Drachenzähmen leicht gemacht (11). Verräterisches Drachenmal - Die Original-Bücher zur abenteuerlichen Drachen-Saga ab 10

von: Cressida Cowell

Arena Verlag, 2019

ISBN: 9783401807980 , 320 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 7,99 EUR

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Drachenzähmen leicht gemacht (11). Verräterisches Drachenmal - Die Original-Bücher zur abenteuerlichen Drachen-Saga ab 10


 

DIE INSEL DES NEUEN TAGES IST VERFLUCHT

Noch nie haben wir die Insel des Neuen Tages gesehen. Bisher haben wir uns noch niemals auch nur in die Nähe der Insel gewagt.

Einst lag dort eine blühende Stadt mit hundert prächtigen Burgen und Schlössern, auf deren Türmen die Flaggen und Banner des Wilderwest trotzig im Meereswind knatterten. Die Stadt war von unzähligen Sklaven – Menschen und Drachen – erbaut worden. Und wie so viele Städte, die von Sklaven erbaut wurden, war auch diese Stadt prächtig und schön anzusehen.

Doch vor einem Jahrhundert tat Grimmbart der Abscheuliche, der letzte König des Wilderwest, etwas wahrlich Abscheuliches. Grimmbarts Sohn, Hicks der Hartnäckige vom Hauenstein der Zweite, war mit seinem Dachen Wildwut vor König Grimmbart getreten. In friedlicher Absicht hatten sie dem König die Bitte vorgetragen, das Elend der Sklaven ein für alle Mal zu beenden. Doch Grimmbart missverstand die Bitte – er sah darin nichts anderes als einen Aufstand, eine Rebellion gegen seine Herrschaft. Rasend vor Wut zog er sein Schwert »Sturmklinge« und schlug auf seinen eigenen Sohn ein, bis sich dessen Blut über den Sitz seines Throns ergoss.

Und von dieser Stunde an lag ein Fluch auf der Insel des Neuen Tages. Das Heer der Drachen, das in friedlichem Protest gegen die Sklaverei herbeigezogen war, fiel über die Stadt her und legte sie in Schutt und Asche. Die hundert prächtigen Schlösser und Burgen wurden dem Erdboden gleichgemacht. Der Drache Wildwut geriet in Gefangenschaft, wurde in schwere Ketten gelegt und in die Tiefen eines Kerkers im Wald geworfen.

Doch Grimmbart der Abscheuliche bereute seine furchtbare Tat. Er schwor, dass es niemals mehr einen neuen König von Wilderwest geben solle, es sei denn, dieser neue König wäre ein besserer Mensch, als er es gewesen war. Und jeder, der König werden wolle, müsse eine wahrhaft unmögliche Aufgabe vollbringen. Grimmbart verteilte zehn Dinge, die »Dinge des Königs«, in den fernsten Winkeln der Barbarenwelt.

Er sorgte dafür, dass diese Dinge von den grausamsten Ungeheuern und furchtbarsten Drachen bewacht würden. Nur ein wahrer Held sollte die Dinge finden und sammeln und den Fluch aufheben können. Und dieser Held würde dann der nächste König des Wilderwest werden.

Obwohl es eigentlich unmöglich war, dass jemals ein Held diese zehn Dinge finden würde, errichtete Grimmbart noch drei weitere, letzte Hürden: Erstens dürfe der Held nur am letzten Tage des Julfests gekrönt werden, das die Wikinger nach uralter Tradition jedes Jahr an den zwölf Tagen zwischen der Wintersonnenwende und dem ersten Tag des neuen Jahres feierten. Zweitens müsse die Krönung auf der Insel des Neuen Tages stattfinden und nirgendwo sonst. Und drittens müsse die Krönung auf dem Sockel des Throns erfolgen, auf dem Grimmbarts Sohn, Hicks der Zweite, verblutet war.

