Die Schatzjägerin 1 - Der Fluch

von: G. Arentzen

Romantruhe-Buchversand Joachim Otto, 2018

ISBN: 9783864734755 , 108 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 8,90 EUR

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Die Schatzjägerin 1 - Der Fluch


 

Kapitel 1


 

Besuch

 

 

Mein Blick glitt über das Meer, das mächtig und Ehrfurcht gebietend tief unter meinem kleinen Bungalow gegen die felsigen Wände der Küste brandete. Hier in der Toskana, nur wenige Kilometer entfernt von Grosseto und dem Küstenort Ansedonia, pausierte selbst die Zeit gelegentlich, ging alles in einem völlig anderen Tempo voran als im Rest des Landes oder gar im Rest der Welt.

Beschaulicher, gemütlicher, ohne diesen ständigen Stachel der Eile, der die Menschen in Rom oder London pausenlos anzutreiben schien.

Es tat gut, an dem breiten Fenster zu stehen, welches eine Wand des Wohnzimmers vollkommen einnahm, und den Wellen zuzuschauen. Ihre graue, für das Jahr typische Farbe hatte nichts Beängstigendes. Der Wind trieb das Wasser auf, war aber nicht so stark, als dass sich ein Sturm entwickelt hätte. Menschen gingen am Sandstrand entlang, der eigentlich zu meinem Grundstück gehörte. Wäre ich boshaft gewesen, hätte ich den Strand einfach sperren können, und niemand wäre in der Lage gewesen, es mir zu verbieten.

Früher mal, einige Jahre zuvor, hatte sich dieses Haus im Besitz einer Mafia-Killerin befunden. Es war ihr Domizil gewesen, sie hatte es gehegt und gepflegt. Eines Tages aber schlugen die Behörden in einer weltweiten Aktion zu, und die ehemalige Bewohnerin tauschte den Bungalow gegen eine kleine Zelle in Frankfurt-Preungesheim. So bot sich mir die Chance, zuzugreifen.

Ein Schnäppchen, wie ich zugeben musste. Das Anwesen, der Wagen in der Garage – und ein Raum unter der Küche, den nicht einmal die Polizei gefunden hatte. Darin ein paar Waffen, Lebensmittel für den Fall, dass sie dort Zuflucht suchen musste, sowie größere Bargeldbestände. Es war mir nie in den Sinn gekommen, das Geld zu nehmen. Irgendwann, da war ich mir sicher, würde jemand klingeln und es haben wollen.

Langsam wandte ich mich ab, lief über den flauschigen Flokati, in dem meine nackten Füße fast vollständig versanken, um schließlich auf dem Ledersofa Platz zu nehmen. Ganz automatisch betrachtete ich dabei die Figur des Zorn-Gottes, die neben der Glotze auf dem Mahagonischrank stand und sich dort ausnehmend gut machte. Eigentlich hätte mir die Statue knapp 250.000 britische Pfund einbringen sollen, zuzüglich meiner Auslagen und dem Gehalt für Bob, der für diesen Job – unabhängig von dessen Erfolg – 50.000 Dollar erhielt.

Stattdessen stand der Gott nun in meinem Wohnzimmer und würde auch dort bleiben. Als Erinnerung daran, wie rasch der Tod kommen konnte. Mein Leben hatte im wahrsten Sinne des Wortes am ledernen Band gehangen, denn ohne den Träger des Rucksacks wäre das Gift vollends in meinen Körper gelangt. Eine tödliche Dosis, mehr als fünfmal so stark wie jene Portion, die mich während der Flucht vor den Eingeborenen ausschaltete. Nur ein paar Millimeter weiter rechts oder links, und es wäre um mich geschehen gewesen. Tot, irgendwo in Borneo. Ohne Begräbnis und ohne, dass meine Eltern je von meinem wahren Job erfahren hätten. Für sie war ich die brave Archäologin, die für irgendwelche Fachblätter journalistisch tätig war. Nicht die Schatzjägerin oder Grabräuberin, die ich in Wahrheit darstellte. Erfolgreiche Schatzjägerin, wie erwähnt werden sollte, denn bisher war es mir gelungen, jedes angefragte Artefakt zu beschaffen. Eine Schale der Kelten vom Rhein in Deutschland oder ein Ankh aus Ägypten – im Grunde spielte es keine Rolle, was der Kunde wollte. So lange er nur das Geld besaß, mich zu bezahlen.

Dieser Gott des Zorns aber würde niemals zum Verkauf stehen, das hatte ich mir geschworen. Er war mein, und das sollte auch so bleiben. Nach den Höhenflügen der letzten Jahre, in denen jedes Abenteuer quasi reibungslos über die Bühne gegangen war, hatte mich der Beinahe-Tod auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.

Besser so, als wenn mein Kopf irgendwo an einer Hütte der Eingeborenen gebaumelt hätte.

Jetzt wollte ich eine Weile relaxen. Ein Raum des Bungalows war zu einem kleinen Privatkino umgebaut worden, und auf dem Tisch vor dem Projektor stapelten sich Filme. Ein paar Bekannte aus der Umgebung warteten auf meinen Besuch, meine Eltern hatten mehrfach angerufen, Bob wollte seinem Bruder auf der Farm helfen. Einzig ein kleiner Ausflug nach Deutschland war mir bisher dazwischengekommen, hatte aber nur ein paar Tage beansprucht. Eine Kollegin hatte mich um Hilfe gebeten, da ihr Freund Christoph Schwarz – ein Detektiv, der sich mit irgendwelchen seltsamen Fällen befasste –, in Schwierigkeiten gekommen war und sie um ihn gebangt hatte. Nun, zurück in Italien und mit dem Wissen, dass diese Kollegin – Nadine Weyer – ihren Liebsten wieder umarmen konnte, wollte ich das tun, wonach mir der Sinn stand.

