Ein Stück von Rio

von: Teodora Kostova

Cursed Verlag, 2018

ISBN: 9783958236967 , 176 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 5,99 EUR

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Ein Stück von Rio


 

 

Kapitel 3


 

 

Blaine stieg aus der Dusche, wickelte sich ein Handtuch um die Hüfte und wischte den Badezimmerspiegel mit der Hand ab. Nachdem er sein Spiegelbild einen Augenblick gemustert hatte, atmete er seufzend aus und schüttelte den Kopf. Er sah müde aus. Seine Augen waren vor Erschöpfung ganz klein und die dunklen Ringe darunter trübten ihren üblichen Glanz. Eine Rasur wäre sicher keine schlechte Idee, aber normalerweise zog er einen Dreitagebart einer sauberen Rasur vor.

Nachdem er im Badezimmer fertig war, ging Blaine in sein Schlafzimmer und schaltete den Radiowecker an, der auf seiner Kommode stand. RPRM FM, der Radiosender, auf dem Blaines Show lief, war bereits voreingestellt und Blaine genoss es, jeden Tag den Beiträgen seiner Kollegen zu lauschen.

Der relativ neue Sender wurde immer beliebter, vor allem bei den jungen Hörern. Die vielseitige Mischung aus Sendungen, Indie-Musik, talentierten DJs und einem erfrischend neuen Blick auf aktuelle Ereignisse hatten RPRM FM nach nur einem Jahr auf Sendung bereits zu einem der beliebtesten Radiosender in ganz Großbritannien werden lassen. Blaine wusste außerdem mit Sicherheit, dass er dank des Online-Livestreams und des Podcasts auch Hörer im Ausland hatte, aber die Haupthörerschaft bildeten junge Briten in den Zwanzigern.

Die letzten Töne eines peppigen Popsongs klangen aus und gleich darauf erfüllte Levi Stones rauchige Stimme Blaines Schlafzimmer, während er gerade in den Schubladen nach seiner Lieblingsboxershorts von Calvin Klein suchte. Heute war irgendwie ein Tag für bequeme-aber-trotzdem-sexy Unterwäsche.

»Ich habe einen Anrufer in der Leitung«, sagte Levi und das Vergnügen in seiner Stimme brachte Blaine zum Lächeln.

Levis Sendung war ziemlich beliebt und seine Quote ging durch die Decke, wenn er die Anrufe von Hörern entgegennahm. Blaine hatte seine eigenen seltsamen Anrufer, aber Levi zog die Verrückten an wie kein anderer.

»Und er hat etwas sehr Interessantes zu sagen. Hör gut zu, London, denn am Ende dieses Anrufs fliegst du vielleicht nach Rio de Janeiro. Gratis.«

Blaine runzelte die Stirn. Er wusste nicht, dass gerade irgendwelche Spiele liefen, bei denen es eine Reise nach Rio als Hauptpreis gab. Hatte er etwas verpasst? Er machte sich die gedankliche Notiz, seinen Produzenten anzurufen und ihn danach zu fragen, aber erst einmal war er neugierig darauf, was Levis Anrufer zu sagen hatte.

»Du bist dran, Kumpel«, sagte Levi und das Rauschen der Telefonleitung war über das Radio zu hören.

»Ähm, hi.« Die angenehme, weiche Stimme klang ein wenig entfernt, als würde der Anrufer draußen stehen und die Verbindung schlecht sein. »Ich bin Liam und ich suche nach einem Jonathan Reed, der einen Luxusurlaub in Rio de Janeiro mit mir verbringt.«

Levi lachte, bevor er sagte: »Wäre jeder Jonathan Reed in Ordnung?«

»Ziemlich. Solange er Ende Mai zwei Wochen Urlaub machen kann.«

»Ich glaube, dass du damit großes Interesse geweckt hast, aber du solltest das doch ein bisschen näher erläutern.«

Liam seufzte schwer und hielt ein paar Sekunden inne, bevor er weitersprach.

»Ich habe vor sieben Monaten einen Pärchenurlaub gebucht, aber unglücklicherweise habe ich mich von meinem Freund getrennt und nun brauche ich jemanden, der seinen Platz einnimmt, weil ich sonst den Urlaub verliere.«

Er erklärte weiter, dass es ein Pauschalurlaub war und er nicht allein fahren konnte. Levi stellte ein paar Fragen, um die Einzelheiten zu klären, aber Blaine bekam davon kaum etwas mit.

Er war kein spiritueller Mensch und hatte nie an Gott oder irgendeine höhere Macht geglaubt. Aber in diesem Moment hatte er das Gefühl, dass irgendjemand dort oben endlich Mitleid mit ihm hatte und ihm ein unerwartetes Geschenk machte.

»Ich weiß, dass es seltsam ist, mit einem völlig Fremden in den Urlaub zu fahren«, sagte Liam gerade im Radio, als Blaine seine Aufmerksamkeit wieder auf die Sendung richtete. »Aber wir müssen nicht aneinander kleben. Wir können unser eigenes Ding machen und eigentlich nur ein Hotelzimmer teilen. Um ehrlich zu sein, ist es eine Suite und damit also ziemlich groß.« Liam hielt inne und als er schließlich sprach, war seine Stimme voller Emotionen. »Ich wollte schon immer nach Rio. Jetzt habe ich so viel Geld für diese Reise ausgegeben und sie droht, ins Wasser zu fallen… und so langsam gehen mir die Ideen aus, was ich noch tun könnte.«

»Habt ihr das gehört, Leute? Helft dem Mann! Fahrt mit ihm nach Rio!«, sagte Levi und seine fröhliche Stimme stand in starkem Kontrast zu Liams. Er ratterte die Nummer des Senders und die Social-Media-Kanäle herunter, bevor er die Leute dazu drängte, Liam dabei zu helfen, seinen Jonathan Reed zu finden.