Doch bis es so weit war, musste die Insel geschützt werden. Deshalb setzte Grimmbart Wächter ein – Menschenkrieger, kampferprobte Drachen und unheimliche Sandgeister –, die die Festungsruine bewachten. Es waren furchtbare Wächter, grausamer und grauenvoller, als man sich vorstellen konnte. Jeder, der versuchte, unbefugt die Insel zu betreten, würde auf der Stelle getötet.

Doch jetzt braucht der Archipel einen neuen König, und es braucht ihn dringender als jemals zuvor. Denn der Drache Wildwut ist aus seinem Waldkerker entkommen und er ist entschlossen, die gesamte Menschheit auszulöschen.

Der Drache hat seinen Siegeszug bereits angetreten. Den gesamten Nordteil des Archipels hat er in Schutt und Asche gelegt. Die Menschen waren in die Flucht geschlagen worden und haben sich in ihrer Angst in Höhlen und unterirdische Verstecke geflüchtet.

Nichts und niemand kann den Drachen Wildwut noch aufhalten. Niemand – außer einem neuen König. Denn ein neuer König wird das Geheimnis des zehnten der Zehn Verlorenen Dinge des Königs erfahren: des Drachenjuwels. Dieses Juwel ist so ungeheuer mächtig, dass es sämtliche Drachen ein für alle Mal vernichten kann.

Wie gesagt: Nur einmal im Jahr kommt die Zeit, in der ein möglicher König die Insel des Neuen Tages betreten darf.

Am zwölften Morgen des Julfests.

Heute ist der neunte Tag des Julfests.

Und da sehen wir ihn auch schon, den ungewöhnlich großen, einsamen Fährmann, der von der Insel des Neuen Tages über den Heldensund zum Festland hinüberrudert, auf dem sich das Mordsgebirge erhebt. Der Fährmann ist Druide und Wächter der Insel des Neuen Tages. Er trägt eine Augenbinde, die er erst abnehmen darf, wenn ein neuer König von Wilderwest gekrönt wird. Die Augenbinde soll sicherstellen, dass er ein unparteiischer, unversöhnlicher Richter ist und dass es nichts gibt, das ihn in seiner Rolle als Druidenwächter beeinflussen kann. Aber eine überirdische Macht sorgt dafür, dass er die Gestalt spüren kann, die zusammen mit einer kleinen Gefolgschaft am Ufer auf ihn wartet.

Die Gestalt ist kein anderer als UG Ugglitugg. Neue Hoffnung keimt im Fährmann auf. Endlich … gerade noch rechtzeitig … Hier kommt ein Held, der das Königreich für sich beansprucht! Und das, noch bevor der Drache Wildwut die gesamte Menschheit auslöschen konnte.

Der Druidenwächter lässt sein Fährboot auf den Singenden Sand am Strand der Fährmannsgabe auflaufen. Er breitet die Arme aus und verkündet mit schallender Stimme den Warnungsgruß, wie es schon sein Vater, sein Großvater und sein Urgroßvater jedes Jahr getan haben: »Wer immer du auch sein magst, der du dich dem Neuen Tag zu nähern wagst! Nur der eine, der des Königs Verlorene Dinge besitzt, kann zum König gekrönt werden und darf weiterleben …«

Und der Druidenwächter wendet sich an UG Ugglitugg und stellt ihm mit feierlicher Stimme die entscheidende Frage: »Bist du der Mann, der König werden will?«

UG erwidert: »Ja, der bin ich.«

»Bist du der, der von allen Stämmen des Archipels erwählt wurde?«

Wieder nickt UG. »Ja, der bin ich.«

»Hast du die Fährmannsgabe mitgebracht?«

»Ja, das habe ich«, sagt UG Ugglitugg.

Der Druidenwächter nickt mit ernster Miene, doch zugleich mit steigender Hoffnung: »So zeige mir denn des Königs Dinge.«

UG Ugglitugg schnippt mit den Fingern als Zeichen für seine Gefolgsleute, die Dinge des Königs vorzulegen.

