John Sinclair Sonder-Edition 69 - Carinas Todespartys

von: Jason Dark

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2018

ISBN: 9783732558537 , 80 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 1,99 EUR

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John Sinclair Sonder-Edition 69 - Carinas Todespartys


 

Wie kleine Messer schrammten die roten Fingernägel durch Colbys Gesicht und rissen die Haut auf.

Der Schlag danach erwischte ihn hart. Dicht unterhalb der Gürtellinie explodierte die Faust in seinem Leib.

Die Faust einer Frau – seiner Frau!

James Colby konnte es nach wie vor nicht fassen. Er hockte in dem stockdunklen Verlies, dachte über sein Schicksal nach und spürte das Brennen im Gesicht.

Carina hatte ihn geschlagen. Carina hatte ihn mit ihren Fingernägeln bearbeitet.

Carina, Carina … Immer wieder sie. Die Frau, die er liebte, die er vergötterte.

Sie hatte ihn so enttäuscht, aber hatte man ihn nicht gewarnt? Diese Frau ist nichts für dich, die ist dir über, die macht dich irgendwann fertig. So hatte James Colby es gehört, aber nicht auf die Ratschläge und Warnungen der Freunde geachtet. Carinas Faszination hatte ihn überschwemmt wie eine gewaltige Woge.

Und jetzt hockte er, der mächtige Industrieboss James Colby, wie ein Häufchen Elend in einem Verlies, abgeschirmt von der übrigen Welt, völlig allein, ohne Chance, aber mit der Angst im Nacken.

Die Angst war furchtbar. Sie kam von überall her. Sie presste sein Herz zusammen, sie wühlte hinter seiner Stirn, beeinflusste die Gedanken und lähmte ihn.

Die Angst und das Brennen. Beides Beweise für die Schrecklichkeit des Augenblicks, der nicht verging und sich ständig dehnte.

Er hatte noch den Knall der Tür im Ohr und das hässliche Lachen seiner Carina, als der Schlag ihn in das Verlies katapultierte, wo er mit dem Rücken aufgeschlagen war und sich nur mühsam erhoben hatte. Wie ein Tier war er auf die Tür zugekrochen, hatte sich gekniet, den Arm ausgestreckt und die Klinke erreicht.

Eine völlig normale Metallklinke, doch keine Chance, die Tür zu öffnen, da Carina sie von der anderen Seite abgeschlossen hatte.

Was wollte sie eigentlich von ihm? Töten, verhungern lassen?

Oder würde sie selbst noch einmal erscheinen, um von ihm auf mörderische Art und Weise Abschied zu nehmen?

Schießen konnte sie. Sie hatte des Öfteren geübt, auch unter seinen kritischen Augen, und sie war auf dem Schießstand ein Ass gewesen.

Carina Colby – sexy, charmant, beliebt, der Glanzpunkt jeder Party, das war die eine Seite.

James kannte die andere.

Kalt, berechnend, manchmal grausam, egoistisch und tödlich. Hinter der Maske des Engels verbarg sich ein weiblicher Teufel, der dem Satan Konkurrenz machen konnte.

Sie hatte immer viel vom Bösen gehalten. Es hatte Carina fasziniert. Satansglauben, Teufelskult, äußerliche Schönheit, aber innerer Moder.

Viel zu spät hatte James dies bemerkt. Carina war seine zweite Frau gewesen. Die erste, Lucy, hatte ihn, als er ihr die Scheidung anbot, nur traurig angesehen und die Schultern gehoben.

»Du musst es wissen, James.« So hatte sie gesprochen. »Aber die macht dich fertig.«

Wie recht Lucy gehabt hatte. Jetzt war er fix und fertig. Angst peitschte ihn. Carina hatte ihm bewiesen, wie stark sie war. Sie war ihn losgeworden und würde alles an sich ziehen.

Macht, Geld, Einfluss!

Der Boden war kalt, auf dem er kauerte. Rauer Stein, an einigen Stellen feucht und glitschig. In den Ritzen zwischen den einzelnen Steinen klebte weicher Dreck. Die Luft stank. Jedes Mal, wenn er einen tiefen und keuchenden Atemzug tat, spürte er den widerlichen Geschmack im Hals.

Er hatte Durst. Nicht allein seine Kehle brannte, das Gesicht ebenso. Die Wunden schmerzten, er hätte sie gern gekühlt, doch es gab keinen Tropfen Flüssigkeit in diesem verdammten Verlies. Hier konnte er jammern, flehen und schreien.

Niemand würde ihn hören. Höchstens seine Frau, aber die würde sich hüten, einzugreifen. Er traute ihr zu, dass sie sich hinter der Tür aufhielt und sich an seinen Qualen ergötzte.

Er war bis zu einer Wand gekrochen, hatte sich aufgesetzt und die Steine als Rückenstütze benutzt. Blut rann nicht mehr aus den Wunden. Es war in den Kragen gelaufen.

Zitternd hob er einen Arm und tastete nach den feuchten Streifen in seinem Gesicht. Wenn er sie berührte, zuckte sofort der Schmerz auf, und er spürte die Feuchtigkeit und die Nässe des Bluts.

Was konnte sie vorhaben? Wollte sie ihn tatsächlich elendig umkommen lassen?

Sicher, es gab einen Grund. Wenn sie das geschafft hatte, gehörte ihr alles. Sein gesamtes Vermögen würde auf sie überfließen, und man hatte schon für weniger Geld Menschen umgebracht.

Carina Colby! Er dachte über den Namen nach. Sie war beliebt gewesen, aber gefürchtet. Ihre Partys hatten Maßstäbe für die Gesellschaft gesetzt. Sie waren nie langweilig gewesen, denn für jede Feier hatte sie einen anderen Ort ausgesucht.

