MEG - Roman

von: Steve Alten

Heyne, 2018

ISBN: 9783641213770 , 400 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: frei

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Preis: 9,99 EUR

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MEG - Roman


 

1

An Bord der Maxine D, Versorgungsschiff des Tauchboots DSV-4 Sea Cliff der US-Navy
Philippinensee
Vor sieben Jahren

Trotzig stand Captain Richard Danielson auf dem Hauptdeck. In seinen Ohren brauste ein Südostwind, der mit einer Stärke von dreißig Knoten über den brodelnden Pazifik jagte. Jede Bö brachte das neunundzwanzig Tonnen schwere Tauchboot, das am Heck in der Luft hing, so zum Schaukeln, dass es Gefahr lief, von seinem Kran gerissen zu werden.

Für den amerikanischen Marineoffizier waren die Gischt und der unablässig schwankende Stahl unter seinen Füßen eine ständige Erinnerung daran, dass seine ursprünglich auf zwölf Tage angelegte Mission bereits in ihre dritte Woche ging. Als Kommandant von der Sorte, die am besten vom Schreibtisch aus kommandiert, befand Danielson sich eindeutig nicht in seinem Element. Vor drei Jahren hatte er sich auf den Marinestützpunkt Guam versetzen lassen – in der Hoffnung auf einen nicht von irgendwelchen Kampfeinsätzen bedrohten Posten, auf dem er die bis zu seiner Pensionierung verbleibenden Tage am Schreibtisch verbringen konnte. Guam hatte alles zu bieten, was man sich wünschen konnte – ein tropisches Inselparadies mit herr­lichen Stränden, Hochseefischerei und erstklassigen Golfplätzen. Und die Frauen … exotische Inselgewächse und schnuckelige Asiatinnen. Gut, gewürzt war dieser Posten mit dem im Vierteljahresrhythmus zu leistenden Nachweis der Gefechtsbereitschaft, aber diese Übungen auf See nahmen nur wenige Tage in Anspruch.

Von dem Tag an, an dem die Maxine D im Hafen eintraf, hatte Danielson geahnt, dass er in der Bredouille saß. Das Fahrzeug war eher ein Forschungs- als ein Kriegsschiff und im Prinzip so etwas wie ein stählerner Packesel zum Transport eines Tiefsee-U-Boots. Anders als bei den gewohnten Marinemanövern erhielt Danielson seine Befehle diesmal direkt vom Verteidigungsministerium. Der streng geheime Einsatzort des Tauchboots lag sechs Stunden von Guam entfernt in der Philippinensee. Das Verteidigungsministerium hatte Danielson von Anfang an klargemacht, dass er zwar offiziell das Kommando über den Tender hatte, aber was an Bord passierte, bestimmten die Wissenschaftler.

Das Problem bestand darin, dass bis zur vergangenen Woche kaum etwas passiert war. Zuerst hatte das an der Winde der U-Boot-Aufhängung gelegen, dann am Hauptgenerator und schließlich am Sonargerät des Bootes selbst. Durch die scheinbar endlosen technischen Pannen war Danielson zum Gefangenen einer Mission geworden, über die er nur wenig wusste, und die Eierköpfe an Bord verstärkten seinen Ärger nur. Zu den wiederholten Verzögerungen trug das Wetter bei, das sich mit jedem Tag verschlechtert hatte. Seine letzte feste Mahlzeit hatte Danielson vor zehn Tagen ausgekotzt; bei so einem Seegang war selbst den erfahrensten Seeleuten so flau im Magen wie bei einem üblen Kater.

Ironischerweise war es Mutter Natur, die ein Ende der Mission erzwang. P. A. G. A. S. A., die philippinische Behörde für Wetter, Geophysik und Astronomie, hatte einen mächtigen Taifun der Kategorie 2 gemeldet. Nicht ohne Grund hatte dieser den Namen Marian erhalten, denn sein vorausberechneter Weg würde ihn vom Japanischen Meer aus südwärts in einem langen Bogen an der Inselkette der Marianen vorbeiführen, bevor er sich nach Osten davonmachte. In sechsundzwanzig Stunden waren an der derzeitigen Position Windstärken von etwa einhundertfünfzig Stundenkilometern zu erwarten.

Eigentlich hätte die Maxine D in einer solchen Situation sofort Guam, die südlichste Insel des Archipels, ansteuern sollen. Auf das Drängen der an Bord befind­lichen Wissenschaftler hin hatte das Pentagon jedoch einen letzten Tauchgang genehmigt, bei dem sich das U-Boot zum vierten Mal in das Challengertief des Marianengrabens vorwagen sollte.

Dieser Meeresgraben war der tiefste Punkt der Erde, eine bis zu elftausend Metern tiefe, zweitausendvierhundert Kilometer lange und teils über sechzig Kilometer breite Schlucht, die von einer vulkanischen Subduktionszone gebildet worden war. Das Challengertief, benannt nach dem britischen Forschungsschiff, das es vor über hundert Jahren erstmals erkundet hatte, gehörte zu den tiefsten Regionen des Marianengrabens.

Weshalb die Navy überhaupt Zeit und Geld ausgab, um dieses finstere Loch zu erforschen, war Richard Danielson schleierhaft. Momentan bestand seine einzige Sorge darin, den auf siebzehn Stunden veranschlagten Tauchgang so schnell wie möglich in die Wege zu leiten, damit genügend Zeit blieb, um das U-Boot wieder hochzuholen, es auf Deck zu befestigen und dann schleunigst den Marinestützpunkt auf Guam anzulaufen, bevor Taifun Marian die Oberfläche des Pazifiks in eine Wasserversion des Himalaja verwandelte.

