Blutroter Veltliner - Ein Weinviertel-Krimi

von: Peter C. Huber

Haymon, 2018

ISBN: 9783709938423 , 280 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 12,99 EUR

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Blutroter Veltliner - Ein Weinviertel-Krimi


 

Prolog: Das erste Mal


„Oh what a beautiful mornin’, oh what a beautiful day …“ Hell und laut erklang die Stimme Marija Nemcovas aus der dampfenden Dusche. Rodgers und Hammersteins fröhlicher Schlager aus dem alten Oklahoma Musical war gerade recht für diesen herrlichen Tag! Als sie sich mit der duftenden Kräuterseife einrieb, war ihr ganzer Körper in Schaum gehüllt. Genüsslich drehte sie sich ganz langsam unter dem Duschstrahl und wusch sich die Seife ab, die in weißen Strömen an den feinen Konturen ihres Körpers hinunterfloss. Ein kleiner Berg aus Schaum drehte sich wie ein Ringelspiel über dem Abfluss.

Marija stieg aus der Dusche und begann sich mit einem Handtuch kräftig abzutrocknen. Ihre Haut war ganz rot vom warmen Wasser geworden und errötete noch stärker beim Abreiben mit dem Frotteetuch, das auch die letzten Tropfen Nässe auf ihrer Haut aufsog. Vor dem Waschbecken stehend nahm sie den Föhn in die eine und die Bürste in die andere Hand, begann die Haare auszubürsten und zu trocknen. Bei der Länge ihrer dichten kastanienbraunen Haare war das eine Prozedur. Doch „wer schön sein will, muss leiden“ und „von nichts kommt nichts“! Gut dreißig Minuten später waren die Haare trocken und sie ging leise vor sich hin summend zum großen Wandspiegel. Marija ließ das Handtuch, das sie um sich gewickelt hatte, auf den Boden fallen. Zufrieden studierte sie ihr Spiegelbild. Prachtvolle einhundertzweiundsiebzig Zentimeter perfekt geformter Weiblichkeit schauten ihr entgegen. Heute wollte sie wunderschön sein! Nicht, dass es ein großer Aufwand war. Im Abschlussjahr ihrer Schule war sie zur Miss Záhorie gewählt worden. Und auch jetzt, fünfzehn Jahre später war sie stolz auf ihre Figur. Sie war inzwischen etwas fraulicher, gleichwohl schlank. Durch ihre Arbeit als Physiotherapeutin war sie auch etwas muskulöser geworden, aber das hob nur die sanften Formen ihres Körpers mehr hervor. Und dann ihre Haare, voluminös, braun glänzend und lockig hingen sie bis zu ihren Brüsten herunter, die fest und voll zwischen den Haarsträhnen hervorkamen. Marija drehte sich etwas, damit sie auf ihren Po schauen konnte. Auch perfekt! Übermütig und glücklich lachte sie auf und warf ihren Kopf nach hinten, sodass ihre Haare in großem Bogen flogen.

Heute sollte der große Tag sein! Seit Wochen war sie verliebt wie ein Teenager – wollte gerade heute die Versuchung in Person sein. Normalerweise begann sie keine Affäre mit einem Patienten, aber dieser eine war anders.

Sie hatte ihn vor drei Monaten bei einem ihrer burgenländischen Patienten, bei dem er auf Kundenbesuch war, kennengelernt. Einmal in der Woche fuhr sie über die Grenze nach Österreich und behandelte dort privat einige Patienten im Grenzgebiet zwischen dem Burgenland und Niederösterreich. Sie nahm die etwas längere Fahrt über Bratislava auf sich, weil dort der einzige hochwassersichere Grenzübergang zu Österreich war. Die beiden anderen Grenzübergänge, die Brücke bei Hohenau und die Fähre bei Záhorská Ves, wurden bei Hochwasser rasch geschlossen. Immer wieder ärgerte sie sich, dass es fast dreißig Jahre nach der Öffnung der Slowakei noch immer keine anständigen Verkehrsverbindungen zwischen den beiden Nachbarländern gab. Und so war ihr die etwas umständlichere Anreise lieber, als eventuell über Wochen entweder auszufallen oder ein Mehrfaches der Wegstrecke zurücklegen zu müssen. Finanziell gesehen war die Österreich-Tour für sie immer eine kleine Goldgrube. In Österreich verlangten Physiotherapeuten etwa siebzig Euro die Stunde, sie war mit fünfundzwanzig glücklich. Für slowakische Verhältnisse war das eine fürstliche Entlohnung.