Und dies sind die Verlorenen Dinge des Königs: der zahnlose Drache, Grimmbarts zweitbestes Schwert, der römische Schild, der Pfeil-aus-dem–Land-das-es-noch-nicht-gibt, der Herzstein, das Tickdings, der Schlüssel-aller-Schlüssel, der Thron, die Krone und das Drachenjuwel.

UGs Gefolgsleute legen die Dinge vor den Fährmann auf den Strand und ziehen sich mit tiefen Verbeugungen zurück. Der Druidenwächter tritt näher, um jedes einzelne der Dinge des Königs zu prüfen. Lange, lange bleibt er stumm, nimmt jedes einzelne der Dinge in die Hände, tastet es auf allen Seiten ab und prüft es auf seine Echtheit.

Dann, endlich, tritt er zurück. Ein grimmiger Ton liegt in seiner Stimme, als er nun laut und weithin schallend verkündet: »Diese Dinge sind GEFÄLSCHT! Besonders armselig ist die Fälschung des zahnlosen Drachen. Es ist grausam, einem wehrlosen Geschöpf solche Schmerzen zuzufügen! Wir werden ihm auf der Insel ein neues Zuhause geben.«

Tatsächlich hatte UG Ugglitugg einem armen, kleinen Dickfüßigen Stolperdrachen sämtliche Zähne ziehen lassen, um ihn als den echten zahnlosen Drachen auszugeben, von dem in der Prophezeiung die Rede ist.

UG Ugglitugg wird so weiß wie ein frisch gewaschenes Schaffell.

»Und nun zu DIR, UG Ugglitugg!«, fährt der Druidenwächter fort. »Wisse: Wer auch immer sich der Insel des Neuen Tages mit einem falschen Tribut nähert, stirbt einen grausamen, schnellen und entsetzlichen Tod, zusammen mit allen Gefolgsleuten.«

Der Druide breitet die Arme aus und ruft mit Donnerstimme: »ERHEBT EUCH, O IHR BESCHÜTZER DES NEUEN TAGES! ERHEBT EUCH UND VOLLBRINGT EURE GRAUSAMSTEN TATEN!«

Und rings um UG Ugglitugg und seine Gefolgsleute beginnt der Sand zu brodeln, Blasen zu werfen – und aus den Blasen platzen Gestalten. Der Strand gebiert Kreaturen von unvorstellbarer Hässlichkeit, riesige Geschöpfe, brüllend vor Wut, Blutlust und Rachedurst. Den Wikingern bleibt keine Zeit mehr zu reagieren, sich zu wehren, um ihr Leben zu kämpfen. UG Ugglitugg und seine Männer finden nicht einmal mehr die Zeit, sich ihre Gegner genau anzuschauen … ob sie Drachen sind oder etwas noch Böseres.

Die Kreaturen packen UG Ugglitugg, packen seine Gefolgsleute, die ihr Leben lang nichts als Angst und Schrecken verbreitet haben und nun selbst vor heillosem Entsetzen und in unbändiger Todesangst schreien. Und die Kreaturen reißen sie mit sich, schießen in die Höhe, immer weiter hinauf, in die schwarzgrauen Wolken, und noch höher in den Himmel, wo die Luft dünner und kälter wird, so eisig und erstickend kalt, dass es den Menschen den Atem raubt … und dort, in der obersten Atmosphäre, die wie Feuer alles vernichtet und verzehrt, findet die Bestrafung dieser Menschen ihr Ende. Sie kehren nur noch als Ascheflocken und violetter Regen auf die Erde zurück.

Denn dies ist die Vergeltung, die die Druidenwächter all jenen zuteilwerden lassen, die es wagen, ohne die Zehn Verlorenen Dinge des Königs die Insel des Neuen Tages zu betreten.

Einsam steht nun der Druidenwächter am Strand. Er seufzt, krault sanft den Kopf des armen, zahnlosen Dickfüßigen Stolperdrachen und flüstert ihm zu, dass alles wieder gut werden wird. Und er murmelt vor sich hin: »Noch zwei Tage … nur noch zwei Tage bleiben dem Helden,...