Tee? Kaffee? Mord! - Der Club der Giftmischer

von: Ellen Barksdale

beTHRILLED, 2018

ISBN: 9783732559374 , 221 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 4,99 EUR

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Tee? Kaffee? Mord! - Der Club der Giftmischer


 

Erstes Kapitel, in dem merkwürdige Gäste das Black Feather heimsuchen

Drei Männer und eine Frau saßen an Tisch vier im Pub Black Feather und unterhielten sich angeregt, während sie zu Abend aßen. Die Frau beugte sich vor und erzählte einen Witz, der ihre drei Begleiter zu schallendem Gelächter veranlasste. Es war nicht das erste Mal an diesem Abend, und nicht zum ersten Mal warfen andere Gäste der allzu ausgelassenen Gruppe irritierte Blicke zu.

Die vier schienen sich nicht daran zu stören, dass sie den Unmut einiger anderer Leute auf sich zogen, sondern machten weiter, indem nun einer der Männer im Flüsterton etwas erzählte, was bei den übrigen drei einen Lachanfall auslöste. So ging es eine Weile hin und her, bis der Nachtisch serviert wurde.

Die Frau nahm einen Löffel von dem Karamellpudding, der mit einer kleinen Sahnehaube verziert war, und nickte anerkennend. »Köstlich«, sagte sie und lächelte Louise Cartham zu, der Köchin des Black Feather.

»Das war das Stichwort«, raunte Louise ihrer Chefin Nathalie zu.

»Oh ja, gleich geht’s los«, stimmte die ihr zu und sah auf die Uhr. »Maximal zwei Minuten gebe ich ihr noch.«

Die Frau aß noch drei oder vier Löffel Pudding, dann zuckte sie leicht zusammen und riss die Augen auf. Sie verkrampfte sich, ließ den Löffel fallen, der vom Tisch rutschte und klirrend auf dem Boden landete. Die Frau verzog schmerzhaft das Gesicht und stöhnte angestrengt auf, dabei presste sie die Arme auf ihren Bauch, da sie offenbar Todesqualen durchlebte. Sie keuchte und schnappte nach Luft; sie versuchte, etwas zu sagen, brachte aber vor Schmerzen nur ein gequältes Röcheln über die Lippen. Ihre drei Begleiter beobachteten zwar aufmerksam ihr Leiden, unternahmen jedoch nichts, außer dass jeder von ihnen mit Genuss seinen Pudding aß. Die Frau wand sich unterdessen vor Schmerzen, verlor den Halt und rutschte von ihrem Stuhl. Auf dem Boden zuckte sie noch ein paarmal heftig, dann sank ihr Kopf zur Seite, der Körper erschlaffte.

Einer der Männer, ein schlaksiger Mittsechziger mit einer weißen Mähne, die Andy Warhol vor Neid noch mehr hätte erblassen lassen, sah in die Runde. »Arsen?«, fragte er die anderen, die zustimmend nickten.

Nathalie stand nur drei Meter entfernt an die Theke gelehnt. »Das ist heute Abend schon der vierte Gast, der tot vom Stuhl fällt«, merkte sie gelassen an. »Wetten, dass das heute nicht die letzte Tote im Black Feather sein wird? Louise, deine Kochkünste lassen wirklich zu wünschen übrig.« Sie empfand es als angenehm, dass sie sich nicht länger mit dem förmlichen »Miss« anredeten. Constable Strutner war dann auch noch gleich mit einbezogen worden, nachdem sie gemeinsam schon so manchen Fall gelöst hatten.

