Die Farben der Leidenschaft

von: Kate Hoffmann

CORA Verlag, 2018

ISBN: 9783733758479 , 130 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 1,99 EUR

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Die Farben der Leidenschaft


 

1. KAPITEL

Ian blinzelte gegen die Sonne. Das gleißende Licht, das sich in der Windschutzscheibe spiegelte, verursachte ihm Kopfschmerzen. Er hatte den gestrigen Abend mit seinen Brüdern verbracht und zu viel Bier getrunken. Da heute Samstag war, war das kein großes Problem, denn obwohl er Polizeichef von Bonnett Harbor war, war er nicht im Dienst.

Das Dach seines Mustangs war geöffnet. Ein bisschen Schatten würde vermutlich helfen, die Kopfschmerzen loszuwerden, aber mit geschlossenem Verdeck zu fahren, wäre an einem so schönen Junitag eine Schande. Er hielt an der Ampel der Kreuzung Main und Harbor Street und wollte abbiegen.

Ein kleiner Sportwagen hielt neben ihm und er sah zu dem Triumph Spitfire hinüber. Ian hatte klassische Sportwagen schon immer gemocht, und dieser war eines seiner Lieblingsautos. Er blickte zur Fahrerin, um ihr anerkennend zuzunicken, aber ihm stockte der Atem und er fühlte sich, als wäre er von einer Dampfwalze überrollt worden.

Sie war schön. Nein, mehr als das. Er suchte nach dem passenden Wort, aber er war noch nie ein Dichter gewesen. Hinreißend beschrieb sie nicht ganz. „Atemberaubend“, murmelte er. Ein besseres Wort fiel ihm nicht ein.

Ihr Kleid umschloss ihren Körper wie eine zweite Haut und war tief ausgeschnitten, sodass er ein Stück ihrer perfekten Brüste sehen konnte. Ian blickte auf seinen Schoß hinab. Verblüfft sah er, dass er erregt war. Als könne sie seinen Blick spüren, schaute die Frau zu ihm herüber. Sie sahen einander einen intensiven Moment lang an und die Luft zwischen ihnen knisterte regelrecht.

Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht und hob dann langsam die Sonnenbrille hoch, während ein Lächeln ihren Mund umspielte. Sie schürzte die Lippen ein wenig, als wolle sie ihm einen Kuss zuwerfen, dann senkte sie die Brille wieder.

Einen Augenblick später war sie fort. Ihr Auto fuhr die Harbor Street hinunter. Ian merkte sich das Nummernschild, riss das Lenkrad nach links und wollte ihr folgen, aber er löste die Kupplung zu schnell und würgte den Mustang ab. Fluchend ließ er den Wagen wieder an. Doch als der endlich ansprang, war sie verschwunden.

Als er auf die Hauptstraße fuhr, nahm Ian sein Handy und rief die Polizeiwache an. „Sally, Sie müssen ein Nummernschild aus New York überprüfen. T-B-7-8-4-1. Ich bin gleich da.“

„Geht klar, Boss“, erwiderte Sally.

Den Rest des Wegs verlor Ian sich in Fantasien von der Frau, die er gerade gesehen hatte. Er hielt sich immer an die Regeln, und der Gedanke, sie ohne guten Grund anzuhalten, ging ihm gegen den Strich. Aber sie war anders als die Mädchen, die ihn normalerweise anzogen. Diese Frau war … exotisch. Seine Neugier war geweckt, und das geschah nicht oft.

Ian stellte den Wagen auf dem Parkplatz vor der Wache ab. Er konnte nur daran denken, sie ausfindig zu machen. Aber als er die Tür zuschlagen wollte, blieb er wie angewurzelt stehen. Er erinnerte sich vage an gestern Abend.

Das Keuschheitsgelübde. „Verdammt“, murmelte er. Er sollte nicht an Frauen denken, geschweige denn, einer durch die Stadt folgen. Gestern Abend hatten er und seine Brüder einander geschworen, sich für drei Monate von Frauen fernzuhalten. Es war eine dumme Idee gewesen, und Ian wusste nicht, warum er sich darauf eingelassen hatte.

Aber vielleicht war es ja gar keine so schlechte Idee. Wenn er nicht mehr nach der richtigen Frau suchte, dann würde die richtige Frau vielleicht einfach auftauchen. Aber es war sicher nicht die Frau im grünen Triumph. So wie sie aussah, kam sie nicht aus Bonnett Harbor – und sie gehörte auch nicht in sein Bett.

Außerdem musste er auf seinen Ruf achten. Obwohl er ein gesunder, einunddreißigjähriger Mann war, hätte er ebenso gut der Priester des Orts sein können. Warum verstanden die Einwohner von Bonnett Harbor nicht, dass er ein ganz normaler Mann war, der eine Uniform trug? Er war kein Ausbund an Anstand und Ehre. Manchmal war er ein Bad Boy – und manchmal war eine Frau beteiligt.

In der Polizeistation war es kühl und ruhig. Sally Hughes, die Rezeptionistin, lächelte ihn an, als er hereingeschlendert kam.

„Guten Morgen, Chief.“ Sie hielt ihm eine Akte hin. „Das Auto ist auf eine Marisol Arantes registriert. Wohnhaft in Manhattan. Keine Vorstrafen. Also, was hat sie angestellt?“

„Nichts. Also ist sie nicht von hier.“

„Nein. Vielleicht hat sie Freunde hier besucht. Soll ich mehr herausfinden?“

„Nein, danke. Das ist nicht nötig.“ Ian ging in sein Büro. Bonnett Harbor hatte etwa zweitausendfünfhundert Einwohner und acht Polizeibeamte. Es passierte nicht viel, von ein paar lauten Partys am Wochenende abgesehen. Marisol Arantes zu sehen, war das Interessanteste gewesen, was Ian seit ein oder zwei Monaten zugestoßen war.