Als der nächste Song startete, griff Blaine nach seinem Handy und wählte Levis Nummer.

»Ich brauch die Telefonnummer des Jungen«, sagte Blaine, als Levi den Anruf annahm.

»Wow, freut mich auch von dir zu hören, Kumpel«, sagte Levi gedehnt.

»Ich hab keine Zeit für Scherze, Levi. Das Lied ist in drei Minuten vorbei und dann bist du wieder auf Sendung und ich brauche die Telefonnummer.«

»Ich kann sie dir nicht geben, wenn du mir nicht sagst, warum, Alter.«

»Du kannst schon, aber du bist ein neugieriger Bastard, der alles wissen muss«, sagte Blaine trocken.

»Vielleicht.« Das Lächeln in Levis Stimme war ansteckend und Blaine spürte, wie sich seine Mundwinkel ebenfalls hoben.

»Mein Name ist Jonathan Reed. Blaine ist mein zweiter Vorname.«

Zum ersten Mal in seinem Leben fehlten Levi Stone die Worte. »Ernsthaft?«, fragte er schließlich.

»Ja. Jetzt gib mir die Nummer und nimm die Anzeige von den Social-Media-Plattformen. Liam hat gerade seinen Jonathan Reed gefunden.«

 

***

 

Blaine scrollte durch seine Twitter-Benachrichtigungen, als er hörte, wie sich die Tür öffnete und der Straßenlärm die entspannte Ruhe des kleinen Coffeeshops störte. Blaine hob den Blick von seinem Handy und entdeckte einen Mann, der eine zerrissene Jeans und ein schwarzes T-Shirt trug, auf dem in großen, pinken Buchstanden das Queen-Logo abgebildet war. Als er sich ein Stück drehte, um die Tür zu schließen, las Blaines auf dem Rücken des T-Shirts die Daten der Queen + Adam Lambert-Tour.

Mit einem Lächeln und einem leicht amüsierten Kopfschütteln zog Blaine eine Augenbraue nach oben, um dem Blick des Typen zu begegnen. Er lächelte, rieb sich den Nacken und kam schließlich zu Blaines Tisch.

»Hi«, sagte er, als er neben dem Tisch stand und die Hände tief in seine Hosentaschen schob. »Ich bin Liam?« Er zuckte zusammen, weil er es offensichtlich bereute, sich mit einer Frage vorgestellt zu haben.

Blaine biss sich auf die Zunge und entschied sich, keinen sarkastischen Kommentar dazu abzugeben. Der Kerl wirkte schon aufgeregt genug, es gab also keinen Grund, ihn noch mehr zu foltern.

Dafür haben wir in Rio genug Zeit, dachte Blaine grinsend.

Blaine stand auf und reichte Liam die Hand. »Freut mich, dich kennenzulernen, Liam. Ich bin Blaine Reed.« Zögerlich schüttelte Liam seine Hand, während er ihn aus schmalen Augen musterte. »Setz dich.«

Liam zog den Stuhl unter dem winzigen Tisch hervor und setzte sich, während Blaine die Aufmerksamkeit der Kellnerin auf sich lenkte und sie mit einem Nicken an den Tisch holte. Nachdem er einen Latte und ein Glas Wasser bestellt hatte, rutschte Liam auf seinem Stuhl herum und fühlte sich sichtlich unwohl.

Im Radio hatte er nicht so schüchtern geklungen. Er war etwas ängstlich gewesen, als Blaine ihn angerufen und um ein Treffen gebeten hatte, aber Blaine hätte nie gedacht, dass der Typ mit der sexy, rauchigen Stimme so jung war. Er sah aus wie neunzehn, oder höchstens zwanzig. Seine widerspenstigen Haare fielen ihm in Wellen bis über die Ohren und ihre Farbe erinnerte ihn an Karamell mit einem winzigen Hauch von Rot. Seine Haut war blass und Sommersprossen bedeckten seine Nase. Und seine Augen… Blaine hatte noch nie solche Augen gesehen. Dichte, dunkle Wimpern umrahmten ein Paar Mandelaugen in der Farbe von samtigem, hellem Honig.

Als Liam seinen Blick wieder auf Blaine richtete, konnte er nicht wegsehen. Die schüchterne Unsicherheit in diesen magischen Augen machte Blaine sprachlos. Eine Falte bildete sich zwischen Liams Augenbrauen und er leckte sich über die Lippen, während er sich mit der Hand durch die Haare fuhr. Der perfekte Schwung seiner pinken, zum Küssen einladenden Lippen glänzte feucht und Blaines Bauch zog sich vor Lust zusammen.

»Also«, sagte Liam, nachdem er sich geräuspert hatte. »Du hast am Telefon gesagt, dass du einen Jonathan Reed kennst?«

Liams Stimme riss Blaine aus seinen immer unanständiger werdenden Gedanken. Er hob seine Kaffeetasse, um sich ein bisschen Zeit zu erkaufen, bevor er antwortete.

Wollte er mit diesem Mann wirklich einen romantischen Urlaub verbringen? Er hatte ihn vor fünf...