Thunderbird Medicine Woman - Das etwas andere schamanische Tagebuch

von: Christa Trachsler

novum pro Verlag, 2015

ISBN: 9783990481479 , 194 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 12,99 EUR

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Thunderbird Medicine Woman - Das etwas andere schamanische Tagebuch


 

Einweihung in den Schamanismus

Nach zwölf Jahren Ehe ließ Christa sich von Cesar scheiden. Nur wenig Gutes hatte dieser Mann ihr gebracht, und das wenige Gute war nicht sein Verdienst. Cesars Onkel war es, der peruanische Schamane Don Eduardo Calderon, der sie in den Schamanismus einweihte.

Sie lernte Don Eduardo in Peru kennen. Er lebte in Trujillo, einer hübschen Kolonialstadt im Norden von Peru, wo sie Cesars Schwester Marie-Helena besuchte. Sie genoss die „Stadt des Frühlings“, wie Trujillo wegen seines relativ milden Klimas auch genannt wurde. Aber in den Nächten wurde sie von sehr ungewöhnlichen Träumen heimgesucht. Da benachrichtigte Marie-Helena ihren Onkel Don Eduardo, genannt „El Tuno“, der Fischer. Er lebte in einer kleinen Bambushütte am Strand. Der Schamane arbeitete nur nebenbei und wenn Not am Mann war. Wenn man Hilfe brauchte und die Ärzte ratlos waren, wurde er herbeigezogen. Fast immer konnte er mit Rat, Tat und wunderlichen Mitteln das Übel beseitigen.

In der Regel warteten viele Menschen stundenlang bis zum Abend in der heißen Sonne, bis sie an die Reihe kamen. An jenem Tag aber war niemand da, und El Tuno war auch nicht zum Fischen hinausgefahren. Marie-Helena wurde sofort hereingerufen, und es kam ihr vor, als ob der alte Mann sie erwartet hätte.

Ungläubig sah sie sich in dem kuriosen Zimmer um. Kräuter und Wurzeln hingen von der Decke und weckten ihre Neugier. Totenschädel und Vogelschwingen kannte sie. Aber all die anderen Ritualgegenstände, sie stammten aus Pyramiden und Gräbern, waren ihr vollkommen unbekannt.

El Tuno saß auf dem Boden und bearbeitete ein Stück Strandholz mit dem Schnitzmesser. Als sie sich ihm näherte, blickte er auf und musterte die junge Frau kurz und lächelte. „Endlich habe ich eine Erbin gefunden!“, frohlockte er. Don Eduardo war klein, rundlich und trug einen mächtigen Schnauzbart. Nach der herzlichen Begrüßung begann er, um sie herumzutanzen und magische Worte aufzusagen. Verlegen und hilflos stand sie da im Zentrum seines Freudentanzes. Sie sollte sein Wissen weitergeben.

Don Eduardo arbeitete mit Kristallen und Rasseln an ihr, bis ihre Verwirrung perfekt war. Dann ging die einzige Kerze aus, die Licht in das kleine Zimmer gebracht hatte. Der Raum tauchte in tiefste Dunkelheit. Ein unangenehmes Gefühl und leichte Panik kamen in ihr auf. Sie hasste es, im Dunklen zu sein. Don Eduardo schien sich in Luft aufgelöst zu haben.

Sie zitterte am ganzen Leib. „Die Augen zu und durch“, flüsterte sie. Als ihr Mut sie völlig verließ, schloss sie die Augen. Es half nichts. Sie konnte sie dennoch sehen, die Schatten, die von oben herabkamen. Als sie immer näher kamen, erkannte sie, dass es Vögel waren. Riesige Vögel, und sie stürzten sich mit einem wilden, unmenschlichen Schrei immer wieder auf sie und bedeckten sie mit ihren Flügeln. Auf dem Bauch spürte sie einen großen Druck. Sie wimmerte und schwankte zwischen Faszination und Angst und hielt die Augen fest geschlossen.

Als sie dem Druck im Bauch nachgab, schnellte eine Lichtspirale aus ihrem Körper heraus und drehte sich unendlich weiter nach oben. Als sie sich beruhigt und die Situation angenommen hatte, übergab sie der Lichtspirale die Führung. Das Licht durchdrang ihren ganzen Körper und schlang sich durch die Wirbelsäule. Ihr ganzer Körper vibrierte und kribbelte.

Eine zweite Spirale in Violett kam von oben und drehte sich entgegengesetzt zur ersten durch ihren Körper und von dort weiter in die Erde hinein. „Es spielt keine Rolle, an welchem Punkt der Spirale man sich befindet und wo die Spirale gerade ist. Es gibt kein Zentrum, das Zentrum ist immer hier.“ Das war die stille Botschaft dieses Vorgeschmacks auf die schamanische Initiation, die ein paar Tage später erfolgen sollte.

Erschöpft aber glücklich kauerte sie auf dem Boden. Sie fühlte sich wie neugeboren. Es war ein Gefühl der Vollkommenheit und Zugehörigkeit, eine seltsam wehmütige Erinnerung an den Urzustand des Lebens. „Endlich ist etwas passiert“, dachte sie. „Die Spirale hat mich etwas gelehrt. Ich muss keine Angst mehr haben.“

El Tuno betrat das Zimmer und zündete die Kerze an. „Die Spirits haben dich ausgewählt. Dein alter Name ist in der Inka-Sprache Shaman Bird Woman gewesen. Erinnerst du dich noch an die Träume, wegen denen du gekommen bist?“ Als sie ausholte und versuchte, sich an die Albträume zu erinnern, unterbrach er sie jedoch. „Nein, das kannst du lassen. Erzähl mir jetzt nicht deine Träume. Ich erzähle dir etwas anderes. Diese Träume waren der Aufruf zu deiner Initiation. Wir sind erst am Anfang des Weges. Deines Weges.“

Die Initiation sollte in wenigen Tagen bei Vollmond in den Pyramiden von Tucumé durchgeführt werden. Am Abend des Vollmonds hielt ein klappriges Auto vor Marie-Helenas Haustür. Unbekannte Menschen saßen darin, El Tuno stieg aus und lächelte. Marie-Helena und Cesar versicherten ihr, dass sie in guten Händen war.

