Classics Sammelband - Gamiani / Die Wonne der Rute / Die Lustobjekte einer Sklavenhändlerin

von: Máhmed Ben Chérif Effendi, Eduard Droz, Alfred de Musset

CARL STEPHENSON, 2010

ISBN: 9783798604384 , 400 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: frei

Mac OSX,Windows PC für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 6,49 EUR

eBook anfordern eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Classics Sammelband - Gamiani / Die Wonne der Rute / Die Lustobjekte einer Sklavenhändlerin


 

XI


Fanny war noch sehr jung und im Grunde sehr unschuldig. Ich glaubte daher, sie würde an Gamiani nur mit Entsetzen und Abscheu zurückdenken. Ich überhäufte sie mit Liebe und Zärtlichkeiten und erwies ihr verschwenderisch die berauschendsten Liebkosungen. Zuweilen tötete ich sie fast in wollüstigem Entzücken und in der Hoffnung, sie würde fortan von keiner anderen Leidenschaft mehr wissen wollen als von der natürlichen Liebe zwischen Mann und Frau. Aber ich täuschte mich!

Fannys Fantasie war geweckt worden – und zur Höhe dieser Fantasie vermochten alle unsere Liebesfreuden sich nicht zu erheben. Nichts kam in Fannys Augen den Verzückungen ihrer Freundin gleich. Unsere heißesten Liebesstunden waren für sie nur kalte Liebkosungen im Vergleich mit den wilden Rasereien, die sie in jener verhängnisvollen Nacht kennengelernt hatte.

Fanny hatte mir geschworen, Gamiani niemals wiedersehen zu wollen; aber ihr Eid vermochte nicht den Wunsch zu ersticken, den sie im Geheimen hegte. Vergebens kämpfte sie dagegen an; der innere Kampf regte sie nur immer mehr auf. Bald sah ich ein, dass sie ihrer Leidenschaft nicht würde widerstehen können. Ich hatte ihr Vertrauen verloren und war gezwungen, mich zu verstecken, um sie heimlich zu beobachten.

Durch eine geschickt angebrachte Öffnung konnte ich sie jeden Abend sehen, wenn sie zu Bett ging. Oft sah ich sie sich weinend auf den Diwan werfen, sie wälzte sich verzweifelt hin und her, riss sich plötzlich ihre Kleider vom Leibe, zerfetzte ihr Hemd und stellte sich mit weit aufgerissenen Wahnsinnsaugen vor einen Spiegel. Sie streichelte ihre Haut, sie schlug ihren Leib, sie suchte, mit sinnloser, brutaler Heftigkeit wollüstige Gefühle zu erregen.

Zu heilen war sie nicht mehr, aber ich wollte sehen, wie weit das Delirium ihrer Sinne gehen würde.

Eines Abends war ich wieder auf meinem Posten; Fanny war im Begriff, zu Bett zu gehen, da hörte ich sie plötzlich rufen:

„Wer ist da? Sind Sie es, Angelique? … Gamiani! Oh, nein, niemals hätte ich …“

„Ja, ja, ich bin es“, rief Gamiani. „Du fliehst vor mir, du stößt mich zurück. So musste ich meine Zuflucht zu einer List nehmen. Ich habe durch falsche Vorspiegelungen alle deine Leute entfernt – und hier bin ich.“

„Ich kann Sie nicht begreifen, noch weniger vermag ich Ihre hartnäckige Verfolgung mit dem richtigen Namen zu bezeichnen“, entgegnete Fanny. „Es ist wahr – ich habe geheimgehalten, was ich von Ihnen wusste, aber meine Weigerung, Sie bei mir zu empfangen, musste Ihnen doch deutlich genug sagen, dass Ihre Gegenwart mir lästig, ja, widerwärtig ist. Ich verabscheue Sie! Um Gottes willen, lassen Sie mich in Ruhe. Gehen Sie, damit es nicht zu einem Skandal kommt!“

„Meine Maßnahmen sind getroffen“, antwortete Gamiani energisch. „Begreif doch! Mein Entschluss steht fest! Du wirst ihn nicht umstoßen, Fanny. Meine Geduld ist erschöpft!“

