Alex Morgan. Jägerin der Zwischenwelt - Das Wesen aus der Dunkelheit. Folge 2

von: Jay Mason

beBEYOND, 2018

ISBN: 9783732536016 , 152 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 2,99 EUR

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Alex Morgan. Jägerin der Zwischenwelt - Das Wesen aus der Dunkelheit. Folge 2


 

Kapitel 2: Aufgewühlte Vergangenheit


»Zeig mir die E-Mail«, sagte Rusty. Sie saßen im Schlafzimmer von Alex und tranken den heißen Kakao, den ihre Mutter ihnen gebracht hatte. Weil Irene die Tür nach dem Servieren wie immer einen Spalt offen gelassen hatte, unterhielten sich Alex und Rusty im Flüsterton.

»Hier«, sagte Alex und schaltete den Computermonitor ein. »Ich behalte die Tür im Blick.«

Rusty las:

An: Alex Morgan
Von: c0nundrum
Betreff: Dreharbeiten

Danke für die Warnung vor Mr. Trend. Ich hörte davon, dass in der Stadt ein Sci-Fi-Film gedreht wird, wusste aber nicht, dass der Hauptdarsteller ein persönliches Anliegen hat. Du bezeichnest Joe als »nicht allzu schlau, aber nett« und schreibst, dass ihm für sein Hobby als Alien-Jäger viel Geld zur Verfügung steht. Leider muss ich sagen, dass ich Mr. Trend nicht für einen Verbündeten halte. Ich befürchte vielmehr, dass er in seiner Naivität einen chaotischen Medienrummel verursachen wird, der uns in ernsthafte Gefahr bringen könnte. Er klingt nicht nach jemandem, dem wir unsere Geheimnisse anvertrauen sollten – dafür hat er sich dir gegenüber viel zu schnell geöffnet. Stattdessen scheint er jemand zu sein, der privilegiert und arrogant genug ist, unangemeldet an irgendwelchen Orten aufzutauchen, die andere meiden. Ich schlage vor, du versuchst, ihn möglichst vom Zentrum fernzuhalten. Wenn die Leitung merkt, was er vorhat, könnte sie den Betrieb einstellen und umsiedeln. Für uns wäre das ein herber Rückschlag.

Entschuldige, dass ich so pessimistisch bin.

Alles Gute,

c

Rusty lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Meine Güte, c0nundrum mag Joe nicht, oder? Meinst du, er hat einen seiner Filme gesehen?«

Alex lehnte sich vorsichtig gegen die Tür und schloss sie so leise wie möglich. »Warum? Würde das helfen?«

»Vermutlich nicht«, sagte Rusty. »Hast du Joe wirklich als ›nicht allzu schlau‹ bezeichnet?«

»Das heißt nicht, dass er dumm ist«, erwiderte Alex und setzte sich aufs Bett. »Er hat nur nie in der wahren Welt gelebt. Im einen Moment spricht man mit einem Erwachsenen, im nächsten ist es so, als würde man einem 2-Jährigen erklären wollen, was ein Katalysator ist. Er hat eben ein anderes Referenzsystem als wir.«

»Macht der Psychologiekurs Spaß?«, neckte Rusty sie.

»Die Sache ist die: Ich weiß nicht, ob c0nundrum recht hat. Ich glaube, Joe könnte für uns die perfekte Gelegenheit sein, eine Führung durchs Zentrum zu bekommen. Er hat Einfluss.«

»Man wird ihm dort wohl kaum die geheimen Projekte zeigen«, sagte Rusty.