Ein Kino oder eine leer stehende Fabrik. Sogar in einem Zug hatten sie gefeiert und auf einem Schiff. Die alte Gespensterburg war auch einmal ein Treffpunkt gewesen, und bald würde wieder eine ihrer berühmten Partys steigen.

Diesmal ohne James, aber mit Fiona, ihrer Vertrauten. Einem gefährlichen Weib, das offiziell als Hausdame geführt wurde. Fiona war mehr, viel mehr, nur konnte das nicht bewiesen werden.

Sie und Carina hatten ein besonderes Verhältnis zueinander. Wer wem hörig war, wusste er nicht, aber Carina tat alles, was Fiona wünschte. Und Fiona kannte sich aus. Sie besaß ein phänomenales metaphysisches Wissen, über das James erst gelächelt hatte, das ihm aber jetzt allmählich Angst machte.

Manchmal hatte er das Gefühl, dass Fiona stärker war als ihre Herrin Carina.

Mit der Angst kam die Kälte. Sie kroch in seinen Körper, unterkühlte ihn, und ihn überkam das große Zittern. Seine Zähne schlugen aufeinander, die Kälte und die Angst ließen ihn beben. In den Augen spürte er das Brennen, über seinen Rücken rann eine Gänsehaut, und er konnte nichts dagegen tun, dass sich seine Augen mit Tränen füllten.

Er hatte überhaupt nicht gewusst, dass es dieses alte Verlies gab. Ohne sein Wissen musste es Carina gelungen sein, das Haus für ihre Zwecke und Pläne umzubauen.

Ja, sie hatte ausschachten lassen, das war ihm bekannt gewesen. Aber er hatte damals auf eine Dienstreise in die Staaten gemusst, und Carina hatte nicht mitfahren wollen, was ihn wiederum gewundert hatte.

Heute war ihm der Grund klar.

»Verdammtes Weib!«, keuchte er flüsternd. »Verdammte Bestie! Was hast du nur vor mit mir?« Für wenige Sekunden wurde die Angst von der Wut auf seine Frau abgelöst, aber das ging schnell vorbei, außerdem hatte er ein ungewöhnliches Geräusch vernommen.

In der Stille klang es doppelt laut. Es war ein Schaben oder Kratzen, und es hörte sich an, als würde jemand etwas Hartes über den Steinboden ziehen. War es außerhalb oder innerhalb des Verlieses? James Colby wusste es nicht, er hielt den Atem an, konzentrierte sich und spürte die Gänsehaut.

Das war innen!

Er lauschte. Sekunden verstrichen. Jede Zeiteinheit war für ihn eine Folter. Irgendetwas stimmte nicht, es war anders geworden. Kein Geruch durchdrang das Verlies, aber dennoch ein gefährliches Fluidum, über das er sich wunderte und das ihm gleichzeitig Angst machte.

Das Geräusch wiederholte und verstärkte sich!

Diesmal so laut, dass es das gesamte Verlies ausfüllte, und es endete mit einem dumpfen Schlag.

Danach war es still.

Gefährlich still, sodass sich die Angst des Mannes weiter verstärkte. Er wusste plötzlich, dass er nicht mehr allein im Raum war. Etwas war zwischen die vier Wände eingedrungen, das für ihn grausam und tödlich werden konnte. Einen Beweis dafür hatte er nicht, aber er fühlte es.

Etwas anderes, für das es keine Erklärung gab, das möglicherweise nicht von dieser Welt stammte.

Es war furchtbar, schlimm, obwohl er nichts mehr hörte. Aber es kam, und es steigerte sich.

Er hatte seine Augen weit aufgerissen, starrte in die Finsternis und konnte trotzdem nichts erkennen. Nicht einmal die Richtung des Geräuschs fand er heraus. Es war einfach überall und füllte das Verlies aus.

Ein unheimlich klingendes Keuchen, Schmatzen und Schlürfen, als würde ein gewaltiges Tier irgendetwas fressen oder in sich hineinsaugen. Die Laute an sich waren schon schlimm, hinzu kam die drückende Dunkelheit, die das Grauen weiter verstärkte.

James Colby rührte sich nicht. Sein Körper war nass. Kalt klebte der Schweiß auf seiner Haut. Auch über sein Gesicht rannen die dünnen Bahnen. Er wusste nicht, ob es sich dabei um Schweiß oder um Blut aus den Wunden handelte.

Das Keuchen verstummte. Die unnatürliche Stille zerrte an den Nerven des Mannes. Hatte er Glück gehabt? War das andere vielleicht verschwunden? Hatte er sich die Dinge nur eingebildet?

Durch die Nase holte er Luft. Er hockte weiterhin am Boden, aber er wollte sich hinstellen, doch das fiel ihm schwer.

Vornübergebeugt stand er total entkräftet da, lauschte, roch, konzentrierte sich und nahm den widerlichen Gestank wahr, der ihm plötzlich entgegenwehte. Eine Mischung aus Moder und Leichengeruch.

Das Schaben erschien ihm wie eine tödliche Lockung, der er nicht entgehen konnte, die immer näherkam und ihn in den nächsten Sekunden erreicht haben würde.

Da konnte er sehen.

Es war kein Licht, das durch das Verlies geisterte. Ein eigentümliches, unwirkliches und unheimliches Glühen von einer grünlichen Farbe.

Nur allmählich wurde es heller, und so bekam er mit, was sich da aus dem Dunkel hervorschälte. Es war ein Untier. Die widerliche Ausgeburt einer höllischen Kreatur. Ein Mittelding zwischen Echse,...