Mylord, Sie sind gefährlich!

von: Elizabeth Boyle

CORA Verlag, 2018

ISBN: 9783733779863 , 400 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 3,49 EUR

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Mylord, Sie sind gefährlich!


 

2. KAPITEL

London, 1811

Aus alter Gewohnheit ließ Brody noch einmal seinen Blick durch den Saal bei Almack’s schweifen, nahm jede der jungen und nicht mehr gar so jungen Damen ins Visier.

Es hätte jede sein können. Nun ja, außer vielleicht den Nafferton-Schwestern, sagte er sich.

„Aussichtsreiche Anwärterinnen entdeckt?“, fragte Budgey.

„Anwärterinnen?“

„Na, um meine Braut zu werden“, rief Budgey ihm in Erinnerung.

Ach ja, Budgeys Brautschau. Brody straffte die Schultern und hielt noch einmal Ausschau, und sei es nur, um sich den Anschein der Hilfsbereitschaft zu geben.

„Wie wäre es denn mit einem dieser reizenden Geschöpfe?“, schlug Captain Hathaway vor, dem es reichlich Vergnügen zu bereiten schien, über das Schicksal eines anderen zu entscheiden.

Budgey musste die Augen zusammenkneifen, um die beiden zu erkennen. „Bloß das nicht. Das sind Lady Naffertons Töchter!“

„Auf ihre Art ganz hübsch“, fand Benedict und schien die Sache zu bedenken, als gälte es eine Angriffsstrategie zu planen. „Wo liegt das Anwesen ihres Vaters?“

„In Norwich“, sagte Brody.

„Und der Sitz Ihrer Familie, Brody?“

„Nahe Plymouth.“

„Nun, das scheint doch nicht aus der Welt zu sein.“

„Du hast Lady Nafferton noch nicht kennengelernt“, wandte Chaunce ein.

„Außerdem kann man die eine nicht von der anderen unterscheiden“, bemerkte Budgey. „Stelle ich mir ziemlich kompliziert vor.“

Benedict suchte bereits wieder den Saal ab. „Wer ist denn die aparte junge Dame dort drüben bei Lady Essex?“ Er stutzte, dann blieb ihm fast der Mund offen stehen. „Das ist doch nicht etwa Miss Manx?“

Chaunce nickte bloß.

Der Captain schüttelte den Kopf. „Wer hätte gedacht, dass Lady Essex einer ihrer Gesellschafterinnen so lange die Treue halten würde.“

„Miss Manx hat ungeahnte Stärken“, versicherte Chaunce ihm.

„Die braucht sie auch“, bemerkte Benedict. „Aber wer ist diese junge Dame neben ihr? Mit dem dunklen Haar sieht sie aus wie eine spanische Duquesa.“

„Wie viele spanische Duquesas kennst du denn?“, schnaubte sein Bruder.

„Mehr als du denkst“, gab sein Bruder zurück. „Und wenn sie kein spanisches Blut hat, dann Piratenblut. Welch ein prächtiges Geschöpf.“

„Mit dem Piratenblut könntest du recht haben“, murmelte Brody. Er wusste auch so, wer gemeint war, da brauchte er gar nicht in ihre Richtung zu schauen. Gleich als er den Saal betreten hatte, hatte er die Lage sondiert und festgestellt, dass Roselie zugegen war.

Sie war ja auch kaum zu übersehen. Oder lag es an ihm? Wie kam es, dass sie immer die Erste war, die ihm ins Auge fiel? Allein an ihrem dunklen Haar und der ranken, schlanken Gestalt konnte es nicht liegen.

Wohl eher daran, dass es immer diesen kurzen Augenblick der Irritation für ihn gab, wenn er versuchte, Miss Roselie Stratton mit seinen Kindheitserinnerungen an sein Röschen in Einklang zu bringen.

Chaunce lachte – ob über seinen Bruder oder über Brody ließ sich nicht genau sagen. „Das ist Miss Stratton.“ Er wandte sich an Brody. „Euer Anwesen grenzt an das ihrer Familie, oder?“

Brody nickte. „Ja. Wir sind zusammen aufgewachsen.“ Unzertrennlich waren sie einst gewesen. Und dann hatte er alles kaputt machen müssen. Mittlerweile herrschte höflicher Waffenstillstand zwischen ihnen.

„Miss Stratton, sagen Sie? Reizend, ganz reizend“, wiederholte Captain Hathaway.

„Miss Stratton? Aber ja, Howers ist auch ganz hingerissen von ihr“, mischte Budgey sich ein. Als alle sich ungläubig nach ihm umdrehten, warf er sich noch ein wenig mehr in die Brust, sichtlich erfreut, dass er etwas über den Chef des Innenministeriums wusste, wovon sie keine Kenntnis hatten. „Jeden Freitag ist sie bei ihm und seiner Frau zum Tee.“

„Das spricht nicht unbedingt für sie“, wandte Brody ein. „Howers hat bekanntlich auch eine Schwäche für kalten Hammeleintopf und akkurat verfasste Berichte.“

„Das heißt aber nicht, dass sie keine passende Kandidatin für unseren Budgey wäre“, meinte Captain Hathaway, der sich langsam für seine Wahl zu erwärmen schien. „Sie werden doch wohl zugeben, dass Miss Stratton ganz entzückend anzusehen ist.“

Da konnte Brody nur lachen. „Ansehen – ja. Heiraten? Niemals. Miss Stratton dürfte so ziemlich die letzte Frau auf Erden sein, die ich heiraten würde. Und ich würde auch keinem anderen dazu raten.“

Etwas überraschend pflichtete Budgey ihm bei. „Oh ja, sie kommt nicht infrage. Mutter würde sie niemals gutheißen.“

„Ich wusste schon immer, dass deine Mutter eine kluge Frau ist, Budgey“, sagte Brody. Seine Mutter hielt auch nichts von Miss Stratton. Oder überhaupt von den Strattons. In ihren Augen trugen sie allesamt Schuld an Poldies vorzeitigem Tod in Spanien.