»Nein, aber immerhin hätten wir dann eine grundsätzliche Vorstellung von dem Ort. Außerdem wissen wir ja, wonach wir suchen. Vielleicht entdecken wir Hinweise.«

Rusty nahm einen großen Schluck heißen Kakao und schon zierte ein breiter, brauner Schnurrbart sein Gesicht. Er blickte Alex betont ernsthaft an, aber der Kakaoschnurrbart und der Sahneklecks auf seiner Nasenspitze ruinierten den gewünschten Effekt. »Ich glaube zum ersten Mal, dass c0nundrum recht hat. Wenn wir uns Joe anschließen, geraten wir noch stärker ins Visier des Zentrums. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das gut ausgeht.«

Alex setzte zu einer Erwiderung an, wurde jedoch unterbrochen, als sich die Tür öffnete und ihre Mutter das Zimmer betrat. Rusty gelang es gerade noch rechtzeitig, den Bildschirm auszuschalten.

»Möchte jemand Kekse?«, fragte Irene. »Ich habe die gebacken, die du so gerne magst, Rusty.«

»Ooh, wie nett, Mrs. Morgan«, sagte Rusty und nahm sich gleich zwei. »Ich verstehe nicht, warum Alex nicht furchtbar fett ist – so wunderbar, wie sie kochen und backen.«

Alex verdrehte hinter dem Rücken ihrer Mutter die Augen. Abgesehen von Rusty hielt die ganze Welt das Essen ihrer Mutter für ungenießbar.

Im Laufe der nächsten Tage lernte Alex etwas sehr Wichtiges über Filmdreharbeiten: Sie gingen außergewöhnlich langsam voran. Die meiste Zeit über warteten nicht nur die Statisten sondern auch die Hauptdarsteller aufs Make-up, das richtige Licht, den nicht auffindbaren Tontechniker oder das Ende der gewerkschaftlich vorgeschriebenen Pausen für sonstige Kreative auf dem Set. Meist zog es Alex dann zu Joes Trailer. Joe besaß sowohl einen DVD-Player als auch eine Vorliebe für entsetzlich schlechte Science-Fiction-Filme. Alex saß mit ihm auf dem Sofa, aß Popcorn oder Chips und lachte genauso laut wie er. Gelegentlich sprachen sie über die Themen der Filme oder darüber, dass echte Außerirdische sich niemals auf diese oder jene Weise verhalten würden. Doch während Alex gerne bereit war, hypothetische Fragen zu erörtern, bemühte sie sich darum, Joe von allem, was hier vor Ort geschehen war, abzulenken.

Heute hatte Alex die erste Hälfte des Films verpasst, aber das war egal. Sogar Joe konnte die Handlung in zwei Sätzen zusammenfassen. Zehn Minuten später sprang Alex empört vom Sofa auf.

»Also, bitte!«, rief sie. »Keine überlegene Alien-Rasse würde ihre größte Schwäche offenbaren. Sie würde sie mit allen Mitteln geheim halten!«

»Aber dann könnte die Menschheit nicht gewinnen«, entgegnete Joe. »Außerdem hat der Regisseur so die Chance, seine Hauptdarstellerin von ihren Klamotten zu befreien.«

»Macht ihr das gern?«, fragte Alex. »Euch vor der Kamera ausziehen?« Kaum hatte sie das gesagt, wurde ihr bewusst, dass sie eine Grenze überschritten hatte. Bislang war es ihr und Joe gut gelungen, so zu tun, als seien sie nicht von unterschiedlichem Geschlecht. Vor allem, wenn man bedachte, wie attraktiv er war.

Zu ihrer Überraschung lief Joe knallrot an. »Gott, ich hasse es. Wie wohl die meisten Schauspieler. Man tut so, als sei man total scharf auf eine Person, die man kaum kennt, und jeder schaut zu. Ich kam mal auf ein Set und erfuhr, dass die Szenen allesamt umgestellt wurden. Bevor ich die Schauspielerin überhaupt kennengelernt habe, lag ich schon nackt mit ihr im Bett und wurde vom Regisseur dazu aufgefordert, sie ›härter ranzunehmen‹. Es war demütigend.«

»Seid ihr wirklich nackt«?, erkundigte sich Alex neugierig, obwohl sie wusste, dass die Frage unpassend war.

