Die Schöne und das Highland-Biest

Die Schöne und das Highland-Biest

von: Lecia Cornwall

CORA Verlag, 2018

ISBN: 9783733779818 , 400 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 6,99 EUR

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Die Schöne und das Highland-Biest


 

PROLOG

Carraig Brigh, Schottland, 1706

Die Männer des Sinclair-Clans holten Moire o’ the Spring mitten in der Nacht. Sie kamen zu viert und sie riefen, es sei dringend, als sie in die kleine Hütte eindrangen und Moire unsanft aus dem Schlaf rüttelten. Sie stießen mit ihren Köpfen gegen Kräuterbündel, die von den niedrigen schwarzen Deckenbalken herabhingen, und während sie die Vorräte an knorrigen Wurzeln, getrockneten Beeren und Heilkräutern betrachteten, die genauso verschrumpelt aussahen wie die alte Moire selbst, bekreuzigten sie sich schnell.

Der Geruch von Männerschweiß überlagerte den staubig-grünen Duft der Pflanzen; Moires Nasenflügel bebten, und sie spürte Angst in sich aufsteigen. Ihr blieb kaum Zeit, sich ein Tuch umzulegen, da packten die Männer sie schon bei den Armen und trugen sie hinaus. Sie waren nicht brutal, eher entschlossen, und Moire wusste, sie würde mit ihnen gehen, ob sie wollte oder nicht. Zwei Männer hoben sie hinter einen Reiter auf ein robustes Highlandpony und ritten so schnell mit ihr davon, wie sie gekommen waren.

„Wer hat Euch geschickt? Wohin reiten wir?“

Ihre Fragen blieben unbeantwortet.

Vermutlich lag irgendein armes Mädchen in den Wehen und brauchte ihre Hilfe. Es musste jemand Bedeutsames sein, warum sonst hätte man mitten in der Nacht vier Männer losgeschickt, um eine Hebamme zu holen?

Die Ponys trabten über die niedrigen Hügel entlang der Küste auf das Dorf Carraig zu. Moire erschrak, als sie vom Pfad abbogen, der ins Dorf hinab führte, und den Weg zur Burg hinauf einschlugen. Es gab keine schwangeren Mädchen auf Carraig Brigh, dort herrschten nur Wahnsinn und Tod. Moire stieß einen Schreckenslaut aus und versuchte unbemerkt von ihrem Pony zu rutschen, doch der Reiter hielt sie fest. „Immer mit der Ruhe, alte Frau, man wird dich gut bezahlen.“

Sie hatten sie geholt, damit sie den Sohn des Clanoberhauptes heilte. Moire spürte, wie ihr Angstschweiß ausbrach, der kalte Wind ließ sie erschauern. Sie kannte die Geschichten über Alasdair Og Sinclair, die man sich hinter vorgehaltener Hand leise zuflüsterte. Der Mann, den alle Welt den Laird o’ the Seas nannte, war eines Tages zu einer Schiffsreise nach Frankreich aufgebrochen, die er sicher schon hundert Mal unternommen hatte. Wochen später kehrte er völlig gebrochen und wahnsinnig nach Carraig Brigh zurück. Seine Mannschaft war tot, sein Schiff geplündert und geraubt. Er blutete aus Wunden, die nicht heilen wollten, und nachts schrie er von Alpträumen geplagt im Schlaf. Es hieß, Alasdair Og sei verflucht und dazu verdammt, gegen den Teufel in seinem Kopf um seine Seele kämpfen zu müssen.

Es spielte keine Rolle, wie viel Gold Chief Padraig Sinclair Moire bot, sollte sie seinem Sohn nicht helfen können, würde sie es mit ihrem Leben bezahlen. Er hatte schon ganz andere Heiler nach Carraig Brigh kommen lassen. Sie kamen von weither und arbeiteten mit Methoden und Tränken, von denen Moire noch nie gehört hatte. Nicht einem von ihnen war es gelungen, Alasdair Og zu heilen und seinen normalen Geisteszustand wiederherzustellen. Sobald sie versagten, hieß es, stieß der Chief sie vom höchsten Punkt seiner Burg und sah zu, wie ihre zerschmetterten Körper neben seiner Flotte im Meer versanken. Einer Flotte, die nicht mehr hinausfuhr, weil ihr Kapitän verrückt geworden war.