Bis auf eine seltsame rote Schlange am Wegrand war die Fahrt durch die Wüste normal. Doch was heißt schon normal. Wüste ist nicht einfach Wüste. Sie ist eine heiße und bunte Angelegenheit, die ständig Überraschungen zu bieten hat. Nach einigen Stunden kamen sie bei den Pyramiden von Tucumé an.

Auf einem wundervollen Platz mit ausgesprochen mystischen Energien standen mehrere, zum Teil noch unversehrte Pyramiden im gleißenden Mondlicht. Sie sind um 1100 nach Christus entstanden und dienten als Machtzentrum der Lambayeque-Kultur. Christa war äußerst angespannt. Ihre Begleiter gaben sich große Mühe, ihr die Angst zu nehmen. Sie knufften einander, kicherten und machten Witze.

Der Platz in der Mitte musste ein Ritualplatz gewesen sein. Hier legten sie ihre Ponchos auf den Boden und streckten die Glieder. Die Nacht war sternenklar, der Mond hatte den ganzen Platz in seinen Silberschleier gehüllt.

El Tuno öffnete eine Flasche mit einem seltsamen Gebräu. Sie hatte schon viel von der „Pflanze der Götter“ gehört, dem Kaktus Trichocereus pachonoi mit halluzinogener Wirkung. Seit Tausenden von Jahren wird San Pedro bei Zeremonien getrunken. Gerade weil sie bereits Erfahrungen mit Drogen gemacht hatte, war ihr Respekt davor sehr groß. Das Setting war es, was sie beunruhigte. Der Ort an und für sich war unheimlich. Was für Seelen, unbekannte Dimensionen und Bilder würden sich hier wohl zeigen?

El Tuno machte eine kleine Mulde in den Boden und schüttete einen Teil des Gebräus hinein, den Rest füllte er in Gläser. Mutter Erde sollte für eine gute „Reise“ sorgen. Deshalb bekam sie als Erste einen Schluck vom San Pedro.

Sofort wurde ihr übel von dem bitteren Geschmack. Der Versuch, das Gebräu im Magen zu behalten, schlug fehl. Sie erbrach sich noch im Sitzen. Dabei drehte sie sich sehr dezent nach hinten, beugte sich über den Rand der Decke, auf der sie saß, und übergab sich. Sie schämte sich.

Später erfuhr sie, dass es ganz normal war, San Pedro nicht im Magen behalten zu können. Einer jungen Frau mit dicken schwarzen Zöpfen erging es genauso. Ihre langen Zöpfe gerieten in den Schwall, der aus ihrem Mund heraustrat, doch niemand lachte sie aus. Sie wischte die Reste aus dem Haar und setzte sich wieder auf ihren Poncho.

El Tuno stimmte ein Lied an und schwang dazu seine Rasseln, um die schamanische Gruppe in Trance zu versetzen. Die Melodie klang eintönig, doch zusammen mit den Rasseln erreichte die Gruppe schnell den gewünschten Bewusstseinszustand. Sie spürte die Schwingungen des Bodens unter sich. Der ganze Platz schien lebendig zu werden und die Pyramiden strahlten geheimnisvoll. Alles wurde mit Leben erfüllt.

Das Vibrieren der Erde tat ihr enorm gut und gab ihr im wahrsten Sinne des Wortes festen Boden unter den Füßen.

Als sie bemerkte, dass ihr Zustand sich stabilisierte, wagte sie einen Blick auf die Pyramiden und erblickte Schatten, die aus ihnen heraustraten. Es waren Menschen aus einer anderen Zeit. Ihrer Kleidung nach mussten sie aus der Zeit vor den Inkas stammen. Die Menschen aus den Pyramiden bemerkten die Schamanengruppe nicht und gingen ihrer gewohnten Arbeit nach. Bis eine Priesterin auf Christa zukam und sie zu einer etwas abseits gelegenen Pyramide führte. Sie trug ein wunderschönes, üppig geschmücktes Gewand. Die Gruppe folgte ihnen.

An der Pyramide angelangt, geschah etwas Unglaubliches. Die Pyramide öffnete sich, und ein Altar kam zum Vorschein. Die Priesterin war die Hüterin dieses Tors, und kaum war das Tor geöffnet, war sie verschwunden. Der angehenden Schamanin wurde gedeutet, dass sie sich auf den Altar legen sollte.

Sie schloss die Augen und spürte den kalten Stein unter sich. Ihre Begleiter stellten sich um den Altar herum und begannen mit Kristallen und anderen Steinen an Christas Chakras zu arbeiten. Sie fühlte sich wie zu Hause. Und das kam nicht von ungefähr. „Ich war schon einmal hier. Oh Gott, es war so schön!“, dachte sie und weinte Freudentränen. Unzählige Bilder aus alten Zeiten gingen durch ihren Kopf. Sie fühlte Geborgenheit, Intelligenz und Freiheit – das war der Urzustand, nach dem sie sich immer gesehnt hatte.

Am Ende des Rituals packte El Tuno seine Rassel und schwang sie über ihren ganzen Körper. Nach und nach kam Christa zu sich, konnte sich aber nicht mehr daran erinnern, wie sie aus der...