»Ach, die Ärmste hat bestimmt nur einen überempfindlichen Magen«, meinte die Köchin und winkte beiläufig ab. »Oder eine Karamellallergie.«

Der weißhaarige Gast beugte sich unterdessen zur Seite und rief der auf dem Boden liegenden Frau zu: »Debbie, wir sind uns einig. Es war Arsen.«

Die Frau setzte sich auf und brachte ihre zerzausten langen dunklen Haare in Ordnung, dann stellte sie sich hin und zog die verrutschte Bluse gerade, ehe sie sich wieder an den Tisch setzte. »Das war ja auch nur zum Aufwärmen gedacht«, sagte sie grinsend und aß den Pudding kurz entschlossen mit dem Kaffeelöffel weiter, da der andere Löffel unter einen der anderen Tische gerutscht war. »Wenn ich am Samstag meinen großen Auftritt habe, kommen da noch Lichteffekte und Geräusche dazu, und dann werdet ihr euch wünschen, ihr wärt in meinem Team.«

»Lichteffekte und Geräusche?«, wiederholte einer der anderen Männer lachend. »Das klingt nach einem LSD-Trip.«

»Ha, das musst du ja wissen«, konterte der Weißhaarige amüsiert. »Was hast du eigentlich noch nicht ausprobiert?«

»Lacht ihr nur«, gab der Mann mit dem schwarzen Vollbart zurück. »Vom bloßen Angucken weiß niemand, welche Wirkung eine dieser Pillen wirklich hat.«

Nathalie schüttelte den Kopf und drehte sich zu Louise um, aber die sagte: »Ich gehe wieder in die Küche, dann muss ich diesen Leuten nicht länger beim Sterben zusehen.« Was sie auch prompt in die Tat umsetzte und dabei den Eindruck erweckte, einen sechsten Sinn zu besitzen, denn sie hatte noch keine zwei Schritte gemacht, da ertönte aus der Küche ein flehendes »Louiiiiise«, das von einer ihrer Helferinnen stammte.

»Bin schon unterwegs«, gab die Köchin zurück und verschwand nach nebenan.

Das mit dem sechsten Sinn konnte durchaus zutreffen, immerhin war die Frau früher einmal als Geheimagentin aktiv gewesen. Auch wenn Nathalie Agenten nur aus Serien und Filmen kannte und wusste, dass man in diesem Job nicht jeden Tag die Welt vor irgendwelchen Superschurken retten musste, brauchte man dennoch zweifellos ein gewisses Gespür für drohende Gefahren.

»Sie scheinen sich nicht viel daraus zu machen, dass in Ihrem Lokal die Gäste umfallen wie die Fliegen, nicht wahr, Miss Ames?«, hörte sie eine belustigt klingende Stimme.

Nathalie drehte sich zur Seite und sah, dass ein Gast von einem der hinteren Tische mit seinem leeren Bierglas nach vorn gekommen war und es soeben auf die Theke stellte.

»Haben Sie keine Angst, man könnte Sie wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht stellen?« Der Mann zwinkerte ihr zu und gab dem Barkeeper ein Zeichen, damit der ihm noch ein Glas einschenkte.

Nathalie hatte den Mann in den letzten Wochen höchstens ein- oder zweimal gesehen, aber sie wusste sofort, wer er war: Martin Lazebnik, ein Rechtsanwalt, der sich erst vor Kurzem in Earlsraven niedergelassen hatte. Mit seinen nach hinten gekämmten und mit viel Gel in Form gehaltenen pechschwarzen Haaren und dem bleichen Gesicht erinnerte er sie unweigerlich an den Schauspieler Bela Lugosi in seiner Paraderolle als Graf Dracula. Ob Lazebnik das überhaupt bewusst war oder ob er als Anwalt ganz gezielt auf das Blutsauger-Image anspielte, wusste Nathalie nicht, doch sie würde ihn auch nicht darauf ansprechen – zumindest vorläufig noch nicht, denn dafür kannte sie den Mann nicht gut genug.

»Ach, wissen Sie, solange die umgefallenen Fliegen nach zwei Minuten wieder quicklebendig sind, mache ich mir da keine Sorgen, Mr Lazebnik«, erwiderte sie mit einem Zwinkern und stellte sein benutztes Glas ins Spülbecken.