Wie hatten die Sinclairs nur von Moire erfahren? Sie lebte doch so zurückgezogen und bescheiden. Sie kümmerte sich um die uralte Quelle der Göttin und half nur denen, die zu ihr kamen. Als sie zum Turm von Carraig Brigh hinaufstarrte, der wie ein dürrer schwarzer Finger aus einer massiven steinernen Faust herauszuragen schien, spürte sie die Kälte vor Angst kaum noch.

„Ihr begeht einen großen Fehler“, jammerte sie, als sie unter den eisernen Zähnen des Fallgatters hindurchritten. „Ich bin nur eine einfache Hebamme.“ Doch der Wind wehte ihr Flehen über die Klippen hinweg, niemand hörte ihr zu.

Im Burghof standen Männer im flackernden Schein sturmgepeitschter Fackeln. Moire konnte kein freundliches Gesicht erkennen, niemand hieß sie willkommen. Irgendjemand zerrte sie vom Pony und führte sie mit festem Griff um den Arm über den Hof. Das Fallgatter senkte sich scheppernd, dann erklang aus dem Turm ein so qualvoller Schrei, dass Moire entsetzt zusammenzuckte. Die Clan-Mitglieder bekreuzigten sich schnell und sahen verstohlen hinauf zu dem schmalen Fenster hoch über ihnen.

Moires Begleiter nahm dem nächststehenden Mann die Fackel ab, öffnete eine mit Eisen beschlagene Tür und stieß Moire die dahinter befindlichen Stufen empor.

„Verfügst du wirklich über magische Kräfte, alte Frau?“, fragte er unwirsch. „Du kannst nur hoffen, dass du einen wirklich guten Heilzauber kennst.“

Sie stolperte. Eine Hexe. Sie glaubten, sie hätten eine Hexe geholt. „Ich bin Hebamme, eine arme alte, wehrlose Hebamme“, protestierte sie atemlos. Die gewundene Steintreppe war sehr steil, doch der Mann ließ ihr keine Zeit zum Verschnaufen. Er zog sie rücksichtslos hinter sich her und sie hatte große Schwierigkeiten, ihm zu folgen. Ihre alten Beine waren schwach. Sie zupfte an seinem Ärmel. „Bitte, das muss ein Irrtum sein.“

„Das ist kein Irrtum, Moire o’ the Spring. Wir sollten dich und keine andere holen. Der Chief würde den Teufel höchstpersönlich herbeirufen, wenn dieser seinen Sohn retten könnte.“

Moire nahm all’ ihren Mut zusammen. „Was fehlt ihm denn?“, fragte sie.

Er schnaubte verärgert. „Hast du jemals von Jean Sinclair gehört?“

„Natürlich. Sie ist das Mädchen, das sie die Geweihte Jungfer von Carraig Brigh nannten“, erwiderte Moire.

„Genau. Sie war Alasdair Ogs Cousine, die Nichte vom Chief. Padraig war nicht erfreut, als sie beschloss, den Schleier zu nehmen und sich in ein französisches Kloster zurückzuziehen.“ Er rieb mit seiner Hand über sein Gesicht. „Es ist eine schlimme Geschichte. Sie stachen in der Sinclair-Bucht in See und gingen für die Nacht in Berwick vor Anker, wo sie in einen Hinterhalt englischer Soldaten gerieten. Alasdair glaubte an einen Irrtum. Er dachte, sie hätten sie mit Piraten verwechselt oder seien einfach nur auf Lösegeld aus. Er rechnete mit ein paar Tagen Verzögerung, bevor sie Jean mit einem Lösegeld freikaufen und weitersegeln könnten, doch den Engländern ging es gar nicht um das Geld. Sie haben das Gold und die Waren an Bord, das ganze Schiff kurzerhand an sich genommen und die Mannschaft ermordet. Dann schlugen sie Alasdair halb tot und warfen ihn und Jean ins Verließ von Coldburn Keep.“

Moire presste die Hand an ihre Kehle und erschauerte.