Er war gleich interessiert, und da er in der Nähe von Hohenau zu Hause war, bot er an, zu ihr zu kommen. Sie hatte eine kleine Praxis in dem alten Haus eingerichtet, das sie von ihren Eltern geerbt hatte. Das Haus lag zwar sehr entlegen im Nordostteil der Záhorie in der Borská Nížina mitten im Wald, doch waren es kaum zwanzig Kilometer von Hohenau – vorausgesetzt es gab kein Hochwasser.

Als Kind hasste es Marija, hier leben zu müssen. Der Schulweg war beschwerlich, Freunde kamen selten. Doch nach ein paar Jahren in Bratislava war sie nun glücklich, wieder hier zu sein. Die Stadt war ihr zu laut und sie konnte dort keine richtigen Kontakte knüpfen. Zwar wurde sie immer begehrt und auch umworben, aber sie empfand die meisten Avancen als oberflächlich und wehrte sie ab. Schließlich zog sie sich mehr und mehr aus dem Gesellschaftsleben zurück, verbrachte die meiste Zeit alleine in ihrer kleinen Wohnung. Als ihre Eltern bei einem Autounfall gestorben waren, hatte sie nicht lange überlegt und war wieder in das Haus ihrer Kindheit zurückgekehrt.

Záhorie bedeutet übersetzt ins Deutsche „Land hinter den Bergen“. Die Bergkette der Kleinen Karpaten begann wenige Kilometer weiter östlich. Die Berge waren auch für die Besonderheit dieses nördlichen Teils der Záhorie, der Borská Nížina, verantwortlich. Dieses Gebiet bestand vornehmlich aus angewehtem Sand und Sanddünen. Genau wie in der Sahara vor dem Atlasgebirge entlud der Wind mitgeführten Sand, bevor er über die Berge aufstieg. Es ist für Mitteleuropa ein einzigartiges Phänomen, eine riesige Sandkiste. Um die natürlichen Verwehungen des Sandes zu stoppen, wurden hier seit dem siebzehnten Jahrhundert Kiefern angepflanzt. Marija liebte es, barfuß ihre morgendlichen Waldläufe zu absolvieren, sie liebte das Gefühl des weichen Sandes, der sich ihren Füßen anpasste.

Allein durch die Lage blieb die Praxis klein, nur wenige Patienten nahmen den Weg dorthin auf sich. Doch Marija war geschickt in ihrem Beruf, alle ihre Patienten entwickelten sich mit der Zeit zu Stammkunden. Sie hatte auch keinen hohen finanziellen Bedarf. Das Haus war günstig im Erhalt, ein großer Gemüsegarten versorgte sie mit den nötigen Vitaminen. Als einzigen Luxus leistete sie sich einen kleinen Škoda. Die wenigen Patienten hier und die Einnahmen aus der wöchentlichen Österreich-Tour genügten ihr vollkommen.