»Wir können den Spieß auch umdrehen«, schlug er vor und grinste sie an, wobei ihr auffiel, dass dieser Mann einen ungewöhnlich breiten Mund hatte. Seltsamerweise passte es zu seinem ganzen Erscheinungsbild, ebenso wie diese wasserblauen Augen, die ihm etwas eigenartig Sanftes verliehen. »Wenn Sie wollen, drohe ich dieser Truppe mit einer Anzeige wegen Rufschädigung und verklage sie auf zweihunderttausend Pfund Schadenersatz. Außergerichtlich einigen wir uns auf die Hälfte, und Sie und ich machen dann halbe-halbe. Leichter können Sie fünfzigtausend Pfund nicht verdienen.«

Nathalie nahm dem Barkeeper das volle Bierglas ab und stellte es dem Anwalt hin. »Mr Lazebnik«, erwiderte sie mit einem Lächeln. »Ich weiß Ihre Bemühungen zu schätzen, und ich verstehe auch, dass Sie zeigen wollen, wie wir von Ihrer Anwesenheit in Earlsraven profitieren können. Aber ich finde, wenn Ihre Bürozeiten vorbei sind, sollten Sie einfach den Anwalt in Ihnen auch in den Feierabend schicken. Sonst enden Sie noch mal wie diese Truppe da drüben.«

Der Anwalt zuckte mit den Schultern, als wäre er von ihren Worten nicht überzeugt. »Apropos diese Truppe. Was hat das eigentlich zu bedeuten, dass immer wieder irgendeiner von ihnen wie vom Schlag getroffen vom Stuhl fällt und gleich wieder aufsteht?«

»Soweit ich das verstanden habe …«, begann sie und geriet gleich darauf ins Stocken. »Eigentlich habe ich das gar nicht richtig verstanden, weil Louise beim Erklären unterbrochen wurde. Es hatte irgendwas mit Giftmischern zu tun. Augenblick!« Sie ging zur Durchreiche, steckte den Kopf hindurch und fragte: »Louise, ist die Küchenkrise ausgestanden?«

»Ja, ja, wir haben alles im Griff«, antwortete die Köchin. »Es war nur ein Eisbergsalat, der meinen Leuten in die Quere gekommen ist, aber kein Eisberg.«

»Gestern Abend lief wohl Titanic im Fernsehen, richtig?«, hakte Nathalie nach und fügte sofort an: »Kannst du noch mal nach vorn kommen? Ich weiß noch immer nicht, was es mit den Giftmischern auf sich hat. Und da Mr Lazebnik mich gerade eben genau danach gefragt hat, wäre es vielleicht praktisch, wenn du es uns beiden erklären könntest. Dann muss ich nicht alles weitersagen, als spielten wir ›Stille Post‹.«

»Und dabei alles verdrehen, weil du die Hälfte vergessen hast«, zog Louise sie auf. »Ich komme gleich nach vorn.«

Als sie zu Lazebnik zurückkehrte, hatte der Anwalt Gesellschaft bekommen. Stammgast Eddie Hogarth war eingetroffen und hatte seinen Stammplatz am Ende der Theke eingenommen, womit er genau neben dem Anwalt stand und ihn nachdenklich ansah.

»Guten Abend, Eddie«, sagte Nathalie, als sie zu Lazebnik zurückkehrte. »Ich nehme an, Sie bekommen das Übliche?«

»Miss Ames«, erwiderte der freischaffende Künstler, dem Nathalie schon nach kurzer Zeit mit einem gewinnenden Lächeln das beharrliche Anschreiben abgewöhnt hatte, »wie lange führen Sie das Black Feather jetzt schon?«

»Seit März, also gut sieben Monate«, antwortete sie und beugte sich vor, um Hogarth ganz tief in die Augen zu sehen. »Und trotzdem werde ich Sie auch weiterhin fragen, ob Sie das Übliche bekommen.«

»Warum? Sie wissen doch, was ich bestellen werde«, hielt Hogarth dagegen. »Da können Sie doch einfach ein Bier zapfen und es mir hinstellen.«

»Ist doch ganz logisch«, warf Lazebnik ein. »Wenn Sie nichts...