Die unwahrscheinliche Erleuchtung des Kiffers Felix B. - Roman

von: Steve Bürk

Periplaneta, 2015

ISBN: 9783943876963 , 246 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: frei

Mac OSX,Windows PC für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 6,99 EUR

eBook anfordern eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Die unwahrscheinliche Erleuchtung des Kiffers Felix B. - Roman


 

Felix schlug sich mit der flachen Hand ins Gesicht und klebte dann zwei Blättchen aneinander. Alarmiert blickte Silke vom Fernseher auf, auf dem eine schwangere Polizistin gerade ihrem Kollegen erklärte, wie der brutale Mord ihrer Meinung nach abgelaufen sei.

„Was ist los?“

Felix klebte weiter die Blättchen aneinander, die Augen drohten ihm zuzufallen. „Die Pillen machen müde.“ Er schüttelte leicht den Kopf, wobei er die dünne Schicht Tabak, die er auf dem Blättchen hatte verteilen wollen, über den Tisch verteilte. Mühsam sammelte er alles wieder auf.

Silke strich ihm beruhigend über den Rücken. „Das ist doch nicht so schlimm. Wenn du schläfst …“

„Ich kanns nicht stoppen.“ Mühsam versuchte er die Augen offen zu halten und ließ den Pappfilter ungeschickt aus dem Blättchen rutschen.

Silke streckte die Hand danach aus. „Lass mich das machen, ja?“

Doch er zog die halbfertige Tüte vor ihr weg. Als er sie anblickte, zitterten seine Augenlider vor Anstrengung. „Nee … du baust scheiße …“

Doch dann fielen ihm die Augen zu und er sackte auf der Couch zusammen. Er war eingeschlafen, noch bevor sein Kopf das Kissen berührte. Vorsichtig versuchte Silke, ihn aufzuwecken, doch dann gab sie es auf und strich ihm zärtlich über die angespannte Stirn.

Felix war allein. Es war dunkel, kein Geräusch war zu hören. Nichts. Erleichtert atmete er aus, doch dann sah er eine riesige Schere, die das Nichts aufschnitt wie einen dunklen Vorhang. Dahinter kam ein buntes Gewusel zum Vorschein. Bewegung, Lärm, Gerüche, Berührungen. Alles auf einmal. Felix versuchte, sich einkugeln, die Arme um Augen und Ohren legen, um die unerträglichen Eindrücke wegzusperren, doch er konnte nicht klar denken. Der Schmerz war zu heftig wie ein unendliches Drängen, Milliarden juckender Punkte, die er nicht gleichzeitig kratzen konnte. In seiner Verzweiflung schrie Felix.

Er wusste, dass er diesen Zustand nicht mehr lange aushalten konnte, und dass es nur ein mögliches Ende dieser Qual gab: seinen Tod. Die Gewissheit traf ihn wie ein Hammerschlag. Er würde sterben, daran gab es keinen Zweifel. Plötzlich spürte er, wie Tränen über sein Gesicht flossen. Er würde nie wieder Sex haben, nie wieder einen Joint rauchen. Nie mehr Silke, nie mehr Larry, nie mehr Mam und Paps. Sharika würde Level 34 nie übersteigen und er würde nie so ganz verstehen, was eigentlich der Clou bei Lost war …

Er hielt kurz in seinem Selbstmitleid inne und blickte sich um. Das Chaos um ihn herum hatte aufgehört. Um ihn herum schimmerte es, ohne wirklich hell zu sein. Er schwebte in etwas, das fester als Luft war, aber nicht so nass wie Wasser. Flüssiges Morgenlicht. Er sah, dass eine Art gewundener Regenbogen durch seine Brust floss. Er drehte den Kopf und sah, dass der Regenbogen hinter ihm weiterfloss.

