Die Chroniken der Fae - Aus Papier und Asche

von: Ruth Frances Long

cbt Jugendbücher, 2015

ISBN: 9783641155117 , 448 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: frei

Mac OSX,Windows PC für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 8,99 EUR

eBook anfordern eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Die Chroniken der Fae - Aus Papier und Asche


 

Izzy hatte gerade den Schalter am Toaster heruntergedrückt, als er mit einem lauten Knall explodierte. Funken sprühten wie bei einem Feuerwerk und stinkender schwarzer Rauch erfüllte die Küche.

Dad fluchte laut – Wörter, die er wirklich nicht vor ihr hätte aussprechen sollen – und sprang vom Küchentisch auf.

»Geh von dem Scheißding weg!«, befahl er und riss den Stecker aus der Steckdose. »Ist dir etwas passiert, Izzy?«

Sie schüttelte den Kopf, während sie versuchte, den beißenden Qualm nicht einzuatmen. »Alles in Ordnung, Dad. Mir geht es gut.« Er sah lustig aus, wie er da mit dem schwingenden Kabel in der Hand stand wie mit einem Pendel und finster den Toaster anstarrte, als hege er schon sein Leben lang einen Groll gegen ihn.

Es war nicht das erste Mal. Sie kannte das schon. Also drückte sie den Knopf der Dunstabzugshaube und öffnete die Fenster, während Dad misstrauisch den Toaster anstupste und darauf wartete, dass er erneut angriff.

Tödliches Schweigen legte sich über die Küche, bis Mum mit der Zeitung raschelte. »Der Technik-Fluch ist eindeutig erblich, was?«

Izzy grinste. An der Stimme ihrer Mutter konnte sie hören, dass diese ein Lachen unterdrückte. Sie konnte nicht anders. Es war lustig.

Dad schnaubte beleidigt. »Deine Tochter ist übrigens unverletzt, da du ja so besorgt bist.«

»Oh, gut! Das ist eine Erleichterung, wie immer. Welches Gerät wird euer beider Zorn als Nächstes zum Opfer fallen?«

Sie faltete die Zeitung zusammen, goss sich die letzte Tasse Kaffee ein und zwinkerte Izzy zu, die am Küchentresen lehnte und ein Kichern unterdrückte. Dad nahm den Toaster, ging an ihr vorbei zur Hintertür und warf ihn auf die Terrasse. Der Toaster schepperte auf die Steine und er knallte die Tür zu.

»So, weg damit. Ein Glück, dass wir ihn los sind. Benutz besser den Grill, Izzy.«

»Den lässt du nicht da draußen!«, protestierte Mum. »Das ist ein Garten, keine Müllkippe!«

»Der Toaster ist tot, Liebling. Lass ihn in Frieden ruhen. Ich bringe ihn später zum Wertstoffhof.« Er stellte die Kanne unter die Kaffeemaschine und drückte auf den roten Knopf. Sie gurgelte fröhlich los.

»Vorsicht!«, sagte Mum.

Von allen Maschinen im Haus, dachte Izzy, konnten sie es sich auf keinen Fall leisten, diese hier zu verlieren. Keiner ihrer Eltern wäre noch in der Lage zu funktionieren. Sie ging zum Kühlschrank und holte sich stattdessen einen Joghurt. Viel sicherer. Sie und Dad standen im Umgang mit elektrischen Geräten auf irgendeine unheimliche Art auf Kriegsfuß. Meistens zerstörten sie sie.

»Ich mache sie nicht kaputt!«, gab Dad zurück. »Die Kaffeemaschine habe ich noch nie kaputt gemacht! Die Kaffeemaschine liebt mich!«

Gott, sie waren so peinlich.

»Halte dich einfach von meinem Laptop fern, David!«, warnte ihn Mum. »Ich glaube, ich könnte nicht noch ein So-etwas-habe-ich-noch-nie erlebt-Gespräch an der Hotline ertragen.«

Daraufhin zog Dad eine theatralische Grimasse.