„Das Schlimmste jedoch war das, was sie der armen kleinen Jean antaten. Sie haben sie vor Alasdairs Augen vergewaltigt, gefoltert und umgebracht. Er war an der Mauer festgekettet und konnte ihr nicht helfen. Sie flehte Gott um Beistand an, sie war doch nur ein zartes kleines Mädchen, doch die Engländer sagten, eine Katholikin aus den Highlands wäre nichts weiter als eine götzendienerische Hexe. Es war purer Hass, nicht nur auf die Schotten, sondern ganz besonders auf Alasdair Og. Sie nannten ihn einen Piraten und warfen ihm Dinge vor, die überhaupt nichts mit den Sinclairs zu tun hatten, und schon gar nichts mit der kleinen Jean, und Alasdair sagten ihnen das auch, aber sie hörten gar nicht zu. Vierzehn Tage lang lag er in seinem eigenen Schmutz, angekettet, verletzt, und musste mit anhören, wie sie sie schlugen, ihr die Knochen brachen und sie folterten. Sie hielten ihn am Leben, damit er ihre Schreie hören konnte.“

„Und dann?“, fragte Moire.

Der Mann verzog das Gesicht. „Dann hängten sie sie als Ketzerin im Innenhof und Alasdair wurde gezwungen, aufzustehen und es vom Fenster aus mit anzusehen.“ Er war zwei Stufen über ihr stehen geblieben und sah sie an. „Er kann das alles nicht vergessen. Deshalb halten sie ihn für verrückt. Er hat Alpträume, wird von ständigen Schmerzen gequält und erschrickt vor jedem Schatten. Kannst du ihm helfen?“

Moire zuckte zusammen. Wurde Alasdair Og vom Geist der Geweihten Jungfer heimgesucht? Vielleicht war es ja doch ein Teufelswerk. Moire wusste nur wenig über den Gott der Christen, weder über den der katholischen noch über den der Gegenseite. Sie diente einzig und allein der uralten Göttin und kümmerte sich um deren heilige Quelle …

Ein neuerlicher qualvoller Aufschrei ertönte von der Spitze des Turms. Moire lehnte sich an die kalte Mauer und schlug mit der Hand das Zeichen gegen das Böse.

Ihr Begleiter griff wieder nach ihrem Arm. „Komm mit.“ Er öffnete eine Tür am Ende der Treppe und zog Moire hindurch. Die Kammer lag beinahe im Dunkeln, nur der Schein einer kostbaren Bienenwachskerze erhellte den Raum ein wenig. In einer Ecke glommen paar Kohlen in einem Becken. Der süße Duft der Kerze vermischte sich mit dem Gestank von geronnenem Blut, von Fäulnis und Schweiß. Moire kannte diesen Gestank, er kündete von einer Krankheit, die Moire nicht heilen konnte, und vom sicheren Tod.

Sie betrachtete den Mann auf dem schmalen Bett. Alasdair Og war groß, doch sein Körper wirkte starr und seine Halsvenen traten deutlich hervor. Seine Fäuste zerknüllten das Laken aus feinem Leinen unter ihm. Sein linkes Bein war von den Hüften bis zum Knie verbunden, und auf seiner Brust und auf den Armen konnte Moire wulstige dunkelrote Narben sehen. Abgesehen von diesen Narben war seine Haut von ungesunder fiebriger Blässe. Die Augen lagen tief in den Höhlen des markanten Gesichts und niemand hatte sich bemüht, die mehrfach gebrochene Nase zu...