menschen mit Schädel-Hirn-Trauma - Leitlinien der Ergotherapie, Band 9


 

3 Überblick zu Schädel-Hirn-Trauma

3.1 Definition und Epidemiologie

Das Schädel-Hirn-Trauma (SHT) ist ein komplexer Zustand, der mit variierenden Schweregraden durch Beeinträchtigungen im kognitiven, physischen, psychologischen, emotionalen und verhaltensbezogenen Bereichen charakterisiert wird. Die Vereinigung Schädel- Hirn-Trauma der USA (Brain Injury Association of America, BIAA; 2012a) definiert ein Schädel-Hirn- Trauma als eine Veränderung von Gehirnfunktionen oder anderen Hinweisen auf pathologische Veränderungen im Gehirn, die durch eine externe Ursache entstanden ist.

In den USA sind jährlich schätzungsweise 2,5 Millionen Menschen von einem SHT betroffen und es ist eine der häufigstenUrsachen, die zum Tod oder zu einer Behinderung führen. Meistens wird ein SHT durch Stürze, Kraftfahrzeugunfälle, Stöße durch oder gegen einen Gegenstand ausgelöst. Zwar kann ein SHT jeden Menschen in jeder Altersstufe treffen, aber es tritt häufiger bei Kindern bis vier Jahren, Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen (15–19 Jahren) und Erwachsenen ab 65 Jahren und älter auf. Männer aller Altersgruppen sind häufiger als Frauen betroffen (Centers for Disease Control and Prevention CDC, 2015a; Cuthbert et al 2015). Die jährliche Todesrate durch ein SHT, vor allem bei Menschen bis 44 Jahren, konnte durch den Fortschritt in der Medizin, erhöhte Sicherheitsvorkehrungen sowie Präventionsprogramme (z. B. Automobilsicherheit, Sturzpräventionsstrategien, mehr Sicherheit bei Sport- und Freizeit, Gewaltvermeidung) um 8,2 % gesenkt werden (CDC; 2011). Auf der anderen Seite aber führt diese Reduzierung auch dazu, dass es einen dramatischen Anstieg bei Menschen gibt, die mit den chronischen Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas leben müssen.

3.2 Symptome und Beeinträchtigungen

Die kognitiven, motorischen, sensorischen und emotionalen Beeinträchtigungen können die Fähigkeit erheblich einschränken, dass ein Mensch selbstständig seiner Arbeit und seinen Freizeitaktivitäten nachgeht. Die üblichen Symptome, die mit einem SHT in Verbindung gebracht werden, variieren je nach Schweregrad und können das Leben des betroffenen Menschen beeinträchtigen. Diese Symptome beinhalten Beeinträchtigungen der Denkfähigkeit (z. B. Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Urteilsfähigkeit, Planungsfähigkeit, Wahrnehmung, exekutive Funktionen, Selbstwahrnehmung), der Sinnesempfindungen (Berührung, Geschmack, Geruch, Sehen, Hören), der Sprache (Kommunikation, sich ausdrücken, verstehen) und psychologische Probleme sowie Verhaltensbeeinträchtigungen (z. B. Depression, Angst, Veränderungen der Persönlichkeit, Aggression, unangemessenes Verhalten; BIAA, 2012b; CDC, 2015a). Eine der häufigsten kognitiven Einschränkung, die mit einem schweren SHT einhergeht, ist die Anosognosie, die psychologische Unwissenheit über die eigenen Beeinträchtigungen. (Sherer, Bergloff, Boake, High & Levin 1998). Zusätzlich können Menschen nach einen SHT unter chronischen Komplikationen leiden, wie Mobilitätsbeeinträchtigungen (z. B. Spastik, Hemiplegie, Dystonie, verringertes Gleichgewicht, verminderte Kraft, Osteoporose), neurologische Probleme (z. B. Epilepsie, Kopfschmerz, Schmerzen), Stoffwechselprobleme, Schluckbeeinträchtigungen, Darmprobleme, Inkontinenz, Schlafbeeinträchtigungen, sensorische Beeinträchtigungen, Gefäßschäden (Murphy & Carmine, 2012; Reed 2014) und vestibuläre Beeinträchtigungen (Basford et al., 2003). Es kann eine lebenslange Herausforderung sein, mit diesen körperlichen Beeinträchtigungen zurechtzukommen, da sich zu erwartende Verbesserungen sechs Monate nach dem Ereignis verlangsamen (Walker & Pickett, 2007). Klienten zeigen häufig Beeinträchtigungen im Gangbild, der posturalen Kontrolle und Gleichgewichtsprobleme. Diese können dann wiederum dazu führen, dass sie in ihrer Fähigkeit limitiert sind, ihrer Arbeit, der Schule und Freizeitaktivitäten nachzukommen (Perry, Woollard, Little & Shroyer, 2014). Für zusätzliche Beispiele hinsichtlich der Beeinträchtigungen nach einem Schädel- Hirn-Trauma siehe auch Tabelle 3-1.

3.3 Klassifikationen

Es gibt zwei Hauptklassifikationen des SHT: (1) gedeckte Schädel-Hirn-Verletzungen und (2) offene Schädel-Hirn-Verletzungen. Bei gedeckten Schädel- Hirn-Verletzungen entsteht durch die einwirkende Kraft keine Fraktur am Schädel, wohingegen eine offene Schädel-Hirn-Verletzung durch eine Fraktur des Schädels gekennzeichnet ist. Das SHT ist auch zeitlich klassifiziert in primär oder sekundär, je nachdem, ob die Verletzung aus dem eigentlichen Unfall entstanden ist oder ob die Ereignisse, die im Gehirn entstanden sind, eine sekundäre Folgeerscheinung des Unfalls sind. Der Grad der ursprünglich neurologischen Verletzung wird in leicht, mittelschwer und schwer eingeteilt (BIAA, 2012a).