Während die Ausläufer des Sturms DSV-4 alias Sea Cliff ­heftig ins Schaukeln brachten und die für das U-Boot zuständige Mannschaft sich alle Mühe gab, es für den Tauchgang vorzubereiten, machte ein Mann Captain Danielsons Pläne unvermutet zunichte.

Die späte Nachmittagssonne brannte heiß vom Himmel, der Strand war voller Menschen. Jonas Taylor ging auf seiner Decke in die Knie und spürte ein Stechen im Rücken, weil er so lange auf dem Bauch gelegen hatte. Er streckte sich, dann blickte er zu der hinreißenden Blondine hinüber, die sich neben ihm in einem Liegestuhl aalte. Unter dem knappen roten Bikini wölbten sich braun gebrannte, eingeölte Brüste.

Jonas winkte seiner Frau zu, um sie zu einem Bad im Ozean aufzufordern.

Maggie hob abweisend die Hand.

Jonas lief zum Ufer. Das Meer war ruhig, kaum eine Welle war zu sehen. Er schritt bis zur Hüfte ins Wasser, in dem sich schon eine kleine Schar weiterer Badegäste tummelte.

Plötzlich stand ein asiatischer Junge neben ihm, nicht mehr als zehn Jahre alt. In den durchdringenden Mandelaugen lag ein Ausdruck tiefer Besorgnis.

»Geh nicht weiter hinein.«

Jonas starrte den Jungen an, dann blickte er sich nach dessen Vater oder Mutter um.

Merkwürdig. Nun waren die anderen Badegäste verschwunden.

Er wandte sich zum Strand um. Maggie war aufgestanden, bereit zum Aufbruch. Statt ihres Bikinis trug sie ein helles Kleid und High Heels. Ohne ihm auch nur einen Blick zuzuwerfen, ging sie davon.

Bud Harris, der einen Smoking trug, ging neben ihr her. Seine dunklen Haare waren zu einem Pferdeschwanz gebunden. Jonas winkte seinem Freund zu.

Bud erwiderte den Gruß, dann folgte er Maggie den Strand hinauf.

Jonas wandte sich nach dem Jungen um.

Der war verschwunden.

Jonas war allein.

Sein Herz hämmerte laut in der Stille hörbar. Jeder Atemzug dröhnte ihm in den Ohren.

Ein tiefes Grollen erhob sich wie ferner Donner. Dennoch blieb der Himmel völlig wolkenlos.

Draußen auf dem Meer tauchte eine Flutwelle auf, als würde sich der Horizont ein Stück weit heben. Langsam und majestätisch rollte sie heran, ein Berg aus brodelndem dunklem Wasser, zwanzig Stockwerke hoch.

Jonas wandte sich zur Flucht, doch seine Beine verweigerten ihm den Gehorsam.

Er blickte zu der Wand aus Wasser empor, die den Himmel verdunkelte. Dann stürzte sie mit einem Donnerschlag herab.

»Ahhh!«

Jonas Taylor setzte sich in seiner Koje auf. Seine Haut und das zerknüllte Bettlaken waren so mit Schweiß getränkt, dass der dreißigjährige Marineoffizier einen Moment nicht recht wusste, ob die Flutwelle ein Albtraum oder Wirklichkeit gewesen war.

Die vertrauten grauen Wände der Kabine sagten ihm, dass es sich um einen Traum gehandelt hatte.

Dann begann sich alles um ihn herum zu drehen.

Er schloss die Augen, doch das verschlimmerte die Übelkeit nur, weshalb er sie wieder öffnete. Der plötz­liche Schwindel erinnerte ihn an eine ähn­liche, zehn Jahre zurückliegende Erfahrung: Er hatte mit dröhnendem Schädel halb bewusstlos auf dem Rasen eines Footballplatzes gelegen. Das Beaver Stadion auf dem Campus der Penn State war in seinem Blickfeld zur Seite gekippt, während der Mannschaftsarzt mitten im Lärm der Zuschauer seinen Namen gebrüllt hatte: »Nicht bewegen, J. T.! Halt den Blick auf einen Punkt gerichtet, bis du wieder klar sehen kannst!«

Damals hatte er den Football fixiert, den er noch mit den Händen umklammert hatte, jetzt versuchte er es mit dem Bullauge, doch da das Schiff schwankte, hob er die linke Hand und starrte auf seinen Ehering.

Als seine Pupillen ein Ziel hatten, verging der Schwindel.

Ein hartnäckiges Klopfen weckte seine Aufmerksamkeit.

»Ist ja gut, komm rein!«, rief er.

Michael Royston, der Reservepilot des Tauchboots, kam durch die Tür. Sein mit dem Logo der East Tennessee State University versehenes T-Shirt war schweißnass, weil er offenbar wie jeden Morgen trainiert hatte. »Tut mir leid, dass ich dich aufwecken muss, Alter. Heller sagt, du sollst vor dem nächsten Tauchgang zur Routineuntersuchung ins Lazarett kommen. Sag mal, ist irgendwas nicht in Ordnung, Jonas? Du siehst aus, als wärst du gerade in der Hölle gewesen.«

»Da war ich auch. Dreimal in den letzten acht Tagen. Ein viertes Mal ist nicht mehr drin. Jedenfalls nicht heute.«

Royston riss die Augen hinter der Brille auf....