„Nun“, fragte Fanny, „was wollen Sie denn? Mich noch einmal vergewaltigen, notzüchtigen, besudeln? Oh, nein, Frau Gräfin! Entfernen Sie sich oder ich rufe meine Leute!“

„Kind, wir sind allein! Die Türen sind verschlossen; die Schlüssel habe ich in Sicherheit gebracht. Du bist in meiner Hand! … Aber beruhige dich, sei ohne Furcht!“

„Bei Gott im Himmel! Rühren Sie mich nicht an!“

„Fanny“, entgegnete die Gräfin, „jeder Widerstand ist vergeblich. Du musst auf alle Fälle unterliegen – ich bin stärker als du und mich beseelt die heißeste Leidenschaft. Auch ein Mann würde mich nicht besiegen. Also … oh mein Gott! Sie erbleicht … sie zittert … mein Gott! Fanny, meine Fanny! Ihr wird übel! Oh, was habe ich getan! Komm zu dir! Sei nicht böse, dass ich dich so an mich presse – ich tue es aus Liebe. Oh, wie liebe ich dich, du mein Leben, du meine Seele! Kannst du mich denn gar nicht verstehen? Sag, ich bin doch nicht böse! Meine Kleine! Mein Herzblatt! Nein, ich bin gut. Oh! So gut – denn ich liebe dich ja. Sieh mir doch in die Augen! Fühle, wie mein Herz schlägt. Für dich schlägt es, für dich allein! Ich will ja nichts weiter, als dass du in meinen Armen Seligkeit, jubelnden Rausch findest. Komm doch zu dir! Lass dich durch meine Küsse erwecken. Oh, ich vergöttere dich, abgöttisch bis zum Wahnsinn bete ich dich an, süßes Kind …“

„Sie töten mich“, stöhnte Fanny. „Mein Gott, lassen Sie mich doch endlich los. Sie sind abscheulich!“

„Abscheulich? Wie kann ich dir Abscheu einflößen! Bin ich denn nicht mehr jung? Bin ich nicht auch schön? Überall sagt man es mir. Und mein Herz? Gibt es ein Herz, das so zu lieben weiß? Ist denn dieses Feuer, das mich verbrennt, das mich verzehrt, dieses glühende Feuer Italiens, das meine Sinne vervielfältigt und mich triumphieren lässt, wo alle anderen unterliegen – ist dieses Feuer wirklich so etwas Abscheuliches? Sprich! Was ist ein Mann, ein Geliebter, im Vergleich mit mir! Zwei oder drei Liebeskämpfe – und er liegt ermattet auf dem Rücken; nach dem vierten stößt er ein müdes Röcheln aus, seine Glieder zucken in Krämpfen, es ist jämmerlich! Aber ich – ich bleibe stark, ungebändigt, lustzitternd. Ja, ich bin die verkörperte heiße Liebesbrunst des Fleisches. Unerbittlich in meiner Wollust, gebe ich dir Wonne ohne Ende. Ich bin die Liebe, die der Tod ist!“

„Halten Sie ein, Gamiani! Halten Sie ein!“, rief Fanny.

„Nein, nein! Höre mich weiter! Höre mich, Fanny! Nackt sich in den Armen liegen – zwei Freundinnen, jung, schön, lieblich, duftend, vor Liebe glühend, vor Wonne zitternd, sich berühren, sich verschlingen, Leiber und Seelen in einem Seufzer, in einem einzigen Laut, in einem Aufschrei der Liebe vereinigen – das, Fanny, Fanny – das ist Himmelswonne!“

„Mein Gott“, keuchte Fanny. „Diese Worte – diese Blicke! Und ich – ich höre Ihnen zu, ich blicke Sie an! – Oh, haben Sie Erbarmen mit mir! Ich bin so schwach … Sie bezaubern mich … Was für eine Zauberkraft hast du denn an dir? Ich fühle dich in meinem Fleisch … ich fühle dich in meinen Knochen … Du bist ein Gift. Oh! Ja, du bist entsetzlich … und, und … ich liebe dich!“

