Die Anatomie des Pferdes - Eine Reise durch den Pferdekörper

von: Dr. Christina Fritz

Cadmos Verlag, 2015

ISBN: 9783840462436 , 96 Seiten

Format: ePUB

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Preis: 8,99 EUR

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Die Anatomie des Pferdes - Eine Reise durch den Pferdekörper


 

Der Bewegungsapparat

Pferde sind Bewegungstiere. (Foto: Slawik)

Der Bewegungsapparat des Pferdes besteht aus einem passiven Anteil, darunter versteht man Knochen und Gelenke, und einem aktiven Anteil, der die gesamten Muskeln umfasst. Das Zusammenspiel beider Anteile ist notwendig, damit sich das Pferd bewegen kann. Muskeln ohne Knochen können sich zwar zusammenziehen, kommen aber nicht vom Fleck. Ein Skelett ohne Muskeln kann noch nicht mal allein stehen, weil schon für das Stehen die Spannung der Muskulatur notwendig ist. Das Skelett gibt also die notwendige Stabilität und die Ansatzpunkte für die Muskeln, die den Körper dann bewegen.

Die Knochen

Die Knochen haben im Bewegungsapparat die Aufgabe, Stütze und Ansatzpunkt für die Muskeln, Sehnen und Bänder zu sein und das Gewicht des Körpers zu tragen.

Knochen ist kein totes Gewebe, wie man anhand anatomischer Präparate oft denken möchte. Das, was nach der Präparation übrig bleibt, ist nur noch der mineralische Kalkanteil des Knochens, ähnlich wie eine Koralle an Land nur noch das tote Kalkskelett des Lebewesens ist. Der Mineralanteil im Knochen gibt ihm seine Festigkeit, die dafür sorgt, dass Knochen nach Zahnschmelz die härteste Substanz im Körper ist. Der Mineralanteil, vor allem Kalzium, Phosphor und Magnesium, macht aber nur etwa die Hälfte des Knochens aus. Beim ausgewachsenen Pferd sind etwa 9 bis 10 Kilogramm Kalzium im Skelett gebunden, von denen 20 Prozent bei Bedarf mobilisiert werden können. Damit stellen die Knochen eines der wichtigsten Mineral-reservoirs des Körpers dar. Ein Viertel des Knochengewichts ist Wasser und ein weiteres Viertel sind lebende Knochenzellen. Diese Knochenzellen (Osteozyten) sorgen dafür, dass ein Knochen ständig auf-, ab- und umgebaut und damit seiner Belastung angepasst wird. Besonders eindrücklich sehen wir die Aktivität dieser Knochenzellen nach Knochenbrüchen, wenn der Spalt zwischen den beiden Bruchstücken innerhalb weniger Wochen mit neuem Knochenmaterial geschlossen wird. Die Osteozyten sind aber auch für die Bildung von Überbeinen verantwortlich, da sie hier bei Entzündungen der Knochenhaut oder bei kleinsten Fissuren im Knochen zusätzliches Material aufbauen, um den Knochen zu stabilisieren.

Überbein am Griffelbein, Ansicht von palmar. (Foto: Fritz)

Wussten Sie schon …?

Auf den Röhrbeinen der Vorderbeine ruht besonders viel Gewicht, das sich noch erhöht, wenn das Pferd geritten wird. Beim ungerittenen Pferd haben die Röhrbeine der Vorderbeine einen runden Querschnitt. Wird das Pferd geritten, wird dieser Querschnitt quer-oval. Der Körper bildet hier mehr Knochenmasse aus, um mehr Gewicht tragen zu können.

Querschnitt durch ein Pferdebein. (Foto: Fritz)

Aufbau verschiedener Knochen

Nach dem Aufbau kann man kurze Knochen, platte Knochen und Röhrenknochen unterscheiden. Kurze und platte Knochen sind nur aus schwammförmigem Knochenmaterial (Spongiosa) und der sie bedeckenden dünnen harten Knochenrinde (Corticalis) aufgebaut. Zu den platten Knochen gehören beispielsweise die Schädelknochen oder die Beckenknochen, aber auch die Rippen werden aufgrund ihres Aufbaus dazugezählt. Zu den kurzen Knochen gehört zum Beispiel das Kronbein, also der Zehenknochen, der auf Höhe des Kronrands liegt. Zu den Röhrenknochen gehören alle langen Knochen, zum Beispiel die großen langen Knochen der Extremitäten. In ihnen bildet sich im Bereich der Röhre eine Markhöhle aus, die von einer dicken, besonders stabilen Knochenschicht (Kompakta) umgeben ist. Die Enden der Röhrenknochen bestehen auch aus Spongiosa.

Um die notwendige Festigkeit bei gleichzeitig geringem Gewicht zu erreichen, sind Knochen trajektoriell aufgebaut. Das heißt, sie bestehen nicht nur aus einer kompakten Kalkmasse, wie man bei ihrem Anblick zunächst denkt, sondern aus fein verästelten Knochenbälkchen, die besonders im Bereich der Spongiosa deutlich sichtbar werden. Diese Knochenbälkchen richten sich entlang der Zug- und Druckkräfte aus, die auf den Knochen wirken. Der Knochen ist damit gleichzeitig fest und flexibel.

