G. F. Unger Western-Bestseller 2351 - Prairie City

von: G. F. Unger

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2018

ISBN: 9783732562503 , 64 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 1,99 EUR

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G. F. Unger Western-Bestseller 2351 - Prairie City


 

Er blickt noch einmal über die kleine Herde. Die Tiere saufen noch. Sie haben während der letzten Tage zu viel gedurstet und sind sehr erschöpft. Sie werden hier am Wasser und auf dem besonders saftigen Gras der Senke bleiben. Und weil das so ist, wird auch Kirby Satterlee einige Stunden ruhen und schlafen können.

Das schon tagelang andauernde Ein-Mann-Treiben hat an seinen Kräften gezehrt. Und manchmal ist er im Sattel eingeschlafen. Jesse war ihm zwar eine große Hilfe, doch der Junge hatte genügend mit den sechs Pferden und den beiden Packpferden zu tun. Er leistete eine Arbeit, die man einem etwa sechzehnjährigen Jungcowboy überträgt. Und er ist doch vor fünf Tagen erst zwölf Jahre alt geworden.

Kirby Satterlee reitet zum Camp hinüber. Er nickt Jesse zu, gleitet zu Boden und nimmt dem Tier den Sattel ab. Er holt sich eines der frischeren Pferde aus dem Seilcorral und legt ihm den Sattel auf. Er bindet es an einer langen Leine an einen Baum an und hat somit Vorsorge getroffen, dass er binnen weniger Sekunden zur Herde reiten kann.

Nun tritt er ans Feuer und hockt sich auf die Fersen nieder, wie es Cowboyart ist.

Es ist inzwischen dunkel geworden. Die Sonne versank glühend im Westen, und auch die feurige Lohe am Himmel wurde dunkel und von den eilenden Schatten der Nacht bedeckt.

Die beiden Satterlees hocken am Feuer und bereiten ihr Abendbrot. Sie sind sich so ähnlich, wie sich Vater und Sohn nur sein können.

Sie haben das gleiche Haar. Es ist gelbblond wie reifer Weizen. Und sie haben beide graue, weit auseinanderstehende Augen, die selbst bei Jesse schon ruhig und abwägend blicken.

Kirby Satterlee ist ein großer Mann, sehr hager und sehnig. In den Hüften ist er schlank, aber seine Schultern sind breit. Ja, er ist ein typischer Cowboy, einer von der langen, lässig wirkenden und so ruhig erscheinenden Sorte aus Texas, die äußerlich kühl und innerlich heiß und hitzig sein kann.

Und er trägt einen alten Revolver tief an der Hüfte, eine offensichtlich gut gepflegte Waffe mit einem dunklen Holzkolben und in einem steifen und glatten Holster. Solch ein steifes Holster braucht man nicht an den Oberschenkel zu binden.

Dieser alte Revolver wirkt an Kirby Satterlees Seite so selbstverständlich, so zu ihm gehörend wie ein Arm.

Es ist der 12. Mai 1873 irgendwo in Nebraska, nördlich der Union Pacific, weit, weit nördlich, schon fast auf der Laramie-Prärie.

Kirby und Jesse Satterlee essen schweigend, und manchmal blicken sie sich an. Sie wirken trotz ihres Altersunterschieds und obwohl sie ein Mann und ein Junge sind, wie Partner und Sattelgefährten.

Als Jesse dann das Geschirr wäscht und Kirby eine Pfeife raucht, fragt der Junge: »Sind wir noch in Nebraska? Oder ist das hier schon Wyoming oder South Dakota?«

»Ich glaube, es ist noch Nebraska«, brummt Kirby. »Wir wenden uns morgen nach Westen. Dort muss es eine kleine Stadt geben, Prairie City heißt sie. Wir werden uns eine Weide für unsere Rinder suchen und …«

Er bricht ab. Denn er wird sich bewusst, dass es ihm unmöglich ist, irgendwelche Pläne zu machen. Er weiß nur, dass er für seine Rinder einen Weideplatz und für sich selbst eine Arbeit finden muss. Er braucht Bargeld. Ohne Geld kann man nicht leben. Man kann nicht warten, bis sich die kleine Herde vermehrt hat. Bis er Rinder verkaufen kann, werden drei oder vier Jahre vergehen.

Kirby weiß noch nicht, wie er das alles schaffen soll. Aber irgendwie muss es gehen. Es wäre auch gut, wenn Jesse noch mindestens ein Jahr zur Schule gehen könnte. Gewiss, er kann lesen, schreiben und alles, was ein intelligenter Junge innerhalb von vier Jahren auf einigen sehr verschiedenen Schulen lernen kann.

Doch es ist nicht allzu viel. Ja, es wäre gut, wenn er noch zur Schule gehen könnte.

Und vielleicht gibt es das alles in Prairie City für die Satterlees und ihre kleine Herde.

»Ich werde bis nach Mitternacht schlafen, Jesse«, sagt Kirby müde. Er nimmt sich eine Decke, geht damit unter einen Baum und rollt sich ein. Er hat das Gewehr neben sich liegen. Es ist ein gutes Winchestergewehr.

Er schläft sofort ein.

Jesse blickt einige Minuten lang zu ihm hinüber. Er weiß, dass sein Vater während der letzten vier oder fünf Tage keine sechs Stunden Schlaf bekam. Sie mussten die Herde über eine lange Durststrecke treiben, und die Rinder wollten des Nachts immer wieder in die alte Richtung zurück. Sie durften die Herde keine Minute unbewacht lassen.

Und so bekam Kirby keinen Schlaf.

Wenn ich doch größer wäre, denkt der Junge. Wenn ich ihm doch besser helfen könnte.

Er lauscht auf die Herde. Sie ist nun etwas unruhig. In der Ferne heulte mehrmals ein Büffelwolf, um sein Rudel zu versammeln.