Gamiani seufzte: „Ich liebe dich … ich liebe dich! Oh, sag es noch einmal, noch einmal, dieses Wort! Dieses Wort … brennt!“

Bleich, unbeweglich, mit weit geöffneten Augen, mit gefalteten Händen, lag Gamiani vor Fanny auf den Knien. Sie sah aus, als habe ein Gott sie plötzlich berührt und in Marmor verwandelt. Sie sah wundervoll aus in ihrer Zerknirschung, in ihrer Verzückung. „Ja, ja! Ich liebe dich mich allen Kräften meines Leibes!“, rief Fanny. „Ich will dich haben! Ich begehre dich! Oh – ich werde deinetwegen noch den Verstand verlieren.“

„Was sagst du, Herzgeliebte? Was sagst du?“, entgegnete Gamiani atemlos. „Wie bin ich glücklich! Deine Haare sind schön … Wie weich sie sind! Fein, goldig. Wie Seide gleiten sie mir durch die Finger. Wie rein deine Stirn ist … weißer als eine Lilie. Deine Augen sind schön; den Mund ist schön. Du bist weiß, atlasweich, duftend himmlisch vom Kopf bis zu den Füßen. Du bist ein Engel, du bist die Wollust. Oh diese Schleife, diese Bänder … Sei doch nackt! Schnell zu mir! Ich, ich bin schon nackt! Ah! So! So! Wundervoll! Blendend! Bleib stehen, dass ich dich bewundere. Wenn man dich so malen könnte! Wenn ich dich in einem einzigen Zug so zeichnen könnte! Warte … ich will dir die Füße küssen … die Knie, den Busen, den Mund. Umarme mich. Drück mich an dich! Stärker! Oh, welche Wonne, welche Lust! – Sie liebt mich!“

Die beiden Leiber waren zu einem Leib verschlungen. Nur die Köpfe hielten die beiden Schönen voneinander ab, um sich mit einem entzückenden Lächeln den Glückes bewundern zu können. Aus ihren Augen schossen Blitze, ihre Wangen glühten feuerrot. Ihre Lippen bebten und küssten einander dann wieder in stürmischer Glut. Ich hörte einen Seufzer verhauchen, dem ein Seufzer antwortete. Dann folgte ein erstickter Schrei und regungslos hielten sich die beiden Schönen umschlungen. Nach einer langen Pause flüsterte Fanny: „Ich war glücklich – sehr glücklich.“

„Ich auch, meine süße Fanny“, entgegnete Gamiani. „Und es war ein Glück, wie ich es nie zuvor erlebte. Unsere Seelen und unsere Sinne waren vereinigt auf deinen Lippen … Und nun in dein Bett! Diese Nacht wollen wir uns in Liebe berauschen!“

Umschlungen begaben sich beide nach demAlkoven. Fanny warf sich auf das Bett und streckte wollüstig ihre Glieder aus. Gamiani kniete vor dem Bett auf einem Teppich, zog Fanny an ihren Busen und umschlang sie mit ihren Armen.

Schweigend, schmachtend sahen sie einander an. Bald begannen die frivolen Spiele der Liebe von Neuem. Kuss folgte auf Kuss; gierig eilten die kundigen Hände hin und her. Aus Fannys Augen sprach Sehnsucht und Erwartung; Gamianis Blicke aber verrieten die Trunkenheit ihrer Sinne. Vom Feuer der Wollust belebt, gerötet, schienen die beiden schönen Leiber zu funkeln. Diese in Wollust und Leidenschaft rasenden Furien umgaben ihre Ausschweifungen mit einem poetischen Zauber; ihr Anblick erregte die Sinne und die Fantasie.

Vergebens rief ich meine Vernunft zu Hilfe – in wenigen Augenblicken war auch ich von meinen Begierden völlig überwältigt. Es gab keine Möglichkeit, mich in die Liebesspiele dieser beiden nackten Schönen einzumischen! Und so glich ich dem brünstigen wilden Tier, das mit glühenden Blicken sein Weibchen verfolgt, von dem es aber durch die Gitterstäbe eines Käfigs getrennt ist. Wie betäubt stand ich da, stumpfsinnig, den Kopf an das Loch gepresst,...