Er setzte sich an seinen Schreibtisch und zog ihr Führerscheinfoto aus dem Ordner. Sie blickte ihn heißblütig an. Er seufzte. Wie es wohl wäre, eine solche Frau in seinem Leben … in seinem Bett zu haben? Ihre leidenschaftliche Seite zu erforschen, jede Kurve ihres Körpers zu erkunden und sich ihre Stimme und ihre Berührungen einzuprägen.

„Da ist noch etwas“, sagte Sally, die den Kopf zur Tür hereinstreckte.

Ian schloss die Akte und sah auf. „Heute ist Samstag. Ich habe frei, oder? Aber meinetwegen.“ Ian klemmte sich die Akte unter den Arm. „Worum handelt es sich?“

„Es gibt einen neuen Mieter in der Bay Street, in dem Geschäft mit den zwei Pinien davor. Ein paar der alten Schachteln haben sich darüber beschwert, dass etwas Obszönes im Schaufenster ausgestellt ist.“

„Obszön?“

„Sie wollten es nicht sagen. Ich tippe auf nackte Brüste.“

„Gut“, sagte Ian. „Ich überprüfe das, aber dann bin ich für heute fertig, verstanden? Wenn es sonst noch was gibt, sollen die Jungs sich darum kümmern.“

Sally salutierte. „Jawohl, Chief. Genießen Sie Ihr Wochenende.“

Ian ging zu seinem Wagen, dann bemerkte er die Akte, die er immer noch in der Hand hielt. Er zog erneut ihr Foto hervor. Es musste eine Möglichkeit geben, diese Frau wiederzusehen. Nie zuvor war er von einer Frau so fasziniert gewesen, schon gar nicht von einer völlig Fremden.

Er lehnte sich an den Mustang und blickte ihr Gesicht noch eine Weile an. Schließlich stieg er ins Auto und warf die Akte auf den Beifahrersitz. Er würde sie nicht wiedersehen, also warum sollte er über sie nachdenken?

Ian legte den Gang ein und verließ den Parkplatz Richtung Bay Street, in der es Geschäfte, Boutiquen und auch ein paar Kunstgalerien gab.

Ian parkte den Wagen und stieg aus, ohne sich um die Parkuhr zu kümmern. Während er die Straße entlangging, suchte er die Fenster nach etwas ab, das man für „obszön“ halten könnte. Einen Augenblick später blieb er vor den zwei kleinen Pinien stehen. Drei Skulpturen standen im Schaufenster. Alle drei zeigten den männlichen Körper zwischen der Taille und den Schenkeln.

Die Skulpturen wirkten verstörend lebensecht. Genau genommen waren sie nicht obszön, nur sehr detailliert und realistisch. Und recht gut bestückt. Er ging zur Tür und spähte hinein. Das Innere war unordentlich, als würde der neue Mieter gerade erst einziehen. Gemälde lehnten an den Wänden und weitere Skulpturen standen, in Blisterfolie verpackt, auf Podesten. Ian drückte die Klinke hinunter und stellte überrascht fest, dass sie offen war.

Er betrat den kühlen Raum. „Hallo?“, rief er. „Ist jemand hier?“

Ein paar Sekunden später hörte er Schritte. Und dann erschien sie, wie durch Magie. Die Frau im grünen Triumph. Ian sog die Luft ein, als sie näherkam.

„Kann ich …“ Sie brach ab. „Sie sind es“, sagte sie. „Wir haben uns an der Ampel gesehen.“

Ian nickte und zog seine Polizeimarke aus der Jeanstasche. Sie erinnerte sich also auch an ihn. Das war ein gutes Zeichen. „Ian Quinn“, sagte er. „Ich bin Polizeichef hier in Bonnett Harbor. Und Sie sind …“

„Marisol“, erwiderte sie und ihre rauchige Stimme sandte einen Schauer seinen Rücken hinunter. „Marisol Arantes.“

Sie reichte ihm nicht die Hand und er war enttäuscht. Ihre Finger waren lang und schmal. Er bemerkte einen Strich aus blauer Farbe unter ihrem Handgelenk und starrte eine Weile darauf.

Sie räusperte sich und riss ihn so aus seiner Trance. „Kann ich etwas für sie tun? Ich glaube, ich habe alle meine Genehmigungen, oder nicht?“

Er sah ihr in die Augen. „Man hat mich gebeten, herzukommen, um über die Pe…“ Er machte eine Pause. „Um über die … Kunstwerke in ihrem Schaufenster zu sprechen.“

Sie blickte ihn auf beunruhigende Weise an und Ian trat von einem Fuß auf den anderen. Er konnte ihren Gesichtsausdruck einfach nicht deuten. Frauen fanden ihn für gewöhnlich charmant, aber er spürte, dass Marisol Arantes mehr von Männern erwartete als nur ein gewinnendes Lächeln. Er spielte definitiv nicht in ihrer Liga.

„Man hat Sie gebeten?“ Sie kam einen Schritt auf ihn zu und ging dann um ihn herum. Dabei musterte sie ihn genau. „Tun Sie immer das, worum Menschen Sie bitten, Mr. Quinn?“

„Miss Arantes, das hier ist eine Kleinstadt. Und auch wenn Ihre Skulpturen und Bilder die Menschen in der Großstadt … faszinieren, hier bringen sie die Menschen ein wenig aus der Fassung.“

„Sie auch?“

Er lachte leise, als sie ihn umkreist hatte und wieder vor ihm stand. „Stellen Sie immer so viele Fragen?“, entgegnete er.

Sie lächelte. „Ich bin neugierig. Was halten Sie von...