Der Junge geht zu seinem Sattelpferd und sitzt auf. Er hat ebenfalls eines von diesen kurzen Winchester-Gewehren im Sattelschuh. Er reitet einen Kreis um die an der Wasserstelle lagernde Herde.

Zwei Stunden nach Mitternacht weckt er dann seinen Vater. Kirby fährt auf und wirft einen Blick nach den Sternen.

»Partner«, sagt er grollend, »du hast mich mindestens eine Stunde zu lange schlafen lassen. Ich werde dich nie auf Herdenwache schicken dürfen, wenn ich mich nicht darauf verlassen kann, dass du mich richtig weckst.«

»Ich hatte es vergessen«, grinst Jesse. Er liegt eine Minute später in seinen Decken und schnarcht.

Und nun reitet Kirby seine Kreise.

Nach einiger Zeit hört er den Hufschlag von Reitern. Da dies die einzige Wasserstelle weit und breit ist und man sicherlich auch das Feuer unter den Bäumen weit genug erblicken kann, ist wohl anzunehmen, dass die Reiter hier anhalten werden.

Denn dies ist eine fremde Weide. Man kann hier nie wissen, was auf einen zukommt. Und dies dort in der Nacht scheint eine starke und sehr schnell reitende Mannschaft zu sein.

Kirby bleibt mit seinem Pferd draußen in der Nacht. Er hält sich sogar etwas in der Senke der Wasserstelle, sodass sich seine Silhouette nicht gegen den Sternenhimmel abhebt. Etwas geduckt und vorgeneigt verharrt er lauschend. Er hat auch die Winchester aus dem Sattelschuh genommen und quer über den Schenkeln liegen.

Die Reiter kommen schnell näher. Ihr Hufschlag schwillt an. Sie galoppieren. Und wenig später ist auch ihre dunkle Traube, die sie bilden, unter den Sternen zu erkennen.

Sie kommen genau auf die Wasserstelle und das Feuer zu.

Und sie sind dann plötzlich da, zügeln ihre Pferde und halten jäh. Die Tiere stampfen, schnauben.

Dann ist es still.

Der Junge ist aufgewacht. Er hat sich erhoben, ist bis zu dem Baum zurückgewichen, an den sein Pferd angebunden ist. Er steht dicht neben dem kleinen Cowpony und könnte schnell das Gewehr aus dem Sattelschuh greifen.

»He, was ist das hier?«, fragt eine lässige Stimme. Es ist die Stimme eines Mannes, der ein Boss ist, dessen Autorität so ohne jeden Zweifel ist, dass er es sich leisten kann, lässig und sanft zu sprechen.

Kirby reitet nun langsam aus der Senke.

»Mein Name ist Satterlee, Kirby Satterlee«, sagt er. »Ich bin mit meinem Sohn und einigen Rindern unterwegs. Wir rasten hier und treiben morgen weiter. Wer sind Sie, Mister?«

Der Mann mit der lässigen Sprechart lacht leise.

»Shorty, sieh mal nach«, sagt er.

Einer der Reiter treibt sein Tier hinunter zur Wasserstelle und reitet dort zwischen den ruhenden Rindern herum. Einige Male zündet er sogar ein Zündholz an.

Dann kommt er wieder herauf und meldet: »Es sind jämmerliche Rinder, die schon viele Tage oder Wochen getrieben wurden. Sie alle tragen ein Flying S als Brand.«

Der Sprecher verstummt trocken. Und der Mann, dem er seine Feststellungen meldete, denkt zwei Sekunden nach.

Dann sagt er, und nun klingt seine Stimme trotz aller Lässigkeit unmissverständlich hart und grob: »Ich bin Noel Wellsberry. Sie sind hier auf meiner Weide und an meiner Wasserstelle. Warum sind Sie mit solch einer jämmerlichen Herde unterwegs?«

»Ich suche Arbeit«, erwidert Kirby und reitet dann näher heran. Er kann einen großen und schwergewichtigen Mann erkennen, der auf einem starken Pferd sitzt.

Hinter diesem beachtenswerten Mann halten acht Cowboys.

»Ich suche Arbeit auf einer Ranch, die es zulässt, dass meine Rinder auf ihrem Gebiet weiden dürfen – für etwa ein Jahr. Und ich möchte meinen Jungen zur Schule schicken können. Das ist alles, Mister Wellsberry. Ich habe mal eine kleine Ranch gehabt, und ich möchte eines Tages wieder eine haben.«

Einige der Reiter schnaufen und lachen auf eine Art, wie es Burschen tun, die sich über einen Mitmenschen lustig machen.

Noel Wellsberry denkt eine volle Minute nach.

Er entschließt sich nun und sagt: »Treiben Sie Ihre Rinder sofort weiter, Satterlee! Ich will Sie hier nicht haben. Sechs Meilen weiter ist ein Creek – dort im Westen. Bringen Sie Ihre Rinder auf die andere Seite! Vorwärts!«

»Erlauben Sie mir, bis Tagesanbruch zu warten«, sagt Kirby sanft.

»Nein!« Die bis jetzt so lässige Stimme klirrt, und sie ist nun drohend und wütend. Noel Wellsberry ist gewiss ein Mann, der schnell in Zorn gerät. »Es gibt genug Sattelstrolche und Nachtfalken in diesem Land. Ich dulde sie nicht auf meiner Weide! Brechen Sie das Camp ab und treiben Sie weiter. Oder ich mache Ihnen Beine!«

Kirby atmet langsam aus, als er dies hört. Er ist mit seinem Sohn schon lange genug unterwegs. Er geriet da und dort auf das Gebiet eines Großen und musste verschwinden.

Und auch jetzt ist es wieder...