Als er dann vor drei Monaten begann, nach seiner Arbeit zu ihr zu kommen, um sich massieren und wegen einer früheren Verletzung behandeln zu lassen, fühlte sie von Beginn an, dass es mit ihm etwas Besonderes war. Sie liebte seine offene, warme Art, und doch war er zurückhaltend, nicht forsch, fast schüchtern. Sie mochte seinen Körper sehr, genoss es, ihn zu massieren, seine Muskeln unter ihren Händen zu spüren. Seit jeher saßen sie nach der Behandlung noch bei einem Kaffee oder Tee zusammen, plauderten und lachten. So waren rasch Gefühle aufgekommen, die Marija schon lange nicht mehr zugelassen hatte. Und auch wenn es schon regelrecht knisterte vor Spannung, war er nie fordernd, er ließ sich und ihr Zeit. Doch nach seiner letzten Behandlung, als sie sich vor seinem Auto verabschiedet hatten, war es wie ein Dammbruch passiert. Plötzlich hatten sie sich umarmt und festgehalten, ein ums andere Mal geküsst. Er hatte immer wieder nur ihren Namen genannt.

„Marija, ich kann es kaum erwarten, wieder zu dir zu kommen!“, waren seine Abschiedsworte, bevor er, nach einem letzten zärtlichen Kuss, zurückgefahren war.

„Heute krieg ich dich, mein Schatz, heut will ich dich endlich für mich haben“, sprach sie laut zu sich selbst und lachte fröhlich auf. Schon beim Gedanken spürte sie ein leichtes Anspannen im Unterleib, ihr Gesicht wurde warm und die Wangen leicht rot.

„Heute sorge ich dafür, dass du mir nicht mehr widerstehen kannst!“, verschwörerisch zwinkerte sie ihrem Spiegelbild zu und begann mit den Vorbereitungen.

Ein bisschen Rosenwasser, etwas Lippenstift, das genügte. Marija trug nie Make-up. Sie hatte sich ein Höschen zurechtgelegt, eines mit einem Tangaschnitt. Rot. Leicht durchsichtig. Kein BH heute. Ihre Brüste waren fest und sollten sich durch den Stoff abheben. Sie nahm ihr weißes Arbeitskleid und schlüpfte hinein. Es hatte vorne Druckknöpfe zum Verschließen. Oben ließ sie es offen, sodass ein Blick ins Dekolleté möglich war, sie wollte jedoch nicht zu offenherzig oder gar billig erscheinen, schließlich sollte ja lediglich seine Phantasie angeheizt werden.

Marija schaute sich noch schnell im Bad um: Alles sah nett und aufgeräumt aus. Wahrscheinlich kamen sie später gemeinsam hierher, dann sollte auch alles passen. Noch schnell zwei Hübe aus dem Inhalator, verdammte Pollenallergie. Aber das Letzte, das sie wollte, war ein Asthmaanfall heute Nachmittag. So, ihrerseits war alles bereit, jetzt konnte er kommen. Gemütlich ging sie Richtung Eingang und trat aus dem Haus hinaus auf die Veranda. Dort setzte sie sich auf die Bank und genoss die ungetrübten Sonnenstrahlen des Nachmittags.

Lange brauchte sie nicht zu warten, da hörte sie schon das Geräusch eines näherkommenden Autos. Marijas Herzschlag stieg an. Rasch griff sie sich noch an die Brust und massierte ihre Brustwarzen. Sie wollte, dass sie sich deutlich unter dem Stoff abheben. Unglaublich, sie fühlte sich wie ein Teenager, so verliebt, so aufgeregt. Langsam ging sie dem herannahenden Auto entgegen, wartete, bis er es geparkt hatte und stellte sich neben die Fahrertüre. Kaum war er ausgestiegen, umarmte sie ihn, kuschelte sich an ihn heran, drückte ihren Körper fest gegen seinen. Sie spürte, wie ein Ruck durch seinen Körper ging, wie er auf sie reagierte, seine plötzlich einsetzende Erregung. Lachend stieß sie ihn sanft weg.

„Ach, ist das schön, dass du da bist! Aber erst kommt die Arbeit. Ich will ja, dass du wieder fit und gelenkig bist und nicht bei jeder Bewegung wie ein alter Mann jammerst!“

Sie nahm ihn an der Hand und ging zum Haus. Sie merkte, wie fasziniert er sie anschaute, wie sein Blick über ihren...