An allen Knochen liegt außen die Knochenhaut an, das Periost. Sie besteht aus straffem Bindegewebe (Fibrosa). Auf der Innenseite gibt es eine Schicht, in der Knochenzellen sitzen, die Osteoblastenzone. Hier können Überbeine entstehen, wenn die Knochenhaut, zum Beispiel durch einen Schlag, verletzt wird. Von der Knochenhaut ausgehend ziehen sehr viele Kollagenfaserbündel, sogenannte Sharpey-Fasern, in den Knochen und verbinden diesen fest mit der Knochenhaut. Von der Knochenhaut aus dringen auch Blutgefäße in den Knochen ein und versorgen die tief im Knochen liegenden Knochenzellen und die Zellen im Knochenmark. An den Gelenkenden der Knochen setzen sich die Kollagenfaserbündel in die oberste Schicht des Gelenkknorpels fort und strahlen bis in die bindegewebige Gelenkkapsel ein. Sie sorgen damit für eine enge Verbindung zwischen Gelenkknorpel und Knochen sowie zwischen Gelenkkapsel und Knochen. Die Sehnen und Ansatzpunkte der Muskeln entspringen ebenfalls der Knochenhaut, und ihre Fasern ziehen bis in den Knochen hinein. So sind Knochen und Sehnen fest miteinander verwachsen.

Innerhalb der Röhrenknochen befindet sich die Markhöhle, die vom gut durchbluteten Knochenmark ausgefüllt wird. Das rote Knochenmark besteht unter anderem aus Stammzellen für die roten und weißen Blutkörperchen. Auch die platten Knochen enthalten rotes Knochenmark. Während sich das Knochenmark der Röhrenknochen bei älteren Tieren zurückbildet und nur noch aus Fett besteht (weißes Knochenmark), bleibt das rote Knochenmark der platten Knochen ein Leben lang bestehen und bildet die lebensnotwendigen Blutzellen.

Im Embryo werden alle Knochen zuerst als Knorpel angelegt, die später durch Einlagerung von Mineralien verknöchern. An den meisten Röhrenknochen des Skeletts kann man einen Schaft und zwei Endstücke unterscheiden. Solange das Tier wächst, sind die Knochenenden noch durch eine knorpelige Epiphysenfugenscheibe (meist kurz als „Epiphyse“ oder „Epiphysenfuge“ bezeichnet) vom Schaft getrennt. An ihr findet das Längenwachstum statt, bis das Tier ausgewachsen ist. Das ist beim Pferd mit etwa sechs Jahren der Fall, kann aber auch bis zum achten Lebensjahr dauern. Wie groß ein Pferd letztlich wird, hängt nicht nur von der Genetik ab, sondern auch von seinen Hormonen. So werden Wallache im Schnitt größer als Hengste und wachsen länger. Außerdem beeinflussen die Ernährung und die biomechanischen Kräfte, die auf das Skelett wirken, das Wachstum. Wird das Pferd frühzeitig stark belastet, zum Beispiel im Springsport oder beim Reining, verknöchern die Epiphysenfugen früher, um den Knochen zu stabilisieren. Damit stellt das Pferd sein Größenwachstum ein. Häufig kann man in diesen Fällen auf der Innenseite des Vorderbeins unterhalb des Karpalgelenks sogenannte „Überlastungsüberbeine“ erkennen. Das sind Knochenwucherungen, die wegen der starken mechanischen Belastung in diesem Bereich gebildet werden, um ein Brechen des Knochens an der Epiphysenfuge zu verhindern. Ist die Epiphysenfuge vollständig mit Mineralien verknöchert, ist kein Wachstum mehr möglich. Danach finden nur noch Stabilisierungs- und Reparaturvorgänge statt, die Länge des Knochens bleibt aber gleich.

Die Gelenke

Die Knochen des Skeletts sind über Gelenke beweglich miteinander verbunden. Je nach ihren Aufgaben haben sich verschiedene Gelenkformen ausgebildet. Je nach ihrer Funktion können die Gelenke stark beweglich sein und sind dann meist von Muskeln überzogen, wie die Gelenke der Extremitäten. Es gibt aber auch Knochen verbindungen, die nur passiv beweglich sind. Sie bieten Spielraum für Bewegung, ohne dass sie selbst aktiv bewegt werden. Dazu gehört die Beckensymphyse, die Stelle, an der die Schambeine des Beckens zusammenkommen. Diese, normalerweise durch Knorpel geschlossene Symphyse, muss sich während des Geburtsvorgangs lösen, damit der Geburtskanal weit genug für das Fohlen wird. Der Schädel besteht ebenfalls aus einzelnen Knochen, die passiv beweglich miteinander verbunden sind. In diesem Fall spricht man von Suturen, also feinen Nähten, an denen die Knochen durch Bindegewebe zusammengehalten werden.

Fohlenschädel mit gut sichtbaren Suturen. (Foto: Fritz)

Becken mit gut sichtbarer Beckensymphyse, Aufsicht von dorsal. (Foto: Fritz)

Echte Gelenke, also solche, die an der aktiven Bewegung des Körpers beteiligt sind, zeigen alle einen ähnlichen Aufbau. Sie bestehen aus den Knochenenden, die das Gelenk bilden. Diese sind mit hyalinem Gelenkknorpel überzogen.

Wussten Sie schon …?

Gelenkknorpel hat eine wichtige Pufferfunktion, um die Knochenenden gegeneinander abzufedern. Dazu füllen sich die Knorpelzellen bei Bewegung verstärkt mit Flüssigkeit und bilden so eine dichte Schicht kleiner Polsterkissen, die Stöße abfängt. Längeres Stehen presst die Flüssigkeit aus den Knorpelzellen heraus. Damit die...