»Manchmal«, sagte Joe. »Kommt auf die Szene an. Hin und wieder wird ein Körper-Double verlangt, aber wenn man gut gebaut ist, wird einem klargemacht, dass man damit zusätzliche Kosten verursacht. Und wir sind ja nicht komplett nackt. Manche Leute müssen etwas anhaben, um nicht … Na ja, du kannst es dir sicher vorstellen.« Inzwischen war Joe derart rot angelaufen, dass Alex sich ernsthafte Sorgen um seinen Blutdruck machte. Sie stand auf und ging zur Popcornmaschine, um sich Nachschub zu holen und ihm die Chance zu geben, sich zu sammeln.

»Du solltest mal etwas anderes sehen als das Set«, hörte sie sich sagen. »Wie wäre es, wenn du heute Abend zum Essen vorbeikommst? Meine Mutter ist eine furchtbare Köchin, aber sie geht nie ins Kino und weiß also nicht, wer du bist.«

Joe lächelte sie breit an. »Das klingt fantastisch«, sagte er.

Wieder zuhause rief Alex Rusty an, um die Verabredung zum gemeinsamen Lernen am Abend abzusagen. Doch der war darüber ganz und gar nicht erfreut. »Du hast Joe zum Essen eingeladen? Was sagen deine Eltern dazu?«

»Sie waren dafür, dass ich am Film mitarbeite, weil ich durch den Job Extrapunkte bekomme und dadurch meine Noten aufpolieren kann. Und als ich meinte, dass ich den Star mit nach Hause bringe, hoffte meine Mutter wohl, dass ich endlich mein wahres Talent entdeckt habe«, sagte Alex. »Sie hält zwar nichts von Kino, aber sie fände es super, wenn ich einflussreich genug werde, um Geldspenden für ihre Projekte zu sammeln«, fügte sie verbittert hinzu. »Außerdem wird sie Joe lieben. So wie jeder. Wer ihn näher kennenlernt, weiß, dass er ein netter Kerl ist.«

Rusty schwieg.

»Wir können unser Treffen verschieben, oder?«, fragte Alex. »Es war doch nichts Wichtiges?«

»Mit Sicherheit nicht so wichtig wie euer Abendessen«, erwiderte Rusty schroff und legte auf.

Alex steckte ihr Handy zurück in die Tasche ihrer Jeans. Sie nahm sich vor, mit Rusty demnächst ein klärendes Gespräch zu führen. Er hatte offensichtlich Probleme, und sie war nur mit den Dreharbeiten beschäftigt. Sie war ihm keine gute Freundin gewesen und würde sich bessern.

Wenig später klingelte es an der Haustür. Alex eilte nach unten.

Auf der Veranda stand Joe. In der einen Hand hielt er einen riesigen Blumenstrauß, der seinen halben Körper verdeckte, und in der anderen Hand eine sehr große Flasche Champagner. Hinter ihm parkte ein schnittiger Wagen am Straßenrand. »Ich wusste nicht genau, was ich mitbringen soll«, sagte Joe. »Deine Eltern trinken doch Alkohol, oder?«

Alex nickte.

»Und deine Mutter leidet nicht unter Heuschnupfen? Andernfalls hätte ich im Wagen noch andere Geschenkoptionen. Morris könnte sie reinbringen.«

»Morris?«

»Mein Fahrer. Ich dachte mir, dass ich vielleicht ebenfalls Champagner trinke. Man kann nicht vorsichtig genug sein.«

»Gute Idee«, sagte Alex. »Du kannst ihn anrufen, wenn er dich abholen soll.«

»Oh, nein«, sagte er. »Viel zu nervig. Dann muss ich warten, bis er eintrifft. Morris hat das Radio und ein Sandwich. Es macht ihm nichts aus, am Straßenrand zu warten.«

Bevor Alex protestieren konnte, hörte sie hinter sich ihre Mutter die Treppe herunterkommen. Joe setzte sein attraktivstes Lächeln auf, trat einen Schritt vor und überreichte Irene die Blumen. »Für Sie, Mrs. Morgan«, sagte er. »Da ich nicht wusste, was ihre Lieblingsblumen sind, habe ich mich für herbstliche...