Vorsichtig berührte er die schillernden Lichter, die aus seinem Brustkorb strahlten. Sie waren ein bisschen wie Nebel – wie dieser schwere Bühnennebel, der so schlecht roch und bei Rockkonzerten immer im Übermaß eingesetzt wurde. Vorsichtig führte er seine Hand an die Stelle, an der der Regenbogen durch seine Brust floss. Er befürchtete, ein Loch vorzufinden, doch seine Brust fühlte sich an wie immer, etwas schwabbelig.

Er fuhr stärker durch den Schillernebel und sah, wie sich Fetzen aus dem Strom lösten, durch die Luft wirbelten, nur um sich dann wieder an ihre alte Stelle zurückzubewegen. Felix sah sich den Nebel genauer an. Er unterteilte sich in viele kleine Fäden, wie bunte Zuckerwatte. Die Fäden waren untereinander verästelt und schienen sich zu bewegen. Nein, etwas in den Fäden bewegte sich. Oder darauf?

Er strengte sich noch etwas mehr an und sah schließlich Menschen, Situationen, Momente. In einer alten Frau, die Auto fuhr, erkannte er seine Mutter. Er blickte den Faden hinab und sah, wie sie ins Auto stieg. Dann sah weiter hinauf und erkannte mit Schrecken, dass seine Mutter in einen schweren Autounfall verwickelt wurde. Doch kurz davor gab es einen Abzweig. Der Faden verästelte sich in zwei verschiedene Stränge und auf dem anderen sprach sie auf ihrem Handy und hielt anschließend auf einem Rastplatz. Die Massenkarambolage passierte ohne sie.

Verwirrt versuchte Felix, sich von dem schillernden Strahl wegzubewegen, doch es gelang ihm nicht. Er schlug durch die unzähligen Fäden, doch sie verbanden sich immer wieder makellos.

„Na klasse“, raunte Felix ungeduldig. „Was soll das hier werden?“

Die Frage hatte er einfach in den Raum gestellt, ohne eine Antwort zu erwarten. Und doch leuchteten ein paar der Stränge auf. Auch sahen sie nun nicht mehr ganz so winzig aus. Seufzend ergab er sich seinem Schicksal und fischte mit der Hand nach ihnen. Er erkannte Silke, die neben seinem schlafenden Körper auf dem Bett saß. Sie hatte eine fertig gedrehte Tüte in der Hand, die, wie Felix zugeben musste, gar nicht so schlecht gebaut war. Besorgt blickte sie auf sein bewegungsloses Ich und Felix wünschte sich, er könnte ihr ein Zeichen geben, dass bei ihm alles okay sei. Aber auch auf seine direkten Befehle reagierte sein Körper nicht. Er erkannte, dass er hier nichts bewerkstelligen konnte, und schaute sich den hinteren Teil des Strangs an. Felix sah sich und Silke beim Sex. ‚Okay‘, dachte er sich, ‚ich wache also auf. Oh Mann, bin ich wirklich so dick?‘

Schnell nahm er sich einen anderen Strang vor. Dort sah er einen Käfig, in dem eine Schale stand. Ein Schatten näherte sich dem Käfig und steckte vorsichtig den Kopf hinein. Es war eine schwarzweiße Hauskatze mit einem Glöckchen am Halsband. Sie schaute misstrauisch nach rechts und links, doch als sie niemanden sehen konnte, stürzte sie sich auf das Essen in der kleinen Schale. Gierig verschlang sie es bis auf den letzten Bissen. Dann wollte sie den Käfig wieder verlassen, doch ihre Feinmotorik schien gelitten zu haben. Sie schwankte, gähnte ausgiebig und streckte sich auf dem Boden des Käfigs aus. Felix warf einen Blick auf den hinteren Bereich des Strangs, doch der war leer. Nichts zu sehen. Er hatte nicht etwa aufgehört, er war einfach nur ohne Bild. Felix runzelte die Stirn und suchte nach dem Punkt, wo die Bilder aufhörten und fand eine Stelle, an der die Katze schlafend auf dem Boden lag. Dann streckte sich eine Hand nach dem Käfig aus und zog ihn weg. Das Bild verschwand. Als Felix weiter vorn im Strang suchte, sah er die Katze bei ihrer erfolglosen Jagd auf einen Spatz. Schulterzuckend ließ er den Strang aus seiner Hand gleiten.