Izzy verdrehte die Augen zum Himmel, denn im nächsten Moment knutschten sie, obwohl das für alle über einundzwanzig eigentlich streng verboten sein sollte.

Aber wenigstens waren sie glücklich und ignorierten einander nicht kühl oder ließen sich scheiden wie die Eltern der Hälfte ihrer Mitschüler. Sie waren glücklich und sie freute sich für die beiden.

Auch wenn sie todpeinlich waren.

»Ich zieh mich mal besser an«, sagte Dad. »Izzy, soll ich dich mitnehmen? Ich fahre zum Tempel des Mammon.«

Sie verzog das Gesicht. Das riesige Einkaufszentrum in Dundrum nannte sich selbst nicht »Shopping Centre«, sondern »Town Centre«. Und Dad sagte nicht einmal das. Er hatte seine eigene Meinung zu Einkaufszentren. Eine Meinung mit Großbuchstaben, Zitaten, Unterstreichungen und Kursiven. Was wahrscheinlich der Grund war, warum er in letzter Zeit kaum genug Aufträge hatte, um über die Runden zu kommen. Man sollte meinen, während einer Rezession wäre ein Architekt ein bisschen vorsichtig, wessen Gebäude er kritisierte. Aber so war Dad nun mal.

Das Problem war: Sie gab ihm recht. Sie war die einzige Teenagerin, die sie kannte, die das Einkaufzentrum hasste.

»Nein, danke. Ich dachte mir, ich mache mich später auf den Weg in die Stadt. Dylans Band hat heute Nachmittag einen Gig.«

Die Stadt war nichts von Menschen Gemachtes oder Geplantes. Die Stadt war das Zentrum von Dublin, einem ungeschriebenen Gesetz nach ein Gebiet, das sich selbst geschaffen hatte, organisch und sorglos gewachsen war – ein schmuddeliges, an den Nähten ausgefranstes Paradies, geteilt durch einen Fluss. Mit schmalen Gassen, die aus der Besiedlung durch die Wikinger übrig geblieben waren, und den herrschaftlichen Prachtstraßen der Wide Street Commission.

Izzy liebte Dublin, liebte es, einfach herumzulungern, Sträßchen entlang oder über die Plätze mit den Eisengeländern zu schlendern, Straßenmusikern zu lauschen, Straßenkunst anzuschauen und Schaufensterbummel zu machen. In der Stadt konnte man einfach abhängen, manchmal um Freunde zu treffen, manchmal allein. Der Sommer war dafür der Himmel.

Sie hätte das Stadtzentrum inzwischen eigentlich wie ihre Westentasche kennen sollen, und doch fand sie immer wieder etwas Neues. Das machte seine Magie aus – die Stadt war ein Labyrinth, ein Mischmasch aus öffentlichen und geheimen Plätzen aus zahllosen Epochen, im Laufe von tausend Jahren zusammengequetscht, immer neu, immer alt.

»Oh, wo spielen sie?«, fragte Mum eifrig. Zu eifrig.

Izzy hatte sich immer noch nicht vom letzten Mal erholt, als ihre Eltern bei einem von Dylans Gigs aufgetaucht waren. Marianne liebte es, das immer wieder durchzukauen. Izzy kannte Dylan schon so lange, dass ihre Eltern ihn anscheinend weniger als Izzys Freund, sondern vielmehr wie ein eigenes Kind betrachteten.

»Nur so ein Promo-Ding. Nichts Großes. Da seid ihr sowieso bei der Arbeit. Es ist am Nachmittag«, sprudelte sie hastig hervor und ergriff die Gelegenheit zur Flucht, bevor sie nach noch mehr Einzelheiten fragen konnten … zum Beispiel wann genau und wo.