Benedict trat einen Schritt vor. „Nun, ich will mich zwar nicht verheiraten, trage mich aber mit dem Gedanken, das Mädchen um einen Tanz zu bitten.“

„Dann viel Glück“, wünschte Chaunce ihm. „Das ist ihre vierte Saison.“

Benedict hielt inne und nahm sie noch einmal in Augenschein. Nachdem er kurz nachgerechnet hatte, fragte er ungläubig: „Die vierte? Was stimmt denn nicht mit ihr?“ Dann, mit einem fragenden Blick zu seinem Bruder: „Keine Mitgift, hab ich recht?“

„Keineswegs, sie bringt ein stattliches Sümmchen mit“, versicherte Brody ihm.

Der Captain zog die dunklen Brauen zusammen. „Was ist es dann? Muss ich fürchten, dass sie mir die Stiefel ruiniert?“

„Keine Sorge, Captain“, kam es erneut von Brody. „Ich habe kürzlich erst mit ihr getanzt.“ Eine Bemerkung, die ihm derart erstaunte Blicke von Budgey und Chaunce einbrachte, dass er sich genötigt sah, anzufügen: „Nur um Rowland einen Gefallen zu tun.“

Chaunce nahm es mit einem Achselzucken hin und wandte sich herausfordernd an seinen Bruder. „Dann bitte sie um einen Tanz, Benedict. Wenn du dich traust.

Die Worte genügten, um den Kampfgeist des Captains zu wecken.

Brody musste ein Stöhnen unterdrücken. Was hatte es bloß mit diesen Hathaways auf sich? Da brauchte der eine dem anderen nur zu sagen, dass er etwas nicht tun solle, und schon …

„Ich denke, genau das werde ich tun“, verkündete Captain Hathaway und zog seinen Rock zurecht. „Kommen Sie mal mit, Rimswell. Sie scheinen die Kleine am besten zu kennen. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich vorstellen würden.“

Diesmal stöhnte Brody dann doch, ehe er sich mit einem knappen Nicken der Bitte fügte, denn dabei zu sein, wenn Roselie dem Captain einen Korb gab, dürfte unterhaltsamer sein, als weiterhin nach Bräuten für Budgey Ausschau zu halten.

Als die beiden losmarschierten, konnte Budgey sich eines Tadels nicht enthalten. „Wie kannst du bloß, Chaunce – deinen eigenen Bruder. Nicht sehr sportlich. Sie wird ihn einen Kopf kürzer machen.“

Chaunce lachte. „Darauf setze ich.“

„Lady Essex, ich weiß nicht, ob Sie sich an mich erinnern …“, begann der Mann in seiner schmucken Uniform.

„Benedict Hathaway, wie könnte ich Sie vergessen? Sie haben mir, als Sie ein Knirps von sechs Jahren waren, meine liebste Vase zerbrochen.“ Lady Essex musterte ihn vom Scheitel bis zur Sohle, sichtlich unbeeindruckt von Uniform und Orden an der Brust, ehe sie dem Captain über die Schulter spähte: „Und wen haben Sie da mitgebracht? Oh, sind Sie das, Rimswell? Aber ja, wer sollte es denn sonst sein.“

Brody lächelte bemüht.

Roselie musste sich ein Lachen verkneifen. Lady Essex hätte noch den Premierminister an seinen Platz verweisen können.

Allerdings gehörte die alte Dame nicht zu jenen, die einem geschenkten Gaul ins Maul schauten und wenn sie ihn noch so fade finden mochte. „Vermutlich trifft es sich gut, dass Sie hier sind, Captain Hathaway – Sie sind doch Captain, oder? Ich meine, dass Ihre Mutter Ihre Beförderung erwähnte, aber es gibt einfach zu viele von euch Hathaways, um den Überblick zu behalten.“

„Ja, Mylady, das ist korrekt. Ich dachte mir …“

Lady Essex schnitt ihm mit einem Fächerflattern das Wort ab. „Stellen Sie sich nur vor, wie erfreut Ihre Mutter sein wird, wenn ich ihr schreibe, dass Sie bei Almack’s waren! Vielleicht hört sie dann auf zu klagen, dass keiner von euch Jungs sich verheiraten will. Denn mir können Sie nichts vormachen, Captain: Natürlich sind Sie nach London gekommen, um den Heiratsmarkt zu entern.“

„I…ich versichere Ihnen, Mylady, dass ich nicht …“, stammelte der arme Mann.

Doch Lady Essex hatte sich schon ihrer Gesellschafterin zugewandt. „Erinnern Sie mich bitte daran, dass ich Lady Hathaway umgehend schreibe und ihr die frohe Kunde melde.“

„Jawohl, Lady Essex“, sagte Mariah und kramte in dem sackartigen Retikül, das sie stets bei sich trug.

Die alte Dame richtete ihr Augenmerk wieder auf die Herrschaften vor ihr. „Und sehe ich das recht, Ihr großer Bruder ist auch mit von der Partie? Chauncy?“

Captain Hathaway warf einen Blick über die Schulter. „Ja, Mylady.“

Ihr Fächer schnappte zu. „Freudloser Bursche, Ihr Bruder. Man sieht ihn nie tanzen. Es ist mir ein Rätsel, warum er sich überhaupt herbemüht.“

„Er hat durchaus seine Vorzüge“, versicherte Captain...