Ein weiterer leuchtender Strang zeigte einen buddhistischen Mönch, der mit einem kleinen Jungen zusammen im Flugzeug saß. Felix wartet schon halb darauf, dass das Flugzeug abstürzte, sah aber nur, dass der Junge zu meditieren schien, während der Alte sich einen Zeichentrickfilm ansah und sich köstlich darüber amüsierte. Als er laut auflachte, fing er sich den zurechtweisenden Blick des Jungen ein und entschuldigte sich betroffen. Wieder zuckte Felix mit den Schultern und machte sich auf die Suche nach etwas Spannenderem. Vielleicht das wirkliche Leben einer seiner Lieblingssänger. Oder was hinter den verschlossenen Türen der Spitzenpolitiker so abging. Hey, er könnte die neuen Fernsehsendungen sehen, bevor sie gedreht wurden. Felix stellte fest, dass er seine Augen geschlossen hatte. Vorfreudig öffnete er sie und fand sich auf seiner Schlafcouch wieder. Silke saß vor ihm und blickte ihn besorgt an. Schnell entzündete sie den Joint in ihrer Hand und reichte ihn ihm.

„Alles okay?“, wollte sie wissen.

Felix grunzte bestätigend und griff nach dem Rauchwerk. Er hatte das Gefühl, dass es irgendwas gab, an das er sich nicht erinnerte. Etwas Wichtiges.

Silke kuschelte sich an ihn. „Ich hab mir Sorgen gemacht.“ Sie strich ihm über den Bauch. „Wie gehts dir jetzt?“

Er überlegte krampfhaft und bemerkte, dass er gerade völlig von ungewollten Eingebungen verschont wurde. Als Silkes Hand tiefer wanderte und über seine sofort freudig anschwellende Erektion strich, fiel es ihm schlagartig wieder ein. „Ich muss meine Mutter anrufen!“

Er sprang auf und lief zum Telefon.

„Den Einfall kriegst du, wenn ich deinen Schwanz anfasse?“

Beim Tippen der Nummer wandte Felix sich ihr entschuldigend zu. „Ja … nein … wir haben gleich Sex, ganz sicher. Ich muss nur kurz meiner Mutter das Leben retten.“

* *

Larry war unzufrieden. Nein, er war richtig angepisst. Wegen dieser Bitch und natürlich auch wegen Ix, diesem eierlosen Penner. „Du kannst ja später wiederkommen, wenn wir die Pillen getestet haben“, hatte er gesagt.

Super. Er kannte Felix jetzt seit 21 Jahren und wie lange kannte sie ihn? Nicht mal zwei. Aber Felix hatte sich schon immer von Frauen unterbuttern lassen. Das fing bei seiner Mutter an. Das war auch der Grund, warum Larry Single blieb.

„Du bist dran, Larry.“

Missmutig warf Larry einen Blick auf das vor ihm liegende Spielbrett. Ein paar bunte Plastikfiguren standen darauf, die die klassischen Fantasy-Standards darstellten: ein Zwerg mit einer Axt, eine Elfe mit Langbogen, Magier, Krieger, blablabla …

„Ich hab keinen Bock mehr.“

Sein Gegenüber, ein kleiner, stämmiger Mann, runzelte kritisch die Stirn. „Hey Mann, du kannst nicht einfach schlappmachen, wenn ich grad den Orb of Inflammation erbeutet habe.“

Die rothaarige Frau neben ihm, ebenso klein aber eher zierlich, legte ihm eine Hand aufs Bein, als wollte sie sagen: ‚Jetzt lass ihn doch!‘

Es war ein Fehler gewesen, hierher zu kommen,...