***

Die DART ratterte die Schienen entlang, grün und hässlich. Der Zug war die Lebensader für alle, die in den Außenbezirken der Stadt wohnten, ein Weg, aus den vorstädtischen Küstengebieten herauszukommen und die Krümmung der Bucht entlang direkt ins Herz der Stadt zu fahren. Izzy schaute aus dem Fenster, statt Musik zu hören oder mit ihrem Handy zu spielen wie ihre Mitreisenden. Das heimtückische Sandwatt des Sandymount-Strands, von James Joyce so geliebt, erstreckte sich hinter der Mauer, und das Meer rauschte dagegen, mit weißen Schaumkronen in den Wellen, die sich an den überspülten Sandbänken brachen. Wind kam auf, aber der Himmel war immer noch klar und blau. So schön war der Sommer nicht immer. Normalerweise war er für seinen Regen berühmt, aber nicht in diesem Jahr. Dieses Jahr war er golden und schön, wie eine Kindheitserinnerung an vergangene Sommer. Er veränderte die ganze Gegend.

Izzy drängte sich an der Pearse Station aus der Bahn und mischte sich unter die Massen, die das Gefälle zur Straße hinabströmten. Sie wanderte am Rand des Trinity College entlang, wich Touristen aus, die sich um ihre Busse ballten, und Bettlern, die Papp-Kaffeebecher hielten.

»Bisschen Kleingeld, Kumpel?«, murmelte jemand auf Höhe ihrer Knie, und sie sah gelbe Zähne in einem schmutzigen Gesicht aufblitzen. Ein stechender Blick traf sie und stoppte sie abrupt. Ihr stockte der Atem, aber sie konnte sich nicht rühren. Es war, als hielte sie jemand mit eisernem Griff im Nacken fest. »Bisschen Kleingeld, Schätzchen?«, fragte er wieder, jetzt mit noch breiterem Grinsen.

Jemand drängte sich zwischen sie, unterbrach die Verbindung, und Izzy konnte sich wieder bewegen. Mit eckigen Bewegungen eilte sie weiter, überquerte die Straße und versuchte, nicht auszusehen, als liefe sie davon. Es gab nichts, vor dem sie davonlaufen musste. Nur ein alter Kerl, der Geld wollte. Aber das Herz hämmerte ihr von innen gegen die Rippen.

Es beruhigte sich erst, als sie die Grafton Street erreichte, wo sie vor der Bank zwischen den Einkäufern und Sprachstudenten stehen blieb, die einem ziemlich mürrischen Straßenmusikanten zuschauten, der Gitarre spielte wie ein spanischer Meister. Und sie stand dazwischen und hatte Panik. Wirklich dumm. Sie ließ doch sonst auch nicht zu, dass ihre Fantasie mit ihr durchging. Dad sagte ihr immer, dass die Dinge waren, wie sie waren. Niemand musste sich etwas Schlimmeres vorstellen. Es war nur ein alter Bettler gewesen, und ihre hyperaktive Vorstellungskraft.

Izzy wartete, bis ihr Atem wieder ruhiger ging und der Lärm und die Gespräche, das Gelächter und die Rufe sie umspülten. Die Straße war überall voller Farben und Geräusche, wie greifbare Energie. Sie schlenderte an den Schaufenstern der Geschäfte vorbei, ohne hineinzugehen. Es war kein Tag zum Shoppen, selbst wenn sie Geld übrig gehabt hätte. Dies war einfach nur ein Tag für sie selbst. Wenn man älter wurde, waren die Schulferien nicht mehr wie früher. Sie arbeitete jede Stunde, die sie aufbringen konnte, im Café am Ende ihrer Straße, während die meisten ihrer Freunde damit zufrieden waren, den Sommer einfach zu verschwenden. Na ja, vielleicht war das nicht ganz fair. Teilzeit- und Ferienjobs waren heutzutage nicht leicht zu bekommen.

Trotzdem hätte sich Marianne, Dylans Schwester und Izzys Klassenkameradin und Arbeitskollegin, nicht wie eine Primadonna aufführen...