Aber all diese Pläne wurden durch das Klingeln an der Tür zunichte gemacht. Es war nicht so, dass ich ein sonderlich zurückgezogenes Leben geführt hätte. Im Grunde kannte jeder in Grosseto meine Adresse – das kleine Haus auf dem Hügel über dem Meer – und meine Nummer war im Telefonbuch zu finden. Hätte mich die Polizei gesucht – okay. Aber es lag trotz meiner meist illegalen Arbeit nichts gegen mich vor. Die richtigen Stellen waren geschmiert, die Auftraggeber hielten dicht und wer etwas ahnte hielt die Klappe, weil irgendjemand irgendwann das Gerücht gestreut hatte, ich würde auch für eine Mafia-Familie arbeiten. Muss einer gewesen sein, der mich mit denen gesehen hatte.

Seufzend stand ich auf, schlüpfte in meine Latschen und schlurfte müde durch den Gang. Obwohl die Speerwunde fast verheilt war, schmerzte die Stelle noch immer gelegentlich wie ein tief sitzender Stachel.

Neben der Eingangstür befand sich ein kleiner Bildschirm, der das gesamte Areal vor dem Eingangsbereich zeigte. Mehrere Kameras waren rings um das Haus angebracht, sollten Schutz vor ungebetenen Gästen bieten. Das Bild auf dem Schirm war etwas verschwommen. Vermutlich mussten die Linsen der Kameras mal wieder gereinigt werden. Dennoch erkannte ich deutlich die beiden distinguierten Männer, die vor der Tür standen und geduldig warteten. Sie sahen weder wie Anwälte noch wie Polizisten aus. Vielmehr wie potenzielle Auftraggeber, und dies ließ mein Herz entgegen meinem Vorsatz, mir etwas Ruhe zu gönnen, höher schlagen.

Schwungvoll öffnete ich. »Buongiorno.«

Beide Männer nickten, ehe sie nahezu gleichzeitig ein »Buongiorno« hören ließen. An ihrer Aussprache merkte man, dass sie Italiener waren. Kein Akzent, sondern eher die Art, das Wort auszusprechen, wie man sie in Rom fand.

»Was kann ich für Sie tun?«, erkundigte ich mich so freundlich als möglich, gleichzeitig aber auch unverbindlich. Bis zu diesem Moment konnten sie auch Missionare einer Sekte sein, die auf Seelenfang waren. Ihre Mienen blieben ausdruckslos, während sie mich sekundenlang musterten.

»Signora Jaqueline Berger?«, fragte schließlich der mir etwas älter erscheinende der Beiden. Es war schwer zu sagen, da beide dunkle Anzüge trugen, glatt rasiert waren und sogar ihr Haar auf identische Art und Weise scheitelten. Sie trugen beide einen goldenen Ring an der rechten Hand, zu den Anzügen passende Schuhe und ihre Gesichter waren gebräunt. Bei jenem, der nach meinem Namen gefragt hatte, umspielten jedoch Falten die Mundwinkel.

»Signorina Jaqueline Berger«, korrigierte ich ihn, da ich weder geheiratet hatte, noch etwas Derartiges plante. Mehr noch, ich hatte nicht einmal einen Freund.

»Oh, scusi«, entschuldigte er sich sofort, und plötzlich – wie angeknipst – erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht. »Dürfen wir eintreten, Signorina

»Worum geht es denn?« Du denkst doch nicht, dass ich dich so einfach in meine Wohnung lasse? My Home is my Castle! »Und mit wem habe ich das Vergnügen?«

»Um einen Auftrag, den wir Ihnen gerne erteilen würden. Etwas, das Ihr Spezialgebiet berührt, wie Sie feststellen werden. Unsere Namen sind in diesem Moment nicht von Belang, wir würden gerne anonym bleiben. Es sind heikle Geschäfte, die wir zu tätigen gedenken.«

Wenn das so ist – dann immer rein in die gute Stube. Und füllt schon mal den Scheck aus, Jungs. »Also schön, dann kommen Sie mal rein.« Damit trat ich zur Seite, so dass die beiden Männer passieren konnten. Auch der Schweigsame lächelte nun, aber bei ihm wirkte es verkrampfter. Sie gingen an mir vorbei – und plötzlich richteten sich meine Nackenhaare auf. Dies taten sie nicht oft. Wenn, war Gefahr im Verzug. Während meine Besucher durch den Flur dem Wohnzimmer entlang gingen, nahm ich recht unauffällig eine kleine Pistole aus der Schublade der kleinen Kommode im Flur und ließ sie im Bund meiner Hose verschwinden. Dabei war es nicht die Anonymität, die mich verunsicherte. Schon mehrfach hatten es Kunden vorgezogen, ihren Namen zu verschweigen. Das Risiko, auf diese Art einem verdeckten Ermittler in die Falle zu gehen, musste ich dabei in Kauf nehmen. Es war ein Geschäft mit vielen Risiken, das ich mir entsprechend bezahlen ließ.

»Hübsch haben Sie es hier. Und diese Figur … Südamerika?«

Noch immer war es der Ältere, der das Wort führte, während sein Partner etwas gelöster lächelte, nun aber an die Mona Lisa erinnerte. Sie standen beide vor dem Zorngott und betrachteten ihn nahezu ehrfürchtig.

»Nein, aus Borneo. Der Gott des Zorns. Ein Volk, das als untergegangen galt, betete ihn an. Wir fanden ihn kürzlich bei einer kleinen Expedition.«

»Sie haben ihn nicht gefunden, sondern gestohlen und heimlich außer Landes geschafft. So ist es doch, Signorina...